Laos im Goldrausch
Bergbau und Holzhandel bestimmen das Leben der Bewohner rund um Vilabouly
Von Alfred Michaelis, Vientiane *
In Vilabouly in Zentrallaos dreht sich
das Leben der Bewohner um den Abbau
von Gold und Kupfer, im Nachbargebiet
um den Holzhandel. Reichtum
bedeutet das nicht, zumindest
aber ein neues Haus. Durch die Mine
werden auch Solarbrunnen finanziert.
Eine Goldgräberstadt stellt man
sich anders vor. In Vilabouly, einer
kleinen Distrikthauptstadt in
Zentrallaos, ist nichts von Pferdund-
Sattel-Romantik zu sehen.
Kein Saloon, in dem Whiskeygläser
über den Tresen rutschen, keine
Schaufeln, keine Waschpfannen.
Seit 2002 wird hier Gold gefördert,
doch die simple Vorstellung,
dass das automatisch Reichtum
bedeutet, geht in die falsche
Richtung. Vilabouly ist einer der
ärmsten Distrikte der Demokratischen
Volksrepublik Laos. Bis zur
vietnamesischen Grenze sind es
nur ein paar Kilometer Luftlinie,
die Gegend hatte regen Anteil am
Ho-Chi-Minh-Pfad – und den daraus
resultierenden Bombardements
durch die US-Luftwaffe.
Die letzten 48 Kilometer nach
Vilabouly führen über verwegene
Bergpassagen. Die Straße wird gerade
ausgebaut. Acht Meter breit
soll sie werden, damit die Tieflader
mit den Kupferplatten in den
Kurven problemlos dem Gegenverkehr
ausweichen können.
Geteilte Welt rund um die Mine
In Vilabouly teilt sich die Welt in
zwei Hälften, drinnen und draußen.
Drinnen, das ist Lane Xang
Minerals Co. Ltd. (LXML), ein
Großbetrieb mit mehr als 5000
Beschäftigten, von denen rund die
Hälfte in zwei Wohnlagern auf dem
Werksgelände untergebracht ist.
In den beiden Werken, in denen
Gold und Kupfer getrennt aufbereitet
werden, wird rund um die
Uhr gearbeitet, ebenso in den
Gruben. Weithin erkennbar an
dem rötlichen Schein, mit dem die
Wolken das Licht der Werksbeleuchtung
reflektieren. Draußen,
das sind die Dörfer des Distrikts.
Ein paar Läden, ein paar kleine
Lokale, die schon früh schließen.
Eine Diskothek versucht, gegen die
ländliche Tristesse anzukämpfen.
Insbesondere an den Wochenenden
werden diese Bemühungen
durch eine Reihe junger Vietnamesinnen
verstärkt, die kommen,
um auf ihre Art am Goldrausch
Anteil zu nehmen. In den Dörfern
im direkten Einzugsgebiet der Firma
hat so ziemlich alles mit dem
Bergbaubetrieb zu tun.
Khamhian in Ban Soppa zum
Beispiel baut Gemüse an. Er ist
Mitglied einer Erzeugergruppe, die
einen Vertrag mit der Betreibergesellschaft
der Großküchen in den
Wohnlagern des Betriebs geschlossen
hat. So verkaufen sie
Gemüse ein gutes Stück über dem
Marktpreis. Viele der Gemüsebauern
arbeiten deshalb nur noch
für die Firma. Khamhian macht es
anders und liefert trotz geringerer
Einnahme auch an den lokalen
Frischmarkt. Seine Gemüsefelder
bewirtschaftet er weitgehend allein,
denn seine zwei Kinder haben
direkten Anteil am Goldrausch.
Die Tochter bügelt in der
Wäscherei im Lager Arbeitskleidung.
Boun, ein Fabrikarbeiter, der
schon seit den ersten Tagen dabei
ist, hat seine Strategie für die Zukunft
schon parat. Der einstige
Bauer aus der Gegend um die laotische
Hauptstadt Vientiane, der
hier eine Frau fand und deshalb
ansässig wurde, will wieder Bauer
werden. Wenn die Mine geschlossen
ist. Ein Häuschen ist schon gebaut,
jetzt setzt er sein Erspartes
dafür ein, Ackerland zu kaufen.
Nicht nur Bouns Häuschen ist
neu. In den Dörfern rund um LXML
stehen auffällig viele Steinhäuser.
Und noch viel auffälliger ist, dass
die meisten davon tagsüber verschlossen
sind. Ein Zeichen dafür,
dass alle Hausbewohner in der
Firma ihrem Job nachgehen.
Photou Thong ist zu alt dazu.
Er sitzt im Schatten unter einem
traditionellen Pfahlhaus und bereitet
Bambusstreifen für Korbflechtarbeiten
vor. Auch er hat
zwei Kinder, die in der Firma arbeiten.
