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Souveräne Finanzen für den Süden

Sieben lateinamerikanische Staaten gründen Banco del Sur

Von Harald Neuber *

Nach einem dreijährigen Gründungsprozess ist die Bank des Südens nun auf den Weg gebracht. Und die Erwartungen sind groß: Unabhängigkeit von den internationalen Finanzorganisationen soll sie bringen und zugleich zum industriellen Aufbau Lateinamerikas beitragen.

Knapp drei Jahre hat der Gründungsprozess gedauert, am Samstag nun unterzeichneten die Staats- und Regierungschefs von sieben lateinamerikanischen Staaten die Gründungsurkunde für die Banco del Sur (Bank des Südens). Die Mitglieder des multinationalen Kreditinstituts stellen zusammen 20 Milliarden US-Dollar Startkapital zur Verfügung. Der größte Teil wird von Venezuela, Brasilien und Argentinien beigesteuert, die jeweils vier Milliarden an den Gründungsfonds überweisen. Die übrigen Initiatoren - Bolivien, Ecuador, Paraguay und Uruguay - würden sich »ihren Möglichkeiten entsprechend"« beteiligen, hieß es beim Festakt am Samstag auf der Urlaubsinsel Margarita vor der venezolanischen Karibikküste.

Die Bank des Südens wurde bereits 2006 von Venezuelas Staatschef Hugo Chávez vorgeschlagen. Das Hauptziel des gemeinsamen Kreditinstitutes besteht in einer größeren Unabhängigkeit von globalen Finanzorganisationen wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank, die in den vergangenen Jahren den neoliberalen Umbau der lateinamerikanischen Märkte und Finanzsysteme massiv beförderten. Auch gehe es darum, so Chávez bei der Unterzeichnung der Gründungsakte, die eigenen Finanzressourcen selbst zu verwalten. Die Anlage staatlicher Fonds Südamerikas in den Industriestaaten des Nordens sei ein »Wahnsinn"«, so Chávez, weil sie »uns Gelder zu höheren Zinsen leihen, als sie uns für unsere Anlagen zugestehen"«.

Mittelfristig soll die Bank des Südens die Aufgaben von IWF und Weltbank übernehmen. Auch der Auftrag des Kreditinstituts unterscheidet sich demnach von den so- genannten Bretton-Woods-Institutionen: Die Banco del Sur soll der Entwicklung der Märkte und der Sicherung der sozialen Infrastruktur dienen sowie den Aufbau einer produzierenden Industrie befördern. Die Zentrale wird in der venezolanischen Hauptstadt Caracas eingerichtet werden, Filialen sind in Buenos Aires (Argentinien) und La Paz (Bolivien) geplant. Nach der Unterzeichnung der Gründungsurkunde ist nun die Zustimmung der nationalen Parlamente notwendig.

Die beteiligten Staats- und Regierungschefs setzen große Hoffnung in die Südbank. Mit der Einrichtung des gemeinsamen Kreditinstitutes sein »ein Traum endlich wahr geworden"«, sagte Paraguays Präsident Fernando Lugo. Auch Boliviens Staatschef Evo Morales sprach nach dem Festakt am Rande des zweiten südamerikanisch-afrikanischen Gipfeltreffens (ASA) von einer neuen Hoffnung für jene Staaten, die nicht mehr dem Kapitalismus anhängen". Der Gastgeber und venezolanische Präsident Hugo Chávez hat indes schon weitere Pläne: Auf dem ASA-Treffen schlug er die Gründung eines weiteren alternativen Kreditinstitutes vor, dem die Staaten Amerikas und Afrikas angehören sollen. Das Institut könnte Bank Afrikas und Lateinamerikas" (Bancasa) heißen".

Banco del Sur

  • Abwechselnd soll jedes Mitgliedsland die Präsidentschaft der Bank übernehmen.
  • Bei Entscheidungen soll jedes Land das gleiche Stimmrecht, ungeachtet der Höhe seiner Starteinlage, erhalten. Dadurch soll die Vormachtstellung von Staaten vermieden werden, wie sie bei internationalen Finanzorganisationen wie der Weltbank und dem IWF existiert.
  • Die jeweiligen Zentralbanken der Mitgliedstaaten finanzieren die Bank mit ihren jeweiligen Währungsreserven.
(grg)



* Aus: Neues Deutschland, 29. September 2009


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