Die Erben des "Roten Prinzen" feiern
Laos will zur Batterie Südostasiens werden und den "Club der Armen" verlassen
Von Alfred Michaelis, Vientiane*
Der Nationalkongress der Volksvertreter in der laotischen Hauptstadt Vientiane hatte seine Arbeit
am 2. Dezember 1975 fast vollbracht, doch wartete man noch auf ein Zeichen aus der
Königsstadt Luang Prabang.
Schließlich trat Kronprinz Vongsavang vor den Kongress und verlas die Abdankungserklärung von
König Sri Savang Vatthana. Der Weg zur Ausrufung der Volksdemokratischen Republik war frei, die
Männer und Frauen um den legendären »Roten Prinzen« Souphanouvong und Kaysone
Phomvihane, den Vorsitzenden der Laotischen Revolutionären Volkspartei, sahen sich am Ziel eines
jahrzehntelangen Kampfes gegen Kolonialismus, USA-Aggression und einheimische Reaktion.
Seither sind 30 Jahre vergangen, in denen nicht nur eine Menge Wasser den Mekong hinunter floss.
Laos vollzog manche Windungen und Wendungen der Weltgeschichte mit und hat durchaus Gründe
zum Feiern. Zunächst natürlich den, dass die Erben der Sieger von 1975 auch heute noch das Land
regieren. Zwar gehören Genossenschaften auch hier schon seit Jahren der Vergangenheit an, ein
sich rasch entwickelnder Privatsektor trat an die Stelle staatlicher Betriebe und ausländische
Investoren besetzten Schlüsselpositionen in der Wirtschaft, doch die Macht der Laotischen
Revolutionären Volkspartei blieb unangetastet. Das ist viel in einem Land mit knapp 6 Millionen
Einwohnern, die sich auf einem Territorium von der Größe der alten Bundesrepublik verteilen und zu
den ärmsten der Welt gehören. Zufrieden ist die Führung, dass sie in diesem Jahr ein
Wirtschaftswachstum von 7 Prozent und pro Einwohner ein Bruttoinlandsprodukt von 450 Euro
vorweisen kann – verglichen mit 1975 eine Steigerung auf mehr als das Vierfache.
Allerdings ist dieses Einkommen höchst ungleichmäßig verteilt. Nobelkarossen stauen sich auf
engen Straßen, die Häuser der Reichen nehmen mehr und mehr die Ausmaße von Palästen an.
Dagegen sind rund ein Drittel der Bevölkerung selbst nach laotischen Maßstäben arm. Die meisten
von ihnen gehören einer der vielen Minderheiten an und leben in schwer zugänglichen
Bergregionen.
Von den Idealen der Aufbruchjahre spricht kaum noch jemand. Kostenlose Gesundheitsbetreuung
und Bildung standen obenan auf dem Weg zum Sozialismus, ebenso eine gleichberechtigte
Beteiligung der Bergvölker an der Entwicklung des Landes. Bildung für alle wird heute vor allem von
ausländischen Gebern finanziert – schließlich gehört sie zu den Jahrtausendzielen der UNO.
Dennoch sind die Fortschritte in Laos gewaltig, wenn auch zu erheblichen Teilen von ausländischer
Entwicklungshilfe bezahlt. Das Straßennetz verbindet inzwischen alle Provinzhauptstädte
ganzjährig, die großen Städte erhielten asphaltierte Straßen samt Bürgersteigen und
Straßenlaternen, die Telekommunikation ist auf Kreisebene angekommen. Mehr als die Hälfte der
Bevölkerung hat Zugang zu sauberem Trinkwasser und verfügt über sanitäre Einrichtungen. Auch
eine Sozialversicherung ist im Aufbau. Pünktlich zum Jubiläum soll zudem ein weniger ruhmreiches
Blatt der Geschichte zu den Akten gelegt werden. Laos, einst bekannt für seinen Anteil am
»Goldenen Dreieck«, erklärt sich offiziell für opiumfrei. Besonders stolz aber ist die laotische
Führung auf ihr gewachsenes internationales Ansehen. Nicht nur die Brücken über den Mekong, die
Korridore von Vietnam nach Thailand und in Kürze auch von Thailand nach China öffnen und aus
dem Binnen- ein Transitland machen sollen, stehen auf der Erfolgsliste. Spezielle Freude verbreitet
die Nutzung der Wasserkraftressourcen, die mit dem Baubeginn des umstrittenen Mammutprojektes
Nam Theun 2 einen gewaltigen Schub erhielt. Nicht zuletzt die Ölpreisentwicklung lässt das
Interesse der Nachbarländer an laotischem Strom wachsen. In Vientiane hofft man, dass Laos zur
Batterie Südostasiens wird.
Ins internationale Rampenlicht rückte das Land Ende 2004, als die Gipfelkonferenz der
Staatengemeinschaft ASEAN in der Hauptstadt tagte. »Nie zuvor in der Geschichte kamen Staats-
und Regierungschefs von 12 Ländern nach Laos«, schwärmte erst kürzlich Vizepremier Bouasone
Bouphavanh, »Das ist ein Verdienst der Volksrepublik!«
Dabei haben in den letzten Jahren auch die Beziehungen zu den politischen Verbündeten eine neue
Dimension bekommen. Nachdem lange Zeit allenfalls unverbrüchliche Freundschaft zu Vietnam und
allseitige Zusammenarbeit mit China beschworen wurden, liegen die beiden Nachbarn nun auch auf
der Liste der Auslandsinvestoren ganz weit vorn. Letztlich auch ein Beitrag dazu, dass Laos sein
anspruchsvollstes Entwicklungsziel erreichen könnte: bis zum Jahr 2020 den Status eines der am
wenigsten entwickelten Länder der Erde überwunden zu haben.
*Aus: Neues Deutschland, 2. Dezember 2005
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