Nur ein vermeintlich starker Partner
Die EU und die USA suchen in Lateinamerika den Schulterschluss mit der Pazifik-Allianz
Von Harald Neuber *
Die EU und die USA setzen beim Handel mit Lateinamerika vor allem auf die Pazifik-Allianz. Aber welche Perspektive hat dies?
Als in der dritten Mai-Woche die Staats- und Regierungschefs der Pazifik-Allianz im kolumbianischen Cali zusammenkamen, zeigte sich Ricardo Vallejo, Vizepräsident des kolumbianischen Verbandes der Exportfirmen, optimistisch. Bei einem parallel stattfindenden Unternehmertreffen seien Verträge im Wert von 3,8 Millionen US-Dollar geschlossen worden. Für die kommenden zwölf Monate geht der Wirtschaftsexperte von einer möglichen Gesamtkapazität von gut 90 Millionen Dollar zusätzlichen Handelsvolumens zwischen den vier Mitgliedsstaaten aus. Diese Summe setzt sich zu mehr als der Hälfte aus Nahrungsmitteln und zu einem Viertel aus industriellen Fertigprodukten zusammen. Den Rest machen Textilwaren und Dienstleistungen aus. Bei einem Folgetreffen Ende Juni zeigte sich Kolumbiens Außenministerin María Ángela Holguín zuversichtlich. Die Arbeitsziele von 2011 seien allesamt erfüllt, Handelsbüros in der Türkei, Marokko, Südkorea, China und den USA eröffnet.
Das rasche Wachstum der Pazifik-Allianz ist vor allem dem Druck der USA und der EU geschuldet, die ein Gegengewicht zu der linksgerichteten Bolivarianischen Allianz (ALBA) etablieren wollten. Dieser Zusammenschluss war 2004 auf Initiative von Fidel Castro und dem inzwischen verstorbenen Hugo Chávez gegründet worden, um eine eigenständige Entwicklung zu gewährleisten. Mit der Pazifik-Allianz und der ALBA stehen sich zwei Konzepte gegenüber: Während die neoliberalen Regierungen entlang des Pazifiks weiterhin auf Freihandel und den groß angelegten Rohstoffexport setzen, streben die ALBA-Staaten den Aufbau eines industriellen Gefüges in der Region an, um die Strukturprobleme der postkolonialen Ökonomien zu überwinden. Die von Chávez lancierte Initiative Petrocaribe ist ein Beispiel: Sie zielt auf den Aufbau einer staatlichen, Erdöl verarbeitenden Industrie in den Staaten Lateinamerikas und der Karibik ab.
Nach dem Tod von Chávez Anfang März ist diese Integration aber ins Stocken geraten. Die Pazifik-Allianz zieht hingegen die Zügel an: Nach Einschätzung von EU-Experten steht die Aufnahme von Guatemala und Panama in das Bündnis an; der Beitritt Costa Ricas ist bereits beschlossen.
Bei aller Euphorie in Brüssel und Washington lässt sich aber nicht ausblenden, dass mit der Pazifik-Allianz die politischen und wirtschaftlichen Probleme zwischen Lateinamerika, den USA und der EU nicht gelöst sind. Letztere setzen auf die Zusammenarbeit mit wirtschaftspolitisch Gleichgesinnten, deren Position aber alles andere als gefestigt ist: In Chile brechen immer wieder Sozialproteste durch, in Kolumbien tut sich die Regierung schwer, einen lähmenden Krieg mit Rebellen beizulegen. Und: Die Perspektiven im Handel sind begrenzt. Die Pazifik-Allianz vereint mit zwei Billionen US-Dollar kaum mehr als ein Drittel des akkumulierten Bruttoinlandsproduktes in Lateinamerika. Der dpa-Korrespondent in Chile, Mauricio Weibel, wies unlängst mit Blick auf die erzwungene Zwischenlandung von Boliviens Präsident Evo Morales in Wien auf die politischen Gräben zwischen den Kontinenten hin: »Wie kann man von Integration sprechen, wenn die Präsidenten Lateinamerikas noch nicht einmal über Europa fliegen können, ohne Gefahr zu laufen, dass Polizisten oder Geheimdienstler ihre Flugzeuge durchsuchen?«
* Aus: neues deutschland, Montag, 19. August 2013
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