Wenn er lächelt, zeigt er
den letzten verbliebenen Zahn.
Photou Thong trägt Arbeitskleidung
von LXML, die einer seiner
Söhne ihm überlassen hat. Die
knallig orangen Jacken mit ihren
reflektierenden weißen Streifen
sind zur neuen Volkstracht geworden.
Kein Haus, vor dem nicht
wenigsten ein orangefarbenes
Wäscheteil auf der Leine hängt.
Das Dorf Ban Toheua liegt nur
15 Kilometer weiter, und doch
scheint es Welten vom Distriktzentrum
entfernt. Unweit der
Goldmine stützt sich hier die gesamte
Wirtschaft auf den Holzhandel.
Ein paar winzige Generatoren
hängen im Bach und leiten
über dünne Drähte Strom in jeweils
eine Hütte. Vor einer haben
sich 20 Kinder versammelt, die
darum ringen, einen Blick auf einen
DVD-Player und seinen handtellergroßen
Bildschirm zu erhaschen.
Neben den meisten Häusern
wachsen in kleinen Gärtchen
Küchenkräuter oder ein paar
Stangen Zuckerrohr. Auf Brandrodungsfeldern
in der Umgebung
bauen die zum Volk der Bru gehörenden
Dorfbewohner Reis und
Mais an. Ihr Reichtum aber stapelt
sich unter den Pfahlhäusern – sauber
zu Brettern geschnittenes Holz.
Khamlaen, der Dorfälteste, hat
eine Vision. »In drei Jahren«, sagt
er im Brustton der Überzeugung,
»lebt hier niemand mehr in einer
Bambushütte. Dann haben alle
große Holzhäuser.« Die Kettensäge
neben einem der Häuser sieht
aus, als wolle sie seinen Worten
Nachdruck verleihen. Khamlaens
Sparstrumpf steht gleich nebenan.
Zwei Rosenholzbäume sind es, die
sich anschicken, das Haus des
Dorfältesten zu überragen. Bei einem
Stammdurchmesser von
mehr als 20 Zentimetern bringt ein
einziger Baum einige Hundert Euro.
Das begehrte Holz einiger Sorten
wird kiloweise gehandelt.
Die neue Straße lockt auch Holzarbeiter an
Die von LXML ausgebaute Straße
lockt auch Holzhändler tiefer in
den Wald, wo gezielt nach Edelhölzern
gesucht wird. Der Holzhandel
floriert. Die Grenze nach
Vietnam ist nicht weit und auch
die Sägewerke und Holzverarbeitungsbetriebe
entlang der Straße
sind zahlreich und noch dazu von
hohen, blickdichten Mauern umgeben.
Nicht selten finden sich
auch auf den Schildern an den
Eingangstoren vietnamesische
oder chinesische Schriftzeichen.
Der Goldrausch ist in Wahrheit ein
Holzrausch, denn hier finden sich
Abenteurer und zwielichtige Geschäftemacher.
Aber auch sie reiten
nicht durch den Busch, sondern
fahren im Allradfahrzeug
über Stock und Stein.
Das Ausmaß ihres Wirkens
lässt sich auf einem Armeegelände
in Ban Boung erahnen. Hier türmt
sich das Holz zu haushohen Stapeln.
Wenn es aber um die Entwicklung
der Region geht, hält sich die
lokale Administration lieber an die
Goldminenfirma. Sie hat einen
festen Sitz und eine vertragliche
Verpflichtung gegenüber der laotischen
Regierung. Jedes Jahr
zahlt sie mehr als eine halbe Million
Euro in einen lokalen Entwicklungsfonds,
aus dem vor allem
Infrastrukturprojekte finanziert
werden. Neben einer Reihe
von Straßen entstanden so in
mehreren Dörfern Brunnen, die
mit Solarkraft betrieben werden.
Denn auch bei der Stromversorgung
teilt sich die Welt in drinnen
und draußen. Das Werksgelände
mit den stromfressenden
Aufbereitungsanlagen wird über
eigene Hochspannungsleitungen
stabil mit Strom aus Thailand versorgt.
Die Dörfer dagegen hängen
an einem aus Vietnam kommenden
Kabel. Oft fehlt eine der drei
Phasen oder aber das Licht geht
gänzlich aus. Während nebenan
das große Werk einen gelblichen
Schein an den Nachthimmel projiziert,
wirft der Besitzer einer
kleinen Kneipe in Ban Boung sein
winziges Benzinaggregat an und
beleuchtet wenigstens die zwei mit
Gästen besetzten Tische. Von einem
Goldrausch hat er noch nichts
gehört.
* Aus: neues deutschland, Montag, 9. Juli 2012
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