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"Die USA ändern nicht die Ziele ihrer Politik"

Ein Dialog zwischen Kuba und den Vereinigten Staaten kann nur gelingen, wenn er auf Augenhöhe geführt wird. Gespräch mit Gladys E. Ayllón Oliva *


Gladys E. Ayllón Oliva ist Leiterin der Europa-Abteilung des Kubanischen Instituts für Völkerfreundschaft (ICAP).

Die Rückkehr der letzten drei Cuban-Five-Mitglieder und das Eingeständnis Barack Obamas, dass die bisherige Kuba-Politik der USA gescheitert ist, sind ein Erfolg Ihres Landes, aber auch der internationalen Bewegung. Hat die Solidarität mit Kuba nun ausgedient?

Ganz im Gegenteil, jetzt beginnt ein wichtiger, aber schwieriger Abschnitt in der Verteidigung unseres sozialistischen Gesellschaftsmodells. In den letzten Tagen haben mir viele Freunde hier in Deutschland gesagt, dass Kubas Beispiel gerade jetzt, wo sich die Krise des Kapitalismus in Europa zuspitzt, wichtig ist. Unsere Revolution beweist seit 55 Jahren, dass eine Gesellschaft ohne Massenarbeitslosigkeit, Kinderarmut und Krieg möglich ist. Um dies erhalten zu können, müssen wir unsere Ökonomie stärken. Deshalb ist der Wunsch der USA zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen nicht nur ein politischer Erfolg, sondern hat auch eine ganz praktische wirtschaftliche Seite. Aber solange die USA ihre Blockade gegen uns aufrechterhalten, kann es keine Normalisierung geben. Denn wenn das reichste Land der Welt versucht, eine Insel in der Karibik wirtschaftlich zu ruinieren, ist das alles andere als normal.

Bleibt Unterstützung für Kuba notwendig, obwohl Obama und andere US-Politiker die Blockade als Fehler bezeichnen und den Kongress zur Beendigung aufrufen?

Der Kampf für die Beseitigung der Blockade ist nur ein Teil der Herausforderungen, vor denen wir stehen. Die USA ändern zwar ihre Methoden, aber doch nicht die Ziele ihrer Politik. In dem begonnenen Dialog, den wir wollen, werden wir immer auf Respektierung unserer Souveränität bestehen. Wenn die USA für sich in Anspruch nehmen, darüber zu entscheiden, wer in Kuba zur »Zivilgesellschaft« gehört, dann wollen sie wieder Zustände wie vor dem Sieg der Revolution herstellen. Für sie sind einige sogenannte Dissidenten, die sie als Propagandisten gegen unser Gesellschaftsmodell und unsere Verfassung bezahlen, die kubanische Zivilgesellschaft. Hunderttausende in den Verbänden der Bauern, Künstler, Gewerkschafter, Frauen und Jugendliche gehören für sie aber nicht dazu. Die USA haben ihre Kolonialherrenmentalität nie abgelegt. Sie werden aber akzeptieren müssen, dass in Kuba seit 1959 das Volk bestimmt und nicht mehr diejenigen, die im Auftrag Washingtons agieren.

Aber birgt der Dialog nicht die Gefahr der tödlichen Umarmung?

Präsident Raúl Castro hat ja unsere Bedingungen genannt. Dazu gehören das Ende der Blockade, die Streichung Kubas von der Liste der den Terrorismus unterstützenden Länder, die Rückgabe des Territoriums ihres Militärstützpunktes in der Bucht von Guantánamo und die Beendigung der Subversion durch illegale Aktionen der Propagandasender Radio- und TV-Martí. Beim Thema Menschenrechte wollen wir über die Folterpraktiken in US-Gefängnissen, die rassistischen Polizeiübergriffe und die geringeren Löhne von Frauen für gleiche Tätigkeiten in den USA sprechen. In all diesen und vielen anderen Punkten haben wir bei einem Dialog auf Augenhöhe und bei gegenseitigem Respekt nichts zu befürchten.

Der nicht frei von Risiken ist.

Kuba will mit allen Ländern in Frieden leben, und wir erkennen den Schritt von US-Präsident Obama als positiv an. Aber wir verkennen auch nicht, dass es Kräfte in den USA gibt, die diesen Prozess verhindern wollen. Und wir müssen damit rechnen, dass Konterrevolutionäre bis hin zu neuen Terroranschlägen alles unternehmen werden, um den Dialog zu stören.

Die Propagandaschlacht in den Medien hat längst begonnen. Was haben wir noch zu erwarten?

Ich habe schon darauf hingewiesen, dass die USA darüber bestimmen wollen, wer zur kubanischen Zivilgesellschaft gehört. Die meisten großen Medien des Westens unterstützen diese Anmaßung. Das wird in Kuba selbst kaum Wirkung haben, da ihre Zöglinge im Volk nicht bekannt sind oder auf Ablehnung stoßen. Innerhalb des Landes wird vor allem versucht auf die Jugend zu bekommen, indem die jungen Leute mit Handys und Verträgen für Musiker geködert werden. Hinter diesen scheinbar harmlosen Angeboten steckt die Absicht, die Jugend in ihrem Sinne zu manipulieren.

Interview: Volker Hermsdorf

* Aus: junge Welt, Freitag, 6. Januar 2015


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