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Kubas Bildungssektor will Lücken schließen

Havanna stockt Lehrergehälter auf

Von Leo Burghardt, Havanna *

Der Bildungssektor ist eines der Glanzstücke der kubanischen Revolution. Aufgrund der ökonomischen Krise des Landes musste er vor allem in den 90er Jahren Federn lassen, obgleich keine Bildungseinrichtung geschlossen wurde. Vergangenen Dienstag begann an Schulen und Universitäten das neue Jahr.

Es ist eine imposante Zahl: Beinahe drei Millionen junger Kubanerinnen und Kubaner haben seit Dienstag in den 13 000 Schulen, 68 Universitäten und deren Außenstellen in 160 Gemeinden ihre Plätze eingenommen. Der Anspruch ist hoch. Das neue Schul- und Studienjahr soll »ein eindeutig höheres Niveau« als die vorangegangenen haben, versichern Lehrer, Dozenten und zuständige Ministerien. Einfach wird das nicht. Durch die Krise in den 90er Jahren hatten sich große materielle Lücken aufgetan, die der Qualität des Unterrichts schadeten und Hunderte gestandene Lehrer bewogen, sich nach besser bezahlten Jobs umzusehen. Die Regierung war gezwungen, die Notbremse zu ziehen, und bildete im Schnellverfahren Neulehrer aus. Ein Tropfen auf den heißen Stein, zumal die Neuen meist kaum älter waren als ihre Schüler und es ihnen an Erfahrung mangelte. Viele verdrückten sich bald auf Nimmerwiedersehen.

Die Regierung gab parallel dazu einer Idee Konturen, mit der sie sich schon lange trug. Um sie umzusetzen, fehlte es bisher an den Mitteln. Die hat man inzwischen mit großer Mühe geschaffen. Zusätzliche 820 Millionen Peso (rund 26 Millionen Euro) kostet es jährlich, eine »bescheidene« Gehaltserhöhung durchzusetzen und erfahrene Lehrer, die in Rente gegangen waren, mit dem Anreiz wiederzugewinnen, dass sie zu ihrer Rente ein komplettes Lehrergehalt beziehen können.

Neue strengere Maßnahmen machen es Schülern und Studenten künftig nicht mehr allzu leicht, versetzt zu werden. Zum Beispiel müssen die Bewerber um einen Studienplatz, trotz bestandenen Abiturs, drei zusätzliche Examen, und zwar in Geschichte Kubas, Spanisch und Mathematik ablegen. Im Moment lässt man noch bis zu sechs Rechtschreibfehler durchgehen, das wird im Laufe der nächsten Jahre auf zwei reduziert. Wer mehr hat, fällt durch, egal welche Studienrichtung gewählt wurde. Das betrifft auch jene Schüler, die sich für die wenig beworbenen Fächer Mathematik, Physik, Chemie und Biologie entschieden haben und als Stimulanz angeboten bekommen, ihr Abitur bereits an der Universität ablegen zu dürfen.

Um »die nationale Kopflastigkeit« von Uni-Absolventen zu vermeiden, kann die Ausbildung von Facharbeitern und Technikern größere Aufmerksamkeit erwarten. Das wird die Verantwortlichen für den defizitären Wohnungsbau freuen.

Kuba schickt sich überdies an, die Dezentralisierung weiterzuführen sowie mit der Gleichmacherei und der Pfuscherei allmählich Schluss zu machen. Die Parteizeitung »Granma« führte eine Reihe Beispiele für Stümperei und Desinteresse an und fragte: »Sind (ganze) Berufszweige etwa verschwunden oder das Schamgefühl? Wie lange müssen wir noch warten, bis die Spitze, die wir in Wissenschaft, Kultur und Sport erreicht haben, auch die Bauarbeiter, die Busfahrer und Gastronomen ansteckt, die statt uns zu erfreuen, uns das Leben schwer machen. Wir können es uns nicht länger leisten, die Blockade oder Schwierigkeiten in der Wirtschaft für unsere schlechte Arbeit verantwortlich zu machen.« Die kubanischen Medien sind zu diesem Thema in die Spur gegangen, wie auch die neue Kontrollkommission, die nur dem Parlament rechenschaftspflichtig ist. Ihre Inspektoren walten zu lassen, kann sich niemand verweigern.

* Aus: Neues Deutschland, 5. September 2009


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