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Kuba-Blockade: Drei gegen 188

Zum 21. Mal verurteilte die UNO-Vollversammlung die Politik der USA

Von Harald Neuber *

So viele Staaten wie noch nie haben sich in diesem Jahr für eine Resolution der UN-Vollversammlung zur Aufhebung der US-Handelsbeschränkungen gegen Kuba ausgesprochen.

188 Staaten stimmten am Dienstag in der UN-Vollversammlung in New York für eine Verurteilung der Blockade gegen Kuba. Die USA, Israel und der pazifische Inselstaat Palau stimmten dagegen, die Marshall-Inseln und Mikronesien enthielten sich. Nach kubanischen Angaben sind dem Inselstaat durch die seit 1960 andauernde Blockade seitens der USA bis Dezember 2011 Schäden in Höhe von 108 Milliarden Dollar entstanden.

Mit der Resolution fordert Kuba seit gut zwei Jahrzehnten die »Aufhebung der wirtschaftlichen, handelspolitischen und finanziellen Blockade« der Vereinigten Staaten gegen Kuba. Die Regierung in Havanna beruft sich dabei auf die Statuten der Vereinten Nationen, in denen Prinzipien wie die Nicht-Intervention und der freie Handels- und Schiffsverkehr festgeschrieben sind.

Auf harsche Kritik stieß in dem Antragspapier auch die zunehmende Anwendung der Blockaderegelungen auf Drittstaaten und ausländische Unternehmen. So war die niederländische ING Bank vor wenigen Monaten von den USA wegen Geschäften mit Kuba zu einer Strafe von 619 Millionen US-Dollar verurteilt worden. Die extraterritoriale Anwendung der Blockade, wie sie von den USA seit Mitte der 90er Jahre praktiziert wird, trifft zunehmend auch in der EU auf Widerstand. Im vergangenen Jahr kritisierte ein Sprecher der EU-Kommission in Berlin die Entscheidung des US-Unternehmens eBay, Produkte aus Kuba zu boykottieren, obgleich sich die Europazentrale der Onlineplattform in Luxemburg befindet. Nach Informationen eines EU-Ratsvertreters gegenüber »nd« prüft die Rats-arbeitsgruppe für Geistiges Eigentum derzeit zudem eine Beschwerde Kubas gegen die Verwendung des Rum-Labels Havana Club durch das US-Unternehmen Bacardí. Von der Urheberrechtsverletzung ist auch der französische Spirituosenhersteller Pernod Ricard betroffen.

Ronald Godard, der UNO-Botschafter der USA, rechtfertigte die Blockade. Sie werde aufrechterhalten, um Kuba zur »Einhaltung der Menschenrechte zu zwingen«. Dieser These trat im »nd«-Gespräch Kubas Botschafter in Berlin, Raúl Becerra, entgegen. »Die USA versuchen die Blockade zu legitimieren, obwohl die Leistungen Kubas bei der Durchsetzung der Menschenrechte von der UNO selbst mehrfach anerkannt wurden«, sagte der Diplomat. Auch über ein halbes Jahrhundert nach Beginn der Blockade gelte, »dass diese Politik die gesamte kubanische Gesellschaft trifft, vor allem die Schutzbedürftigsten«.

Die Vollversammlung beauftragte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, bis 2013 einen Bericht über die Umsetzung des deutlichen Votums zu erarbeiten.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 15. November 2012


Washington ist isoliert

188 von 193 UN-Mitgliedsstaaten fordern Ende der US-Blockade gegen Kuba

Von Volker Hermsdorf **


Nach knapp dreistündiger Debatte haben am Dienstag in der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York 188 der 193 Mitgliedsstaaten zum 21. Mal in Folge die Beendigung der US-Blockade gegen Kuba gefordert. Damit verurteilten mehr Länder als je zuvor die seit 50 Jahren von der Supermacht gegen das kleine sozialistische Entwicklungsland verhängten Sanktionen. Gegen die Resolution hatten nur die USA selbst, der pazifische Kleinstaat Palau und Israel gestimmt. Die Inselgruppen Mikronesien und Marshallinseln enthielten sich.

