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Gipfel der Gegensätze

Erstmalige Teilnahme Kubas stellt EU vor Probleme

Von Harald Neuber *

Zum 14. Mal kommen am heutigen Mittwoch die Außenminister der Europäischen Union und der Rio- Gruppe zusammen. Allein für Kuba ist das Treffen in Prag eine Premiere.

Nach zweitägigen Gesprächen mit der EU-Führung in Brüssel wird Havannas neuer Chefdiplomat Bruno Rodriguez auf Einladung der tschechischen Ratspräsidentschaft nach Prag reisen, um – erstmals nach der Aufnahme des sozialistischen Karibikstaates in die Rio-Gruppe Ende vergangenen Jahres – an den Beratungen teilzunehmen. Die inzwischen 23 Staaten der Rio-Gruppe stehen seit 1990 im politischen Dialog mit Europa. Ergebnisse gibt es bis dato kaum. Zu groß sind die Gegensätze zwischen der von Lateinamerika geforderten nachhaltigen Entwicklungsstrategie für den Süden und dem europäischen Beharren auf neoliberalen Marktmechanismen.

Deutlich wurde dies schon bei den Vorbereitungen des Treffens in Brüssel. Nach Informationen aus diplomatischen Kreisen hatte vor allem Großbritannien darauf gedrängt, die Politik der 20 wirtschaftsstärksten Industriestaaten (G20) in der gemeinsamen Abschlusserklärung zu würdigen.

Doch gerade diese Politik stößt in Lateinamerika auf harsche Kritik. Noch Anfang April hatten die G20-Staaten ohne Rücksprache mit der Mehrzahl der 192 UNO-Mitglieder unter anderem eine Stärkung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank beschlossen. Eben jener Institutionen also, die nicht nur in Lateinamerika und der Karibik für die derzeitigen Krisen verantwortlich gemacht werden.

Kontroversen gibt es auch beim Thema Energiepolitik. Bei den Beratungen zwischen der EU und der Rio-Gruppe konnte in diesem Bereich noch knapp einen Monat vor dem Prager Treffen keine Einigung erzielt werden. Die europäischen Industriestaaten drängen nach wie vor auf einen Ausbau der sogenannten Agrartreibstoffe. In Lateinamerika wird diese Strategie kritisch gesehen. Denn während in mehreren Ländern der Region die Ernährungslage prekär ist, wird immer mehr fruchtbares Land für die Produktion von Treibstoff für den reichen Norden verwendet. »Wir sind nicht grundsätzlich dagegen, dass Biomaterial als erneuerbare Energiequelle herangezogen wird«, erklärte der Vizebeauftragte für multilaterale Zusammenarbeit im kubanischen Außenministerium, Carlos Fernández de Cossío, unlängst im Gespräch mit der kubanischen Tageszeitung »Granma«. »Wir sind aber nicht einverstanden damit, dass Getreide und Getreideprodukte dazu benutzt werden, den Energiebedarf der Industriestaaten zu decken.«

Auch ungeachtet solcher konkreter Meinungsunterschiede stellt Kubas Präsenz in Prag für die EUFührung eine Herausforderung dar. In den vergangenen Jahren hat Brüssel die aggressive Politik der abgewählten US-Regierung von George W. Bush in zunehmendem Maße unterstützt. Bei dem Ministertreffen am heutigen Mittwoch (13. Mai) sitzen die europäischen Chefdiplomaten ihrem kubanischen Amtskollegen Bruno Rodríguez erstmals direkt gegenüber. Auch diese neue Beziehung stellte die EU-Vertreter vor dem Treffen vor ungeahnte Probleme. Kurzfristig musste ein Passus in der Abschlusserklärung so verändert werden, dass er nur die völkerrechtswidrige Blockade der USA gegen Kuba verurteilt. Zunächst waren in dem Resolutionsentwurf »unilaterale Zwangsmaßnahmen« geächtet worden. Dies aber hätte auch EU-Maßnahmen gegen Havanna betroffen. Nach bisherigem Verhandlungsstand wird die Abschlusserklärung Sanktionsmaßnahmen gegen Kuba nur dann missbilligen, wenn sie gegen geltendes Völkerrecht verstoßen.

Beschlüsse allerdings sollen in Prag nicht gefasst werden. Die will man bilateralen Gesprächen überlassen. Dabei setzt die EU offensichtlich vor allem auf direkte Verhandlungen mit den letzten neoliberalen Staaten Lateinamerikas. So finden am Donnerstag unter anderem Gespräche mit Vertretern aus Mexiko und Chile statt.

* Aus: Neues Deutschland, 13. Mai 2009


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