Hürden wegräumen
Spaniens Außenminister will Normalisierung der Beziehungen zu Kuba. Konterrevolutionäre wollen keine Häftlingsfreilassung
Von André Scheer *
Der spanische Außenminister Miguel Ángel Moratinos hat sich während
seines offiziellen Besuchs in Havanna dafür ausgesprochen, den
»Gemeinsamen Standpunkt« der EU gegenüber Kuba zu überwinden, da es ein
»unrettbares Hindernis« für eine Normalisierung der Beziehungen sei.
Dieses 1996 von der Europäischen Union beschlossene Dokument legt als
Ziel der Kontakte zur Insel unter anderem fest, »einen Prozeß des
Übergangs in eine pluralistische Demokratie (…) zu fördern«. Von Havanna
wird dies als Einmischung in die inneren Angelegenheiten des
Karibikstaates verurteilt. Madrid hatte während der spanischen
EU-Präsidentschaft bis Ende Juni 2010 versucht, eine Aufhebung oder
Veränderung des Dokuments zu erreichen, war damit aber weitgehend
gescheitert. Moratinos konnte beim EU-Außenministertreffen Mitte Juni in
Luxemburg lediglich erreichen, eine Beschlußfassung in dieser Frage auf
den September zu verschieben. Dann sei eine »neue Situation« auf der
Insel zu erwarten, hieß es damals.
In europäischen und US-amerikanischen Medien wird seither spekuliert,
damit könne eine Freilassung von »politischen Gefangenen« gemeint sein.
Zuletzt hatte der Nachrichtensender Euronews gemutmaßt, Kuba könne noch
im Verlauf des gestrigen Mittwoch eine Reihe von Inhaftierten
freilassen, die von Moratinos dann an Bord seiner Maschine nach Spanien
mitgenommen würden. Der Sender berief sich dabei auf Fotoaufnahmen, die
kubanische Beamte von Inhaftierten gemacht hätten, »möglicherweise, um
ihnen Reisepässe auszustellen«. Den Hintermännern der kubanischen
Konterrevolutionäre käme eine solche Freilassung aber offensichtlich gar
nicht recht. So beschwerte sich der von der US-Administration betriebene
antikubanische Rundfunksender Radio Martí bereits, die »30 bis 40
politischen Gefangenen«, die für eine Freilassung vorgesehen seien,
seien nicht die richtigen, nämlich keine »Gefangenen des Gewissens«.
In der offiziellen Berichterstattung über den Moratinos-Besuch spielt
dieses Thema hingegen keine Rolle. Die kubanische Agentur Prensa Latina
zitierte den Gast am Dienstag mit den Worten, die spanische Regierung
sei daran interessiert, die Zusammenarbeit mit Kuba zu intensivieren und
respektiere deshalb die Entscheidungen der kubanischen Behörden. »Die
Arbeitssitzungen sind positiv und erfolgreich für beide Nationen, und
wir hoffen, daß unsere Partner in Europa das auch so einschätzen«, wurde
Moratinos von PL zitiert. Sein kubanischer Amtskollege Bruno Rodríguez
pflichtete ihm bei und äußerte die Hoffnung, der Besuch könne zur
Verbesserung der Beziehungen zwischen der EU und der Insel beitragen,
indem die Union ihre »ungerechte, einseitige und einmischende« Haltung
aufgebe. Kuba sehe sich durch die US-Wirtschaftsblockade, der globalen
Finanzkrise und den Klimawandel einer schweren Lage gegenüber. Trotzdem
sei das Volk optimistisch und fühle »große Herzlichkeit für Spanien«.
Unterdessen stand am Mittwoch die Auslieferung des am vergangenen
Freitag in Venezuela verhafteten Terroristen Francisco Chávez Abarca an
Kuba offenbar unmittelbar bevor. Am Dienstag abend (Ortszeit) kündigte
der venezolanische Präsident Hugo Chávez an, der von den kubanischen
Behörden international gesuchte Salvadorianer werde »in den nächsten
Stunden« über Interpol an Havanna ausgeliefert. Dort soll ihm wegen
einer Reihe von Anschlägen auf kubanische Hotels Ende der 90er Jahre der
Prozeß gemacht werden, bei denen ein italienischer Tourist getötet
worden war. In Venezuela hatte Chávez Abarca, der als »rechte Hand« von
Luis Posada Carriles – dem mutmaßlichen Haupttäter des Bombenanschlags
auf ein kubanisches Verkehrsflugzeug 1976 – gilt, offenbar geplant, im
Vorfeld der Parlamentswahlen am 26. September mit Attentaten für eine
Zuspitzung der Lage in dem südamerikanischen Land zu sorgen und so
möglicherweise die Abstimmung zu verhindern, wie Innenminister Tareck El
Aissami in Caracas erläuterte. Zugleich kritisierte er, daß die
oppositionellen Medien kaum über die Festnahme des international
gesuchten Terroristen berichtet hätten.
* Aus: junge Welt, 8. Juli 2010
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