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Laotische Wachstumsprobleme

Motor brummt, doch nicht alle kommen voran

Von Alfred Michaelis, Vientiane *

Die laotische Nationalversammlung, die früher selten von sich reden machte, wird zunehmend agil, wie sich bei der jüngsten Tagung zeigte.

Thongsing Thammavong, Premierminister der Demokratischen Volksrepublik Laos, geht auf die 70 zu. Doch der Lehrer aus dem laotischen Norden hält sich stets straff, fast wirkt er ein wenig hölzern. Seine Rede vor der Nationalversammlung verliest er recht emotionslos. Dabei legt er Zahlen vor, die andere Regierungschefs neidisch machen. Zur Halbzeit des Fünfjahrplans 2011-2015 verkündet er ein jährliches Wirtschaftswachstum von 8,2 Prozent. Zum Ende des Fiskaljahrs im September wird das jährliche Pro-Kopf-Einkommen auf umgerechnet 1154 Euro gestiegen sein. Laos kommt dem Ziel, bis 2020 den Kreis der ärmsten Länder der Erde zu verlassen, wieder ein Stück näher. Auch eine Staatsverschuldung von 2,5 Prozent wäre andernorts eine Traumzahl. Getrieben wird das Wachstum von der raschen Industrialisierung. Die Industrie wuchs seit 2011 mit jährlich 13,7 Prozent deutlich schneller als andere Sektoren, Bergbau und Energie sind ihre Motoren.

Der Premier räumt aber auch ein, dass zwei Millenniumsziele verfehlt werden: Laos wird die Müttersterblichkeit nicht von 650 (1995) auf die angestrebten 260 Fälle pro 100 000 Geburten senken können. Derzeit ist man erst bei 339 angelangt. Und das spezifisch laotische Ziel für die Beseitigung nicht explodierter Sprengkörper, Hinterlassenschaft von 30 Jahren Krieg, scheint illusorisch. Weniger als ein Drittel der angestrebten Fläche von 100 000 Hektar ist bisher geräumt.

Die Problemdiskussion überlässt Thongsing indes weitgehend den Fachministern. Und die werden vom Parlament mit unangenehmen Fragen konfrontiert. Finanzminister Phoupheth Khamphounvong darf erläutern, warum die Staatseinnahmen trotz Wirtschaftsbooms hinter den Zielen zurückbleiben. Neben sinkenden Rohstoffpreisen, etwa bei Kupfer und Gold, nennt er interne Ursachen. So erläutert er raffinierte Methoden des Steuerbetrugs im Zusammenhang mit staatlichen Infrastrukturprojekten. Namen von Verantwortlichen bleibt er allerdings schuldig. Zwar erließ der Premier kürzlich ein Dekret, wonach hohe Staatsfunktionäre und deren Familienangehörige regelmäßig ihre Vermögenssituation offenlegen sollen, doch alle Angaben werden streng vertraulich behandelt.

Dass Wirtschaftswachstum allein nicht alle Probleme löst, macht Souvanpheng Bouphanouvong deutlich. Die Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses der Nationalversammlung beklagt, die wirtschaftliche Entwicklung komme nicht den Bedürftigen zugute, der Fortschritt dürfe nicht nur am Bruttosozialprodukt gemessen werden, sondern müsse die Lebensqualität des Volkes berücksichtigen. Genau das hatte auch Sombath Somphone gefordert. Der Vorreiter zivilgesellschaftlichen Engagements in Laos wurde am 15. Dezember vergangenen Jahres an einem Kontrollpunkt der Verkehrspolizei zum letzten Mal gesehen. Seitdem fehlt jede Spur von ihm.

Diskutiert wurde im Parlament auch ein weiterer Punkt, den Sombath auf seiner Liste hatte. Die Abgeordnete Bounpheng Mounphosay aus Xieng Khouang setzt Landraub, illegalen Holzeinschlag und Drogenmissbrauch auf eine Liste »negativen Verhaltens«. Allein Anordnungen und Appelle brächten keine Änderung, wenn sie nicht von Sanktionen begleitet würden. Wie Recht sie hat, sieht man schon in den Straßen der Hauptstadt Vientiane. Seit Wochen geißeln die Medien die verbreitete Unsitte des Parkens auf Gehwegen, ohne dass sich etwas ändert.

* Aus: neues deutschland, Montag, 22. Juli 2013


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