Familientrip an den Zuckerhut
US-Präsident beginnt Südamerika-Reise *
US-Präsident Obama geht auf verspätete Antrittsreise nach Südamerika. Den Auftakt bildet Brasilien, das für die USA immer wichtiger wird – als Absatzmarkt und Öl-Lieferant.
Barack Obama in Rio de Janeiro bietet den Presse-Fotografen eine willkommene Abwechslung. Denn der US-Präsident reist mit seiner ganzen Familie am Sonntag in die Stadt am Zuckerhut. Wie im Sommer 2008 im Berliner Tiergarten, als er noch Präsidentschaftskandidat war, will er in Rios Zentrum zum Volk sprechen, diesmal vor der Kulisse des ehrwürdigen »Theatro Municipal«. Die harten Wirtschaftsthemen werden zuvor in Brasília geregelt. Nach Rio geht es weiter nach Chile und El Salvador.
Wirtschaftsfragen stehen im Mittelpunkt in Brasilien, daran ließ das Weiße Haus vorab wenig Zweifel. Die US-Warenexporte nach Brasilien legten 2010 um 35 Prozent zu. Das Land verzeichnete im Vorjahr 7,5 Prozent Wachstum. Milliardenprojekte für die Fußball-WM 2014 und die Olympischen Spiele 2016 stehen an. »Brasilien ist die siebtgrößte Volkswirtschaft der Welt. Die Hälfte der Bevölkerung wird der Mittelklasse zugerechnet. Und das ist eine große Chance für uns, unsere Produkte dort zu verkaufen und die Wirtschaftsbeziehungen zu vertiefen«, skizzierte US-Vize-Sicherheitsberater Mike Froman.
So weit, so gut. Aber die Brasilianer und ihre neue Präsidentin Dilma Rousseff wissen um ihren gewachsenen Einfluss in der Welt und sind bestrebt, ihrerseits neue Märkte zu finden. Wirtschaftlich dürfte Brasilien deshalb vor allem auf die Öffnung des US-Marktes für Zuckerrohr-Ethanol pochen, der mit 0,54 US-Cent je Gallone (3,78 Liter) besteuert wird. Politisch drängt das Land auf die Erweiterung des UN-Sicherheitsrats und – wie Deutschland, Japan und Indien auch – auf einen ständigen Sitz in dem Gremium. Rousseff hofft deshalb auf eine ähnlich klare Unterstützung, wie Obama sie 2010 Indien zu Teil werden ließ.
In Rio will Obama, der von seiner Frau Michelle und den Töchtern Malia und Sasha begleitet wird, auch eine befriedete Favela (Armensiedlung) besuchen. Seine Rede wird er auf dem »Praça Cinelândia« im Zentrum der Sechs-Millionen-Metropole halten. Abzuwarten bleibt, wie viele »Cariocas«, die Einwohner Rios, ihren sonntäglichen Strandtag opfern, um den 44. US-Präsidenten live zu sehen.
Obama fliegt im Anschluss weiter nach Chile, das die einfachste Station der Reise werden sollte. Der konservative Präsident Sebastián Piñera und auch die Opposition stehen den USA grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber, die Handelsbeziehungen sind gut. Nun aber steht bei den Gesprächen am Montag (21. März) in Santiago auch die Atomkatastrophe in Japan und die Zukunft der Atomindustrie auf der Tagesordnung. Obama wird erklären müssen, warum die USA nur eine Woche nach dem verheerenden Erdbeben in Japan und der dadurch ausgelösten Atomkatastrophe eine Vereinbarung über die Atomkooperation mit dem Erdbebenland Chile unterzeichnen wollten. Der Abschluss war für den gestrigen Freitag geplant. Die Aussicht, dass das erst vor gut einem Jahr von einem Jahrhundertbeben der Stärke 8,8 heimgesuchte Chile mit US-Hilfe ein Atomkraftwerk bauen könnte, während diese Risikotechnik selbst das Hochtechnologieland Japan gerade ins Verderben stürzt, erscheint vielen Chilenen wie eine Realsatire.
Derartige Erklärungsnöte dürfte es bei Obamas letzter Station, El Salvador, nicht geben. Das kleine Land in Mittelamerika benötigt die Hilfe der USA heute mehr denn je. Trotz großer Anstrengungen ist El Salvador wirtschaftlich verarmt. Die USA sind nicht nur der wichtigste Wirtschaftspartner, sondern auch die wichtigste Einnahmequelle, denn ein Drittel der rund acht Millionen Salvadorianer lebt und arbeitet in den USA.
* Aus: Neues Deutschland, 19. März 2011
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