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"Kubas Freund" zu Besuch

Entwicklungskommissar Luis Michel mit EU-Delegation in Havanna

Von André Scheer *

Zum dritten Mal innerhalb eines halben Jahres hielt sich EU-Entwicklungskommissar Louis Michel in dieser Woche zu hochrangigen Gesprächen in Havanna auf. Der belgische Politiker stand an der Spitze einer Delegation europäischer Unternehmer sowie von Vertretern fast aller Bereiche der EU-Kommission, um mit den kubanischen Partnern über einen Ausbau der Zusammenarbeit vor allem in den Bereichen Gesundheitswesen, Bildung und Wissenschaft zu beraten.

Für das kubanische Außenhandelsministerium ist dies bislang »ohne Beispiel«, und auch die Agentur Prensa Latina erinnert daran, daß erst im vergangenen Jahr die von der EU im Jahr 2003 gegen die Insel verhängten Sanktionen offiziell aufgehoben wurden.

Aber auch für die kubanische Seite ist dieser Besuch eine Premiere, denn als nach ihrem bilateralen Treffen Michel und der neue kubanische Außenminister Bruno Rodríguez gemeinsam vor die Presse traten, war dies der erste öffentliche Auftritt des neuen Chefs der kubanischen Diplomatie seit der Amtsübernahme von seinem Vorgänger Felipe Pérez Roque. Der Minister betonte jedoch, daß der Wechsel an der Spitze des Außenministeriums keinerlei Veränderung in der Außenpolitik des Landes bedeute. Kuba verfolge weiter dieselbe Politik, die das Land seit der Revolution 1959 betrieben habe, betonte er. Auf die Hintergründe der Ablösung seines Amtsvorgängers und des kubanischen Vizepräsidenten Carlos Lage wollte Rodríguez trotz der Nachfragen der Journalisten nicht eingehen. Die beiden Politiker seien weiterhin aktive Mitglieder der Kommunistischen Partei Kubas, und ansonsten seien die von der kubanischen Presse veröffentlichten Erklärungen »offiziell und ausreichend«.

Michel seinerseits kündigte an, die EU werde die »Gemeinsame Position« zu Kuba überprüfen. In diesem 1996 verabschiedeten Dokument fordern die Europäer unter anderem eine Öffnung der Wirtschaft und die Einführung eines Mehrparteiensystems, was von der kubanischen Regierung nach wie vor als Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten zurückgewiesen wird.

Nun sieht Michel einen »umfassenden Dialog mit Kuba«, der in den vergangenen zwölf Monaten eingeleitet worden sei, und eine »positive Dynamik zwischen den Nationen der Europäischen Union und Kuba«. Deshalb sei er überzeugt, daß die EU bald einen neuen Rahmen beschließen werde, um die Beziehungen mit der Insel unter optimalen Bedingungen entwickeln zu können. Dazu gehöre ausdrücklich auch eine Veränderung der »Gemeinsamen Position«.

Die EU-Sanktionen gegen Kuba waren bereits 2005 suspendiert, aber erst im vergangenen Jahr offiziell aufgehoben worden. Mit dem Besuch Michels auf der Insel im Oktober 2008 wurden die Beziehungen auf politischer Ebene offiziell wieder aufgenommen. Seither hat die Zusammenarbeit zwischen beiden Seiten bereits einen Umfang von 40 Millionen Euro erreicht, worin auch eine Millionenhilfe der EU zur Beseitigung von Hurrikanschäden enthalten ist.

Nach wie vor sei jedoch die »Gemeinsame Position« der EU inakzeptabel und eine Einmischung, betonte der kubanische Außenminister. Die EU habe aber vorgeschlagen, im Mai ein Treffen auf Außenministerebene in Brüssel durchzuführen, an dem er teilnehmen wolle, kündigte Rodríguez an.

Michel kam auch mit dem kubanischen Außenhandelsminister Rodrigo Malmierca zusammen. Dieser begrüßte den dritten Besuch des EU-Kommissars in zwölf Monaten mit den Worten, Michel sei immer willkommen, denn er bringe immer »gute Nachrichten« mit und sei »unser Freund«.

* Aus: junge Welt, 20. März 2009

Überraschende Annäherung

Costa Rica will nach 48 Jahren Beziehungen zu Kuba wiederaufnehmen

Von Torge Löding, San José **

Die costaricanische Regierung von Präsident Oscar Arias wird in Havanna eine Botschaft eröffnen. Diese überraschende Entscheidung verkündete der rechte Sozialdemokrat und – nach der Abwahl der ultrarechten Partei ARENA in El Salvador – von der Linken in Zentralamerika am wenigsten gelittene Staatschef am Mittwoch, 48 Jahre nach dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen. Die Vorsitzenden der Oppositionsparteien Frente Amplio (»Breite Front«, linksreformistisch) und PAC (»Partei der Bürgeraktion«, Mitte-links) begrüßten diese Entscheidung. »Heute erkennen wir Kuba als ein Bruderland an«, sagte José Merino, Abgeordneter der Frente Amplio, am Mittwoch gegenüber Journalisten. »Ich freue mich über den Sieg der progressiven Kräfte. Am Sonntag gewann die Linke in El Salvador und heute nimmt Präsident Arias die Beziehungen wieder auf«.

Costa Rica wird eine Botschaft inklusive Handelsvertretung in der kubanischen Hauptstadt einrichten und einen kubanischen Botschafter in San José akkreditieren. Zudem versprach Oscar Arias Direktflüge zwischen den beiden Hauptstädten. Die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen bezeichnete er als im Interesse beider Völker. »Mit der Sowjetunion bestanden solche Beziehungen und seit neuestem bestehen sie auch mit der Volksrepublik China«, sagte Arias. »Wie können wir da ein Land ignorieren, das Costa Rica geographisch und kulturell viel näher ist?«.

Mit Alfredo Elías hielt sich ein Gesandter der Nationalen Befreiungsfront Farabundo Martí (FMLN), der neuen Regierungspartei El Salvadors, in Havanna auf. Er kündigte an, daß die am Sonntag gewählte Regierung von Mauricio Funes umgehend nach der Amtseinführung am 1. Juni ebenfalls die diplomatischen Beziehungen wieder aufnehmen werde. El Salvador hatte diese nach dem Sieg der kubanischen Revolution im Jahr 1959 unterbrochen. In seinem Wahlprogramm versprach Funes die Normalisierung der Beziehungen mit Kuba. Raúl Castro wird zur Einführungszeremonie in San Salvador erwartet.

** Der Autor arbeitet für das unabhängige Kommunikationszentrum »Voces Nuestras« in Costa Rica

Aus: junge Welt, 20. März 2009




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