Hungerstreik von Fariñas macht Schlagzeilen
Pünktlich zum Besuch des spanischen Außenministers in Kuba meldet sich ein Regierungsgegner
Von Harald Neuber *
In Kuba spitzt sich die Auseinandersetzung zwischen der sozialistischen
Staatsführung und Regierungsgegnern wieder zu. Trotz seiner
lebensbedrohlichen Situation will der Oppositionelle Guillermo Fariñas
auch nach rund vier Monaten seinen Hungerstreik aufrechterhalten.
Nach Auskunft der behandelnden Ärzte in der Stadt Santa Clara, rund 250
Kilometer von Havanna entfernt, ist der Zustand des 48-Jährigen
inzwischen kritisch, obgleich der Patient im Krankenhaus wieder mehrere
Kilo zugenommen hat. Fariñas hatte sich Mitte März in stationäre
Betreuung begeben. Der Psychologe Fariñas war Ende Februar in
Hungerstreik getreten, einen Tag nach dem Tod des inhaftierten Orlando
Zapata. Dieser hatte sich als politischer Gefangener bezeichnet,
obgleich die kubanischen Behörden nachweisen konnten, dass er wegen
strafrechtlicher Delikte verurteilt war. Zapata starb nach 85 Tagen
Hungerstreik, sein Tod wurde von antikubanischen Kräften weltweit für
Angriffe gegen die sozialistische Führung genutzt. Nach Informationen
diplomatischer Quellen in Brüssel drängen vor allem Polen, Tschechien
und Deutschland in der Arbeitsgruppe Lateinamerika des EU-Rats darauf,
die Position gegen Kuba nachhaltig zu verschärfen - was von der
spanischen Ratspräsidentschaft jedoch verhindert wurde.
Fariñas setzte nach Zapatas Tod dessen politische Kampagne fort. Er
fordert nach wie vor die Freilassung von mehreren Dutzend
Regierungsgegnern, die wegen ihrer Zusammenarbeit mit den USA zu
Gefängnisstrafen verurteilt wurden. Fariñas' Engagement für die
Kollaborateure taucht seit Anfang dieser Woche, pünktlich zum Besuch des
spanischen Außenministers Miguel Ángel Moratinos in Havanna, wieder in
den internationalen Schlagzeilen auf. Fast stündlich versorgt die
professionelle Sprecherin von Fariñas, Licet Zamora, die internationalen
Korrespondenten in Havanna mit Nachrichten: Nein, Fariñas werde seinen
Hungerstreik trotz der alarmierenden Prognose der Ärzte
aufrechterhalten. Ja, er hoffe darauf, dass Moratinos das Thema anspricht.
Die Regierung konterte Anfang dieser Woche. In einem ausführlichen
Interview mit der staatlichen Tageszeitung »Granma« schilderte der
behandelnde Arzt Armando Caballero den Kampf der kubanischen Mediziner
um das Leben des »Patienten«, wie Fariñas in dem Interview durchweg
genannt wird. Er bekomme Aminosäuren und Mineralstoffe verabreicht, um
den Stoffwechsel aufrecht zu erhalten.
Auch wenn sich der Zustand von Fariñas nach seiner Einlieferung in das
Universitätskrankenhaus Arnaldo Milián Castro von Santa Clara am 11.
März zunächst verbessert habe, steige aufgrund der Mangelernährung
grundsätzlich die Gefahr von Bakterien- und Pilzinfektionen. Dies sei
nun bei dem Patienten der Fall, führte der Mediziner Caballero aus, um
anzufügen: »Der Kampf um sein Leben ist unsere Pflicht.«
Bereits vor mehreren Wochen hatte Fariñas gegenüber dem
dpa-Korrespondenten in Havanna, Vicente Poveda, erklärt, dass er
hervorragend behandelt werde und dass sich ein »ranghoher Vertreter« des
kubanischen Staates darum bemüht habe, ihn zu einem Ende seiner
lebensgefährlichen Aktion zu bewegen. Eine Zwangsernährung von
Hungerstreikenden, so war damals schon in der »Granma« zu lesen, lehne
Kuba - anders als die USA im Umgang mit ihren politischen Gefangenen in
Guantánamo - aus ethischen Gründen jedoch ab.
Wie der Vorsitzende der nicht-offiziellen Kubanischen Kommission für
Menschenrechte und Nationale Versöhnung, Elizardo Sanchez, jetzt der
Nachrichtenagentur AFP erklärte, sei die Zahl der inhaftierten
Regierungsgegner im Lande so niedrig wie noch nie.
* Aus: Neues Deutschland, 7. Juli 2010
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