Ein neuer Boom-Markt kämpft um seinen Ruf
Der diesjährige Lateinamerika-Tag stand ganz im Zeichen Kolumbiens
Von Knut Henkel *
Kolumbien ist auf dem Sprung, da sind sich deutsche Unternehmer mit ihren kolumbianischen Kollegen einig. Hohe Wachstumsraten um die sechs Prozent, gute Rahmenbedingungen und qualifiziertes Personal sprechen für sich, so der Tenor des 63. Lateinamerika-Tages, der am Mittwoch in Mainz zu Ende ging.
Bisher begegnen deutsche Investoren Kolumbien mit Skepsis. Das soll sich ändern: »Um 39 Prozent sind die Touristenzahlen aus Deutschland im letzten Jahr gestiegen. Das ist letztlich auch ein Beleg dafür, dass Kolumbien langsam das Stigma der Unsicherheit ablegt«, erklärte Botschafter Juan Mayr Maldonado beim Lateinamerika-Tag. Der Mann, der sich einst als Umweltaktivist einen Namen gemacht hat, ist stolz auf das solide Wachstum in den letzten Jahren. Mit bis zu fünf Prozent Zuwachs wird auch in diesem Jahr gerechnet und der Friedensprozess könnte zusätzliche Dynamik bringen, so der Botschafter.
Der jährlich vom wirtschaftsnahen Lateinamerika-Verein ausgerichtete Kongress stand in diesem Jahr ganz im Zeichen Kolumbiens. Das in Europa vornehmlich für Bürgerkrieg und Drogenschmuggel bekannte Land hat sich in den letzten Jahren gemausert. Die Arbeitslosigkeit geht zurück und längst ist Bogotá sicherer als São Paulo oder Mexiko- Stadt, wie auch deutsche Firmenvertreter wie Matthias Reiser von Kühne & Nagel bestätigen - das Logistikunternehmen ist schon lange vor Ort und hat in den letzten fünf Jahren die Zahl der Mitarbeiter vervierfacht.
Das Land mit seinen 45 Millionen Einwohnern könnte in den nächsten Jahren zur Nummer Drei in Lateinamerika hinter Brasilien und Mexiko werden. Längst drängt internationales Kapital nach Kolumbien. Im Bergbausektor sind vor allem die USA, Kanada und England aktiv. Außerdem agieren Firmen aus Spanien, Chile, Brasilien und Mexiko im Land. Mit gutem Grund: Im Norden Lateinamerikas gelegen, hat Kolumbien mit seinen Häfen an Atlantik und Pazifik quasi Drehscheibencharakter. Außerdem muss die Infrastruktur in den nächsten Jahren modernisiert werden. Lager- und Logistikunternehmen sind dabei genauso gefragt wie Baufirmen oder Autozulieferer.
Firmen aus Deutschland halten sich bisher aber sehr zurück. Kleine und mittlere Unternehmen wagen sich kaum auf die Hochebene von Bogotá, ins wachsende Medellín oder das für Medizintourismus und Kosmetik bekannte Cali. In Deutschland scheint der Ruf des rohstoffreichen Landes immer noch nicht gut genug. »Besser als sein Ruf und es lohnt sich«, ist daher die Parole, welche der Daimler-Chef in Bogotá, Mathias Heldt, ausgibt, um Werbung für den Standort zu machen. Dieser wartet mit engagierten und gut qualifizierten Mitarbeitern auf, aber auch mit immensen Herausforderungen. Dazu gehört die Menschenrechtssituation genauso wie der Schutz der Arbeitsrechte. Ein Grund, weshalb das Freihandelsabkommen mit den USA lange auf Eis lag. Das war bei den Europäern nicht der Fall. Die hoffen auf mehr Warenaustausch und setzen auf Wandel durch Handel. Eine Strategie, die nicht nur Kolumbiens Gewerkschaften kritisieren.
* Aus: neues deutschland, Freitag, 19. Oktober 2012
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