Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Kuba setzt auf Biotechnologie

Hohes Niveau der Arzneimittelforschung

Von Leo Burghardt, Havanna *

Als »spektakulär« bezeichnen anerkannte Fachleute die Leistungen kubanischer Forscher auf dem Gebiet der pharmazeutischen Forschung.

Jahrelang hatten der kubanische Mediziner Franklin Sotolongo und eine Handvoll Kollegen experimentiert, um einen wirksamen Impfstoff gegen Meningitis B zu entwickeln. Als Kuba 1985 von einer Epidemie heimgesucht wurde, die viele Kinder das Leben kostete, setzte er sich selbst die erste Spritze. »Nirgendwo in der Welt gab es bis dahin ein diesbezügliches Arzneimittel.« Fortan war es vorhanden. Kuba ist frei von Meningitis, wie es dank eigener Forschungen auch frei ist von 13 anderen Krankheiten, die anderswo tödliche Plagen sind. Von 1393 neuen Medikamenten, die von 1975 bis 2005 weltweit hergestellt und freigegeben wurden, dienten nur 16 dem Kampf gegen tropische oder andere in Entwicklungsländern vorherrschende Krankheiten.

Seit Mitte der 80er Jahre hat Kubas Regierung Milliarden in Gentechnik und Biotechnologie gesteckt. Im Januar 1992, als für das Land mit riesigen Wirtschaftsproblemen die schwierigste Etappe begann, forcierte Fidel Castro dennoch die Erweiterung der Anlagen. Es entstand das Zentrum für Molekulare Immunologie, der Wissenschaftspool im Westen Havannas nahm endgültige Gestalt an. 217 Zentren und Filialen auf der Insel beschäftigen 74 000 Menschen mit Forschung, Herstellung und Vertrieb von Produkten der Biotechnologie. Der Zweig hat in einem Dutzend Staaten, vor allem in Kanada und China, Kooperationspartner und exportiert jährlich Erzeugnisse im Wert von 400 Millionen Dollar. Und alles, was exportiert wird, kommt zuerst den Kubanern zugute.

Am 15. Juli 2004 hatten das Zentrum in Havanna und der US-amerikanische Pharmakonzern CancerVax Corporation ein Abkommen über den Transfer kubanischer Biotechnologie zwecks Herstellung von Impfstoff gegen Krebs unterzeichnet - der erste Kontakt auf diesem Gebiet seit 40 Jahren. Wie sich zeigt, steht die Blockade in vielen Fällen längst den USA selbst im Weg, denn das »Niveau der klinischen Proben zum Krebs ist in Kuba exzellent und seine neuen Arzneimittel sind spektakulär«, bestätigte der führende Schweizer Onkologe Franco Cavalli in einem Vortrag vor Kollegen aus 37 Ländern in Havanna. Seiner Meinung nach ist die kubanische Strategie, Krebs als chronische kontrollierbare Krankheit zu behandeln, nachahmenswert.

Der Direktor des Zentrums für Molekulare Immunologie, Dr. Agustín Lage, führte zum Vergleich den Diabetes an. »Bis 1920 waren alle Patienten, bei denen Diabetes diagnostiziert wurde, binnen eines Jahres zum Tode verurteilt. Dann wurde das Insulin entdeckt und der Diabetiker konnte normal leben mit einer unheilbaren, aber kontrollierbaren Krankheit.« Doch immer mit der Gefahr im Nacken, Füße oder Beine durch Amputation zu verlieren. Da stellten die kubanischen Biotechnologen ihr Heberprot-P vor. Seit 1994 hatten die Forscher experimentiert, »bis wir den Medizinern die erste und einzige pharmakologische Alternative im Kampf gegen die Amputationen von Diabetikerfüßen überreichen konnten«, sagt einer der Väter des Medikaments, Jorge Berlanga. 90 000 Patienten wurden in den vergangenen fünf Jahre in Kuba behandelt, den meisten blieb die Amputation erspart.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 10. Januar 2013


Zurück zur Kuba-Seite

Zurück zur Homepage