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Laos - Aufbruch am Mekong

Ein vielseitiges Buch über Geschichte und Gegenwart von Laos

Heinz Kotte/Rüdiger Siebert: Laos - Aufbruch am Mekong. Bad Honnef 2002, Horlemann Verlag.
254 Seiten, 14,80 Euro

Als der Rezensent Ende der 60er Jahre das erste Mal Laos besuchte, war dessen »Metropole« Vientiane ein in den Osten verpflanztes mediterran-französisch anmutendes Fleckchen Erde. Es gab noch keine Brücke über den Mekong, die das thailändische Nong Khai mit dem nördlichen Binnenland Laos verband. Lediglich eine altersschwache Fähre schipperte Reisende über den großen Fluß zum laotischen Grenzposten. Von dort aus fuhren dann Sammeltaxis weiter nach Vientiane. Weltpolitisch betrachtet war Laos zu der Zeit unbedeutend. Und dennoch ein Ort, der alsbald Geschichte machen sollte. Genauer: Kriegsgeschichte.

Über dreißig Jahre sind seitdem vergangen. Das 236.800 Quadratkilometer große gebirgige Binnenland Laos zählt heute gut fünf Millionen Einwohner und zu den ärmsten Ländern der Welt. Heute ist »Lane Xang«, das einstige Reich »Eine Million Elefanten«, zumindest dem Namen nach eine Demokratische Volksrepublik. Deren politisch führende Kraft ist seit 1975, dem Ende des letzten Indochinakrieges, die Laotische Revolutionäre Volkspartei. Sie leitete damals die Kollektivierung der Landwirtschaft ein. Hauptanbauprodukt ist und bleibt Reis, gepflanzt von einer vorwiegend subsistenzwirtschaftlichen Bauernschaft. Strom aus gestauter Wasserkraft findet ebenso Abnehmer in Thailand und Vietnam wie Edelhölzer, die mittlerweile genauso unbekümmert eingeschlagen werden wie in den Nachbarstaaten. 17 Prozent der multiethnischen, offiziell in 47 ethno-linguistische Gruppen unterteilten Bevölkerung leben im urbanen, der Rest im ländlichen Bereich. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung ist jung.

Damit ist der Stoff vorgegeben, dem sich das Autoren-Tandem einfühlsam widmet. Heinz Kotte war während des Vietnamkrieges in der humanitären Hilfe in Vietnam täig. Er schreibt aus persönlicher Erfahrung und mit kritischem Blick über die Entwicklung am Mekong. Rüdiger Siebert ist Redaktionsleiter der Deutschen Welle, Autor zahlreicher Veröffentlichungen über Südostasien. Die Balance zwischen historischen Aperçus, erzählerischen Skizzen über Land und Leute sowie analytischen Texten zu Gegenwartspolitik, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur macht die Lektüre zu einem gewinnbringenden Streifzug.

Die Leser werden in einem Parforce-Ritt mit der Geschichte vertraut gemacht. Sie erfahren, daß Reiche wie Funan, Chenla, Champa und Angkor sozial und kulturell das, was das heutige Laos ausmacht, entscheidend prägten. Siam, Frankreich, die USA sowie Vietnam verfolgten jeweils eigene imperiale Kalküle, um sich Laos gefügig zu machen. Seit Gründung der Demokratischen Volksrepublik am 2. Dezember 1975 versuchten die VR China und die Sowjetunion, ihren politischen und wirtschaftlichen Einfluß geltend zu machen. Abhängigkeit ist eine Konstante laotischer Politik. Seit 1997 ist Laos jüngstes Mitglied des südostasiatischen Staatenbundes ASEAN, der - 1967 in Bangkok aus der Taufe gehoben - ursprünglich als antikommunistisches Zweckbündnis konzipiert war.

Daß die meisten Laoten außerhalb der heutigen Demokratischen Volksrepublik leben, werden Uneingeweihte erstaunt registrieren. Auf höchst unterschiedliche Weise haben es politische Dissidenten, NGOs und Kulturschaffende schwer, sich Gehör zu verschaffen. Erstere werden notfalls eingekerkert, andere - wie beispielsweise der im Januar 2000 verstorbene Schriftsteller Outhine Bounyavong - mußten mühsam die Straßen Vientianes abklappern, um ihre Schriften unters Volk zu bringen. Eine genußreiche Lektüre bieten die Passagen über Xieng Mieng, die laotische Variante der in ganz Südostasien verbreiteten »trickster«-Figur, eine Art Till Eulenspiegel.

Ein ernstes, zugleich aktuelles Thema ist die Geschichte des sogenannten Geheimen Krieges. Während der Präsidentschaft von Richard M. Nixon führten die USA einen neunjährigen Luftkrieg - von 1964 bis 1973 - gegen den Pathet Lao und vietnamesische Truppen. In diesem Zeitraum wurden über dem durch Laos verlaufenden »Ho-Chi-Minh-Pfad« sowie der »Ebene der Tonkrüge« 2,02 Millionen Bomben mit einem Gesamtgewicht von 321 000 Tonnen abgeworfen - mehr als im Zweiten Weltkrieg auf Deutschland und Japan zusammen. Auf jeden Laoten kam demnach über eine Tonne Bomben. Noch heute machen Blindgänger bestimmte Landstriche für Mensch und Tier unpassierbar. Bis 1969 flog die U.S. Air Force pausenlos Einsätze »in geheimer Mission«, während am Boden US-Offiziere damit begannen, die Minderheit der Hmong - abfällig auch »Meo« (Katzen) genannt - vor ihren Kriegskarren zu spannen und deren General Vang Pao für ihre perfide Machtpolitik zu instrumentalisieren. Was mit der Entsendung von »Beratern« begann, eskalierte zu einer - auch für Hunderte GIs - tödlichen Tragödie. Und was damals mit dem Slogan, »freedom and democracy« zu wahren, begann, wird heute in der Region (z.B. den Philippinen) unter dem Deckmantel des »antiterroristischen Feldzuges« schrittweise erneut inszeniert.

Rainer Werning

Diese Buchbesprechung haben wir der jungen welt vom 08. Juni 2002 entnommen


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