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Gipfel mit Streitagenda

UNASUR-Treffen in Argentinien. Staatschefs wollen über US-Militärbasen in Kolumbien debattieren. Peru kritisiert »Geheimabkommen« zwischen Chile und Bolivien

Von Ingo Niebel *

Die sieben US-Militärbasen in Kolumbien und ihr Bedrohungspotential für die lateinamerikanische Integration werden im Mittelpunkt des eintägigen Gipfels der Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR) stehen. Doch schon im Vorfeld des Treffens der Staatschefs der zwölf Mitgliedsstaaten, das am Freitag (28. August) im sürdargentinischen Bariloche stattfand, hat Peru nichts unversucht gelassen, um das Thema der US-Basen aus dem Gipfel-Fokus zu nehmen. Anfang dieser Woche hatte Präsident Alan García medienwirksam ein »Geheimabkommen« zwischen Chile und Bolivien kritisiert und angekündigt, es in Bariloche thematisieren zu wollen.

Die Regierungen der chilenischen Präsidentin Michelle Bachelet und ihres bolivianischen Amtskollegen Evo Morales verhandeln zur Zeit über einen neuen Grenzverlauf, der Bolivien, das ärmste Land des Kontinents, einen Zugang zum Pazifik ermöglichen soll. Diesen hatte der Andenstaat nach dem Pazifikkrieg von 1929 an Chile verloren. Jetzt laufen Gespräche zwischen Santiago de Chile und La Paz, um die Folgen jenes kriegerischen Konflikts auf politischem Wege zu lösen. Parallel dazu hat Peru seinen südlichen Nachbar Chile vor dem Internationalen Schiedsgerichthof in Den Haag verklagt, um die ebenfalls im Pazifikkrieg verlorenen Gebiete zurückzubekommen. Auf dem UNASUR-Gipfel will Perus Präsident Alan García die chilenisch-bolivianischen Grenzverhandlungen zum Thema machen. »In Bariloche wird es die Möglichkeit geben zu fragen. Amerika will wissen, was und warum man dort verhandelt«, sagte das Staatsoberhaupt laut einer Meldung der spanischsprachigen Ausgabe von BBC World. García unterstellt Bachelet und Morales ein »Geheimabkommen« gegen Peru, in welchem der Bolivianer der Chilenin Unterstützung im Rechtsstreit mit Lima signalisiert hätte. Die chilenische Diplomatie hat Garcías Ansinnen brüsk abgelehnt, ihre bilateralen Verhandlungen mit La Paz auf dem Gipfel zu diskutieren.

Hinter dem Vorstoß aus Peru steht die lange Hand der US-Politik, zu deren letzten Vasallen in Südamerika – neben Kolumbiens Álvaro Uribe – eben auch García zählt. Denn Washington hat ein Interesse daran, seine sieben Militärstützpunkte in Kolumbien aus dem Mittelpunkt des Gipfelgeschehens zu ziehen. Das jüngste Abkommen mit Bogotá hat in den meisten südamerikanischen Staaten Ablehnung hervorgerufen, da diese die US-Militärpräsenz als eine Bedrohung der lateinamerikanischen Emanzipation verstehen.

Damit der Krieg eben nicht mehr Mittel der Politik ist, haben die zwölf Länder des Kontinents 2008 die UNASUR gegründet. Die internationale Organisation ist damit der erste Versuch – knapp 200 Jahre nach der Unabhängigkeit von Spanien und Portugal – sich ein Forum zu geben, um die Probleme des Kontinents ohne Einmischung aus dem Norden zu lösen. Den USA ist diese Staatengemeinschaft ein Dorn im Auge, weil dadurch ihr bevorzugtes Instrument zur politischen Kontrolle der Region, die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), weiter an Bedeutung verliert. Eine zweite Bedrohung für die US-Hegemonie in der »westlichen Hemisphäre« ist die Bolivarische Allianz für die Völker unseres Amerikas (ALBA), die jene Staaten Lateinamerikas und der Karibik umfaßt, die in sozialistischen Modellen die Lösung für ihre grundlegenden Probleme der Armut, Ausbeutung und Arbeitslosigkeit sehen. Zu den ALBA-Staaten gehören neben Venezuelad Kuba, Bolivien, Ecuador, Nicaragua und Honduras auch einige Karibik-Länder. Aus der ALBA-Perspektive betrachtet, bietet die UNASUR einen Rahmen, wo sie mit jenen Staaten Südamerikas zusammenkommen können, die ihre kapitalistische Grundstruktur beibehalten wollen, aber ähnliche Grundprobleme haben, die einer regionalen Lösung bedürfen.

* Aus: junge Welt, 29. August 2009


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