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Kuba arbeitet am Wiederaufbau

Landwirtschaft zeigt Zeichen der Belebung

Von Leo Burghardt, Havanna *

Während das politische Kuba nach dem Besuch der Kongressdelegation über die Möglichkeiten der Normalisierung der Beziehungen zu den USA diskutiert, sehnt die Bevölkerung die Normalität vor den letzten Hurrikans herbei.

In Havanna und einigen anderen kubanischen Städten sind wieder Stromsperren üblich – zwei, drei bis zu sieben Stunden. Nicht jeden Tag, aber mit einem Mal in der Woche muss man rechnen. Ist Hugo Chávez, der venezolanische Präsident, mit seinem Erdöl etwa so matt geworden, dass er nicht mehr die vereinbarten Mengen liefern kann? Nein. Es werden hier endlich Tausende von den Hurrikans umgeknickte und notdürftig wieder hochgezogene Strommasten ausgewechselt und durch widerstandsfähigere Pfosten aus Beton ersetzt.

Um die Arbeiter nicht zu gefährden, schaltet die Zentrale den Strom in den jeweiligen Stadtvierteln ab. Die Bürger können sich darauf einrichten, es sind »programmierte Stromsperren«, das heißt, sie werden rechtzeitig in den lokalen Medien angekündigt. Das klappt zwar nicht immer, aber in den meisten Fällen.

Die Bereiche Stromversorgung, Wohnungen und Landwirtschaft sind von den drei Hurrikans des vergangenen Jahres am dramatischsten in Mitleidenschaft gezogen worden. Zusätzlich haben sie zum Beispiel aus einer Unzahl von Verkehrszeichen Kleinholz gemacht. Insgesamt fehlen im ganzen Lande 370 000. Und für die ohnehin überstrapazierten Straßen braucht man allein in Havanna vorerst 1,5 Millionen Tonnen Asphalt. Es wird seit Monaten mit Hochdruck gearbeitet.

Geld ist in der Staatskasse sehr knapp. Der Einbruch der Nickel-Kobalt-Preise um mehr als die Hälfte, Kubas Exportprodukt und Devisenbringer Nummer 1, hat die schwache Zahlungsfähigkeit des Landes zusätzlich beeinträchtigt. Deshalb wird von Regierungsseite den staatlichen und privaten Produzenten tagtäglich eingehämmert, alles zu tun, um die Importe zu drosseln, vor allem die Lebensmitteleinfuhren, für die Kuba jährlich zwei Milliarden Dollar hinblättern muss.

Die Plantagen wurden von den Hurrikans total umgepflügt, und bis eine neue Ernte heranreift, vergeht ein Jahr. Aber die Kulturen, deren Wiederbelebung in kürzerer Zeit möglich ist, haben im Vergleich zur Vor-Raúl-Castro- und Vor-Hurrikan-Zeit deutlich zugelegt. So wurden beispielsweise so viele Tomaten geerntet, dass Kuba erstmals kein Tomatenpüree, ohne das die kubanische Küche nicht funktioniert, importieren muss.

In der Landwirtschaft hat die Regierung außer der Neuverteilung des Bodens und einem Wechsel an der Spitze des zuständigen Ministeriums das ganze System umgekrempelt, um den Transport vom Feld zum Markt zu beschleunigen. In Stichworten: Die staatlichen Aufkaufpreise wurden erhöht. Die Bauern können jetzt Milch direkt an ihre Kunden verkaufen. Dem Ministerium für Landwirtschaft wurde die Verantwortung für die Verteilung der Ernten abgenommen (es soll sich nur noch um die Produktion kümmern) und dem Ministerium für Binnenhandel übertragen. Die Zahl der staatlichen Märkte mit Festpreisen wurde von 156 auf 300 erhöht. Die privaten Bauernmärkte, in denen sich die Preise nach Angebot und Nachfrage richten, bleiben intakt.

Die Linie, die Raúl Castro im Februar 2008 abgesteckt hatte, wird konsequent verfolgt: Keine Improvisationen mehr, keine Übereilung, straffe Organisation und Disziplin. Der Parteitag im Herbst wird den Rahmen für die kommenden fünf Jahre weiter stecken.

* Aus: Neues Deutschland, 11. April 2009


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