Die Unterstützung für Kuba ist seit der ersten UN-Abstimmung im Jahr 1992, als sich 59 Staaten für und drei gegen die Resolution aussprachen, während sich noch 71 Länder enthalten hatten, ständig gestiegen. Außer dem Vertreter der USA, der die Blockade als eine »Maßnahme zur Durchsetzung von mehr Freiheit, Menschenrechten und Privatwirtschaft in Kuba« bezeichnete, hatte kein weiterer Redner die Politik Washingtons in der Debatte verteidigt. Heftig kritisiert wurde dagegen von Repräsentanten aller Kontinente die seit mehr als 20 Jahren »anhaltende Mißachtung der vom höchsten UN-Gremium beschlossenen Resolution« durch die Vereinigten Staaten.

Die brasilianische UN-Botschafterin Maria Luiza Ribeiro Viotti erklärte im Namen der Mitglieder des südamerikanischen Handelsgemeinschaft »Mercosur«, daß die US-Blockade gegen internationales Recht, die Menschenrechte der kubanischen Bevölkerung und die Souveränität der von ihr vertretenen Staaten verstoße. Denn die Restriktionen würden immer öfter auf finanzielle Transaktionen von Drittländern ausgedehnt, die mit der Inselrepublik oder kubanischen Produkten Handel treiben. Scharf verurteilte sie, daß die USA mit ihrer Haltung zu Kuba die Erreichung der von den UN beschlossenen Millennium-Entwicklungsziele sabotierten. Deren Umsetzung soll bis 2015 weltweit unter anderem zu weniger Armut, mehr Bildung und verbessertem Schutz der Umwelt führen.

Der ständige Vertreter von Barbados, Joseph Goddard, sagte im Namen der 14 Mitgliedsstaaten der karibischen Gemeinschaft »Caricom«: »Kuba hat uns kleine unabhängige Staaten – trotz der ihm auferlegten Blockade – immer selbstlos mit Ärzten, Lehrern und Entwicklungsprogrammen unterstützt. Viele Menschen aus der Karibik sind in Kuba medizinisch versorgt und betreut worden. Wir werden unsere Beziehungen nicht verringern, sondern ausweiten, und wir verlangen, daß die USA endlich den Willen der Generalversammlung respektieren.«

Für die aus 130 Mitgliedern bestehende »Gruppe 77 + China« kritisierte der algerische UN-Botschafter Mourad Benmehid, daß die US-Politik »gegen das Prinzip der Nichteinmischung und gegen ein friedliches Zusammenleben der Völker« verstoße. Als »Anachronismus aus der Zeit des Kalten Krieges« bezeichnete der ägyptische Vertreter, Hischam Badr, die Blockade. Er appellierte – wie auch der Botschafter Venezuelas – an US-Präsident Barack Obama, seine Versprechen endlich einzulösen und den Mut für eine andere Kuba-Politik aufzubringen. Die Vetreter Ecuadors und Boliviens forderten Obama auf, realistisch zu sein: »Der Kampf gegen die Blockade ist längst entschieden. Nicht Kuba, sondern die USA sind in der Welt isoliert.«

Der kubanische Außenminister Bruno Rodríguez begründete als letzter Redner vor der Abstimmung die Resolution. Er erklärte, daß Obama, der bereits vor seiner ersten Wahl eine weniger aggressive Politik gegen Kuba angekündigt hatte, jetzt in seiner zweiten Amtszeit die letzte Chance zum Nachweis seiner Glaubwürdigkeit habe. Rodríguez erinnerte daran, daß die US-Regierung im Jahr 1960 als Ziel der Blockade vorgegeben hatte, »durch Schwächung der Wirtschaft ein niedriges Einkommensniveau herbeizuführen, Hunger, Elend und Verzweiflung zu erzeugen und so zum Sturz der Regierung beizutragen«. Zwar sei es Washington gelungen, die Wirtschaft zu schwächen, nicht aber, die Mehrheit des kubanischen Volkes gegen ihre Regierung und den Sozialismus zu mobilisieren.

Die Sanktionen würden dagegen nicht nur den Menschen in Kuba und den im Ausland lebenden Kubanern, sondern auch den Interessen der US-Bürger schaden, sagte Rodríguez. Die einzigen, die noch dafür sind, seien eine kleine, isolierte, aber gewaltbereite Minderheit, die seit 50 Jahren fanatisch gegen Kuba und die Realität kämpft. Obama solle nicht länger an etwas festhalten, was den eigenen Interessen schadet und von der übrigen Welt abgelehnt wird.

Rodríguez versicherte, daß Kuba die von Naturkatastrophen verursachten Schäden schnell beseitigen werde. Die Bevölkerung werde ihr Errungenschaften verteidigen und an ihren Idealen und Überzeugungen festhalten.

** Aus: junge Welt, Donnerstag, 15. November 2012


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