Ein Albtraum geht zu Ende
Die Mehrheit der Kubaner hofft auf einen Demokraten nach George Bush
Von Leo Burghardt, Havanna *
Nicht nur die Inselkubaner, auch viele der in Florida lebenden Emigranten haben für die Wahl in den
USA einen Favoriten: Barack Obama.
Der Albtraum George W. Bush geht zu Ende. Keiner seiner zehn Vorgänger, die, mit Ausnahme
James Carters, alle mit dem großmäuligen Versprechen angetreten waren, die kubanische
Revolution aus der Welt zu schaffen, hat seine Absicht mit solch pathologischer Besessenheit und
zugleich Denkfaulheit verfolgt wie er. Er hatte zwar alle Hände voll zu tun, noch anderswo Brände zu
legen, sein Land an den Rand des Ruins zu treiben und sich wie und wo auch immer Feinde zu
machen. Aber für Kuba fehlte es ihm nie an Zeit. Florida, mit knapp einer Million Kubanern und
Kubano-Amerikanern, bringt mit 27 Wahlmännern nach Kalifornien, Texas und New York zehn
Prozent der Stimmen, die gebraucht werden, um Präsident zu werden. Und traditionell wählten 70
Prozent der Kubaner, angeheizt von der potenten und allgegenwärtigen Anti-Castro-Industrie,
republikanisch.
Insgesamt 93 Milliarden Dollar hat Kuba die Blockade der USA bisher gekostet. Ein Großteil geht auf
das Konto der Bush-Administration, die sich, in völliger Unkenntnis der Verhältnisse, sogar zu
Schritten gegen die unantastbaren kubanischen Familienbande hinreißen ließ. Durch weitere
Besuchsbeschränkungen und die Kappung der finanziellen Überweisung nach Kuba zum Beispiel.
Fidel Castro indes veröffentlichte Mitte September seine Reflexion Nummer 146. Wer die
Betrachtungen unvoreingenommen liest, wird zwei Tatsachen feststellen: Erstens, dass sie fast alle
interessant und unverkennbar professionell von ihm geschrieben sind. Und zweitens, dass der
Comandante zusehends zu Kräften kommt, ohne jedoch den Verdacht aufkommen zu lassen, dass
er wieder die ganze Macht im Lande anstrebt. Vorerst bleibt es wie es ist – bis zum nächsten, längst
fälligen Parteitag 2009: Die Doppelspitze, eine sichtbar und die andere hinter den Kulissen, Raul und
Fidel Castro, zu der sich der ehemalige Arzt Machado Ventura gesellt hat, leitet die Geschicke des
Landes.
Nun warten die Kubaner auf den US-Präsidenten Nummer 11. Die Inselkubaner, in ihrer
überwiegenden Mehrheit, würden am liebsten Barack Obama im Weißen Haus sehen. Offensichtlich
auch Fidel Castro, der allerdings vor längerer Zeit schrieb, er wolle sich mit seinem Urteil nicht allzu
weit vorwagen, um Obama nicht zu schaden. Und unlängst empfahl er dem demokratischen
Kandidaten, nicht dem Irrtum aufzusitzen, er könne im Falle seiner Wahl Kuba mit Bettelpfennigen
abspeisen. Raul Castro, der, wie er selbst sagt, »Washington drei Mal mit dem Olivenzweig
gewinkt« habe (einmal auch Obama), lässt sich ebenso wenig von Illusionen verleiten. Aber
schlimmer als unter Bush kann es nicht kommen. In Kuba sind sich die Medien in den letzten Tagen
einig, dass nur drei Möglichkeiten den Sieg Obamas verhindern können: Ein gigantischer
Wahlbetrug, dass es den Republikanern doch noch gelingt, den Faktor Rassismus hochzuputschen
oder, dass Obama umgebracht wird.
In Florida jedenfalls scheint das Wahlvolk den Republikanern entglitten zu sein. Die Anti-Castro-
Industrie handelt nicht mehr einmütig, die Emigranten der ersten Generation – Ex-Diktaturgehilfen,
Mafiosi, Lumpenproletarier, Berufskiller und Reiche, den die Revolution ihren Wohlstand beschnitten
hatte – sind weggestorben, sterben weg oder haben es satt, seit 50 Jahren mit dem selben
Konterrevolutionsgetöse zugepflastert zu werden, ohne dass etwas Wesentliches geschieht. Und die
Emigranten, die seit etwa 1980 kommen, wollen Geld verdienen und haben Angehörige auf der
Insel, denen sie keinen Schaden bereiten wollen. Bush war auch für sie eine Katastrophe: Verlogen,
zynisch, intellektuell unterbelichtet. Wähler, die sich nach wie vor als Republikaner bezeichnen,
wollen trotzdem den Demokraten wählen, den Wandel, zumal es mit Florida seit fünf Jahren, und
nicht erst seit der Finanzkrise, ständig abwärts geht.
* Aus: Neues Deutschland, 3. November 2008
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