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¡Viva la Revolución!

60. Jahrestag des Angriffs auf Moncada-Kaserne: Kubas Präsident Raúl Castro bekräftigt sozialistischen Kurs. Zahlreiche Staatschefs zu Gast bei Kundgebung in Santiago

Von André Scheer *

Sechzig Jahre nach dem von Fidel Castro angeführten Angriff auf die Moncada-Kaserne in Santiago de Cuba ist der Schauplatz der damaligen Ereignisse am Freitag zum Ort eines lateinamerikanischen Gipfeltreffens geworden. Manch einer der hochrangigen Staatsgäste, die vor der Kulisse des damals attackierten Militärstützpunktes vor 10000 Kubanern das Wort ergriffen, hatte in vergangenen Jahrzehnten selbst bewaffnet gekämpft. So begrüßte etwa Nicaraguas Präsident Daniel Ortega den ecuadorianischen Außenminister Ricardo Patiño als einen ehemaligen Mitkämpfer in den Reihen der Sandinistischen Befreiungsfront gegen die Somoza-Diktatur. Neben ihnen waren auch Venezuelas Präsident Nicolás Maduro, sein bolivianischer Amtskollege Evo Morales, José »Pepe« Mujica aus Uruguay sowie die Regierungs­chefs mehrerer Karibikstaaten nach Kuba gereist.

Präsident Raúl Castro stellte in seiner Ansprache den Sieg der Kubanischen Revolution am 1. Januar 1959 in eine Reihe mit der zwei Jahrzehnte später in Nicaragua triumphierenden Sandinistischen Revolution und der noch einmal 20 Jahre später beginnenden Bolivarischen Revolution in Venezuela. Herzlich begrüßte er auch Mujica und erinnerte daran, daß dieser bereits Mitte der 60er Jahre als junger Kämpfer der uruguayischen Tupamaro-Stadtguerilla in Kuba zu Gast gewesen sei. »Dies bleibt die sozialistische Revolution der Armen durch die Armen und für die Armen, wie sie Fidel am 16. April 1961 proklamiert hat!« erteilte Raúl Castro allen Hoffnungen auf einen Kurswechsel eine Absage. Zuvor hatte Patiño ein Ende der Blockade der USA gegen Kuba gefordert, denn Lateinamerika sei nicht mehr der Hinterhof dieses »größten Terroristen der Welt«.

Fidel Castro, der selbst nicht an der Kundgebung teilnahm, und Hugo Chávez seien die »Väter der Revolution Lateinamerikas«, die Comandantes der um ihre Befreiung kämpfenden Völker der Welt, unterstrich Evo Morales. Der Angriff auf die Moncada-Kaserne habe damals für den ganzen Kontinent ein »Licht der Hoffnung« entzündet. Auch José Mujica unterstrich, der Sieg der Kubanischen Revolution habe Lateinamerika die Selbstachtung zurückgegeben: »Wir Männer und Frauen versuchten, Wege zu entdecken, lernten aus den Fehlschlägen und trotzdem immer wieder unsere Stimmen zu erheben. Denn die sozialen Veränderungen warten nicht um die Ecke – es scheint, daß das Unmögliche ein bißchen mehr kostet.«

Nicaraguas Staatschef Daniel Ortega, der 1966 als Teilnehmer eines lateinamerikanischen Studentenkongresses erstmals an der Moncada war, unterstrich, daß der 60. Jahrestag des Angriffs auf diese Kaserne »das beste Zeugnis dafür ist, daß Freiheit, Souveränität und das Recht auf Unabhängigkeit der Völker gerettet werden können, wenn das ganze Volk diese Ideen aufgreift!«

Am 26. Juli 1953 hatte eine Gruppe junger Aufständischer unter der Führung des damals 26 Jahre alten Rechtsanwalts Fidel Castro die Kasernen Moncada in Santiago de Cuba und »Carlos Manuel de Céspedes« in Bayamo attackiert, um damit das Signal zum Aufstand gegen die von den USA unterstützte Militärdiktatur von Fulgencio Batista zu geben.

Seit dem Sieg der Revolution am 1. Januar 1959 ist der 26. Juli deshalb einer der wichtigsten Feiertage Kubas und wird regelmäßig mit Großkundgebungen begangen. Die einstige Moncada-Kaserne beherbergt heute eine Schule.

