Fidel Castro feiert mit seinen Kolumnen
Kubas Revolutionsführer bleibt präsent
Von Leo Burghardt, Havanna *
Am Mittwoch (13. August) ist Fidel Castro 82 Jahre alt geworden. Auf seine Staats- und Regierungsämter hat er
inzwischen verzichtet. Still um ihn ist es dennoch nicht geworden: Dafür sorgen die regelmäßigen
Kolumnen »Reflexionen des Genossen Fidel«.
Fidel Castro ist fast so präsent wie anno dazumal -- wenn auch inzwischen mehr medial als
physisch. Von der lebensgefährlichen Krankheit, die ihn am 27. Juli 2006 niedergeworfen hatte, ist
nicht mehr viel zu spüren. Sie hatte den am vergangenen Mittwoch seinen 82. Geburtstag feiernden
Comandante, zunächst provisorisch und 19 Monate später endgültig gezwungen, auf seine Staatsund
Regierungsämter zu verzichten.
Nach seiner Erkrankung gehorchte er beharrlich und diszipliniert seinen Ärzten: Er widmete sich
seiner Genesung, obgleich er gelegentlich Besucher empfing, vor allem den venezolanischen
Präsidenten Hugo Chávez, seinen politischen Ziehsohn. Am 29. März 2007 publizierte der wieder zu
Kräften kommende Präsident seinen ersten Artikel (»Reflexionen des Comandante«), die eines
Tages in »Reflexionen des Genossen Fidel« umbenannt wurden. Sie erscheinen seither in
unregelmäßigen Abständen und Längen (auch Überlängen), aber kontinuierlich in den Medien. Das
Themenspektrum ist breit: Der Lauf der Welt, Irak, Südossetien, die Olympischen Spiele, die
Ernährungs-, Umwelt-, Klima-, Finanz- und Energiekrisen, Kubas Hilfe für Bedürftige (Nelson
Mandela: »Das Kuba Fidel Castros ist das solidarischste Land der Welt«), oder er kritisiert
»energisch und ohne Umschweife die grausamen Entführungen und Festsetzungen von
Gefangenen unter Dschungelbedingungen« durch die kolumbianische Guerilla FARC. Es sind
Lehrstücke eines genialen Strategen mit einem »beinahe schon mysteriösen Gespür für
Kommendes (Ex-US-Verteidigungsminister McNamarra), dem ein Leben lang Freund und Feind
keine Ruhe ließen. Seine Erfahrungen sind einmalig. Die Umwälzungen in Südamerika wären ohne
das Beispiel Kubas nicht denkbar. Vor längerer Zeit schon gestand Fidel Castro, dass er täglich viele
Telefonate führt und »die Genossen kommen, um sich mit mir zu beraten«. Jedoch in Maßen,
versichert er.
Mit eigener Stimme sprechen, sich für soziale Gerechtigkeit und lateinamerikanische Einheit stark zu
machen, das war für den Verehrer José Martís seit seiner Studentenzeit Lebensinhalt. Wie muss er
Mister William Wieland, den Direktor der Abteilung Karibik des US-Außenministeriums, irritiert
haben, als der ihn Anfang 1959 kurz nach dem Sieg der Revolution nach einem Empfang in New
York ansprach: »Dr. Castro, ich bin der Mann, der für Kuba zuständig ist.« Und der Gast von der
ehemaligen Vasalleninsel ihm freundlich antwortete: »Pardon, nichts für ungut, aber für Kuba bin ich
zuständig.« Die große Mehrheit der Kubaner, nicht nur seine Anhänger, meinen, was ihn von anderen Politikern
grundsätzlich unterscheidet, sei, dass er seine Landsleute nie belogen hat. Geirrt hat er sich schon.
Fidel Castro im Originalton Anfang 2000: »Wir waren Zeugen vieler Fehler, von denen wir nicht
einmal merkten, dass wir sie begingen. Die Macht, die ein Führer hat, wenn er das Vertrauen der
Massen genießt, ist riesig ... Ich habe eine Unzahl von Beispielen, dass wir uns bei vielen Dingen
verrechnet haben, und zwar sogar diejenigen von uns, die als Theoretiker hohes Ansehen erworben
hatten, weil sie die Bücher von Marx, Engels und Lenin durch und durch kannten. Deshalb sage ich:
Einer unserer größten Fehler zu Beginn und im Verlauf der Revolution war zu glauben, dass
irgendjemand wisse, wie der Sozialismus gemacht werden muss.« Wie er kaputtgemacht werden
kann, prophezeite er am 17. November 2005 in der Universität von Havanna: »Von uns selbst!«
Er und seine Nachfolger arbeiten mit Hochdruck, damit das nicht geschieht. Und das sozialistische
Kuba ist ja längst nicht mehr allein, es hat neue, treue, und, siehe Venezuela, materiell sogar
potente Freunde gewonnen. Zweifellos dank Fidel Castro.
Wenn wir die Möglichkeit gehabt hätten, ihn zu fragen, was sein sehnlichster Wunsch zum
Geburtstag sei, hätte er gewiss ohne zu zögern geantwortet: »Dass unseren fünf Genossen (die
sogenannten Miami five, d. Red.), die seit zehn Jahren widerrechtlich in den USA eingekerkert sind,
endlich Fairness und Gerechtigkeit widerfährt.« Wir wünschen ihm, dass dieser Wunsch in Erfüllung
gegangen ist, wenn er den 83. begeht.
* Aus: Neues Deutschland, 16. August 2008
Zurück zur Kuba-Seite
Zurück zur Homepage