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Kuba treibt den Umbau voran

Personalwechsel in vielen Provinzen und Neugründung von privaten Genossenschaften

Von Leo Burghardt, Havanna *

Die Feiern des 60. Jahrestages des Sturms auf die Moncada-Kaserne sind vorbei. Der Wechsel beim politischen Personal geht weiter, und der Genossenschaftssektor wird ausgebaut.

Dieser Juli 2013 war bewegt wie selten ein Monat in den vergangenen 15 Jahren in Kuba. Die Nationalversammlung absolvierte die erste Tagung ihrer achten Legislaturperiode, es tagten das siebente Plenum der Kommunistischen Partei, der erweiterte Ministerrat und die Journalisten. Weitere vier Funktionäre der ersten »historischen Generation« dankten als ZK-Mitglieder ab, der bekannteste von ihnen im Ausland ist wohl Ricardo Alarcón, 1. Sekretär des Kommunistischen Jugendverbandes, Leiter der Abteilung Amerika im Außenministerium, Außenminister, kubanischer Chefdelegierter vor den Vereinten Nationen sowie Parlamentspräsident. Und er hat die Emigrationsgespräche mit den USA, die am 17. Juli wieder aufgenommen wurden, führend mitgestaltet. Alarcón wird sich aber nun voll und ganz der Koordinierung des Kampfes um die Befreiung der vier noch in den USA eingekerkerten Anti-Terroristen, der so genannten Miami five, widmen.

In sieben der 15 Provinzen wurden die 1. Sekretäre der Partei ausgewechselt, die ersten 15 nicht landwirtschaftlichen privaten Genossenschaften nahmen die Arbeit auf, zwölf als Agrarmärkte, eine für Personen- und Gütertransport, eine für Bauwesen und eine für die Aufbereitung und Kommerzialisierung von Sekundärrohstoffen, die hier hartnäckig als Primärrohstoffe bezeichnet werden.

Marino Murillo, Raúl Castros Mann für die Kontrolle der Reformrichtlinien, der schon im Verteidigungsministerium die Verantwortung dafür trug, dass in dieser Institution der Zustand von Wirtschaft und Finanzen für Kuba unüblich einwandfrei funktionierte, sagte im Parlament, die erste Etappe des Reformprozesses sei nun beendet. Dabei sollte im Wesentlichen der Berg von Verboten und Beschränkungen, der die Bevölkerung zunehmend nervte, abgetragen werden. Dazu zählte, den Kauf und Verkauf von Fahrzeugen und Immobilien zu gestatten und die Grenzen für Reisewillige zu öffnen. In den kommenden zwei Jahren werde es um kompliziertere Veränderungen gehen, wenn im Bergbau, in der Eisenmetallurgie, bei Konsumgütern, Dienstleistungen und in der Textilindustrie diesen staatlichen Unternehmen mehr Autonomie eingeräumt wird.

Kuba brauche dringend ausländische Investoren, dennoch werde die Regierung nur Angebote akzeptieren, die dem Land zugleich Technologie, Absatzmarkt und Arbeitsplätze zugestehen.

Präsident Raúl Castro legte dar, dass sich die Wirtschaft im ersten Halbjahr positiv entwickelt hat, »trotz der internationalen Krise, der Schäden, die der Hurrikan Sandy im vergangenen Jahr angerichtet hat, und unserer eigenen Unzulänglichkeiten«. Die Fortschritte seien allerdings noch nicht in der Durchschnittsfamilie zu spüren. »Mit großem Schmerz haben wir erkennen müssen«, so Castro, »dass während der über 20 Jahre andauernden Sonderperiode die moralischen Werte der Kubaner wie Ehrlichkeit, Respekt, Schamgefühl, Würde, Anstand und Sensibilität gegenüber dem anderen Schaden genommen haben.« Er erwähnte unter anderem korrupte Funktionäre, Diebstahl von Volkseigentum, illegale Glücksspiele, Belästigungen von Touristen und Rüpelhaftigkeit gegenüber Frauen und Alten. Schließlich forderte Castro Bevölkerung, Polizei und Justizorgane auf zu beweisen, dass »wir nicht resignieren«.

Der neunte Kongress der kubanischen Journalistenorganisation UPEC brachte neue Töne. Miguel Diaz-Canel, 1. Vizepräsident von Staats- und Ministerrat, hatte schon vorab klargemacht, dass sich die Medien endgültig »aus der Rolle der Sprachrohre und Wiederkäuer der Interessen von Institutionen, Organisationen und Personen« lösen sollten. Sie müssten Bestandteil der Volkskontrolle sein. Antonio Moltó, der neue Präsident der UPEC, stellte bei der Verleihung der Preise für die besten Arbeiten fest, dass in der neuen Generation die Garanten dafür zu finden seien, dass der kubanische Journalismus in guten Händen ist.

* Aus: neues deutschland, Montag, 29. Juli 2013


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