* Aus: junge Welt, Samstag, 27. Juli 2013


Wenn es ums Kämpfen geht

Am 16. Oktober 1953 verteidigte sich Fidel Castro nach dem Sturm auf die Moncada in einer berühmten Rede vor Gericht. Ein Auszug: **

Es ist mit großem Nachdruck von der Regierung immer wieder betont worden, daß das Volk unserer Bewegung nicht geholfen hat. Ich habe niemals eine so naive und zugleich so böswillige Behauptung gehört. Sie wollen damit die Unterwürfigkeit und Feigheit des Volkes herausstellen; es fehlt nicht viel, und sie sagen noch, das Volk stütze die Diktatur, und haben dabei keine Ahnung, wie sehr sie die mutigen Leute aus der Provinz Oriente beleidigen. (…)

Der zweite Grund, der uns auf die Möglichkeit eines Erfolges hoffen ließ, war sozialer Art, denn wir waren sicher, daß wir auf das Volk rechnen konnten. Wenn wir Volk sagen, meinen wir nicht die etablierten und konservativen Schichten der Nation, denen jede Art von Unterdrückung, jede Diktatur, jeder Despotismus gerade recht kommt und die sich vor dem jeweiligen Herrn verneigen, bis sie sich die Stirn am Boden aufschlagen.

Wir verstehen, wenn wir vom Kämpfen reden, unter Volk die große unerlöste Masse, der alle Versprechungen machen und die von allen betrogen und verraten wird, die ein besseres und würdigeres und gerechteres Vaterland ersehnt; die von einem uralten Verlangen nach Gerechtigkeit bewegt wird, weil sie Generation um Generation Ungerechtigkeit und Spott ertragen mußte, die sich große und weise Veränderungen auf allen Gebieten wünscht und die, wenn sie an etwas oder an jemanden, vor allem aber genügend an sich selber glaubt, bereit ist, selbst den letzten Blutstropfen dafür herzugeben. (...)

Wir nennen, wenn es ums Kämpfen geht, die 600000 Kubaner Volk, die arbeitslos sind und sich ihr Brot auf ehrliche Weise verdienen wollen, ohne auswandern zu müssen; wir nennen Volk die 500000 Landarbeiter, die in ihren elenden Bohíos leben, die vier Monate im Jahr arbeiten und für den Rest des Jahres ihr Elend mit ihren Kindern teilen, die nicht eine Handvoll Erde besitzen und die viel mehr Mitleid hervorrufen würden, wenn es nicht so viele steinerne Herzen gäbe; die 400000 Industriearbeiter und Lastträger, deren Alterspensionen unterschlagen werden, denen man ihre Errungenschaften nimmt, deren Behausungen die höllengleichen Zimmer der Arbeiterquartiere sind, deren Gehalt von den Händen des Chefs in die des Wucherers übergeht, deren Zukunft Lohnkürzung und Entlassung, deren Leben unaufhörliche Arbeit und deren einzige Erholung das Grab ist; die 100000 Kleinbauern, die auf einer Erde leben und sterben, die nicht ihnen gehört und die sie traurig betrachten wie Moses das gelobte Land, um dann zu sterben, ohne daß es ihnen gelungen wäre, sie zu erwerben, die als Feudalsklaven einen Teil ihrer Erzeugnisse für ihre Parzellen bezahlen müssen, die ihr Stück Land nicht lieben, nicht verbessern, nicht verschönern, die keine Zeder und keinen Orangenbaum pflanzen können, denn sie wissen nicht, ob nicht eines Tages ein Gerichtsdiener mit der Landpolizei kommt, um ihnen zu sagen, daß sie fortgehen müssen; die 30000 Lehrer und Professoren, die sich selbstlos für das bessere Schicksal der zukünftigen Generationen aufopfern, für das sie so unentbehrlich sind, und die so schlecht behandelt und bezahlt werden; die 20000 kleinen Händler, die mit Schulden überhäuft sind, von der Krise ruiniert und von einer Meute von freibeuterischen und käuflichen Funktionären vollends umgebracht werden; die 10000 jungen Leute: Ärzte, Ingenieure, Anwälte, Tierärzte, Pädagogen, Zahnärzte, Apotheker, Journalisten, Maler, Bildhauer und so weiter, die mit ihren Abschlußexamen aus den Hörsälen entlassen werden und voller Kampfeslust und Hoffnung sind und sich dann in einer Sackgasse wiederfinden, wo alle Türen verschlossen und alle Ohren für Klagen und Bitten taub sind. Das ist das Volk – das Volk, das alles Unglück erleidet und daher fähig ist, mit seiner ganzen Wut zu kämpfen! Diesem Volk, dessen angstvolle Wege mit Täuschungen und falschen Versprechen gepflastert sind, wollten wir nicht sagen: »Wir schenken dir etwas«, sondern: »Da hast du die Möglichkeit, jetzt kämpfe mit all deiner Kraft, damit die Freiheit und das Glück dein sei!«

** Aus: junge Welt, Samstag, 27. Juli 2013


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