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Sachwalterin der Vergangenheit

Südkoreas Präsidentin gerät nach nur einjähriger Amtszeit unter Druck. »Hilfe« vom Geheimdienst

Von Rainer Werning *

Das hatte sich Südkoreas Präsidentin anders vorgestellt. Im Dezember 2012 gewann Park Geun Hye die Präsidentschaftswahl und wurde Ende Februar 2013 für fünf Jahre vereidigt. Nun steht sie bereits schwer unter Druck. Sie werde das wirtschaftlich prosperierende Land auf dem Wege zur weiteren Demokratisierung auch wohlfahrtsstaatlich voranbringen, hatte sie im Wahlkampf versprochen. Eine »Umgestaltung der Wirtschaft« – womit sie auf die Dominanz der Chaebol, der großen Wirtschafts- und Finanzkonglomerate im Lande, anspielte – habe sie ebenso im Blick wie Verbesserungen bei der Kinderbetreuung, die Senkung von Schul- und Studiengebühren sowie die finanzielle Absicherung der Alten. Im Umgang mit dem nördlichen Nachbar unter Kim Jong Un pries sie eine neue »Vertrauenspolitik« an.

Bei alledem konnte Park ein gewichtiges Pfund in die politische Waagschale werfen: Sie berief sich auf das Erbe ihres Vaters, auf Solidität und Berechenbarkeit. Es brauchte sie wenig zu stören, daß Park Chung Hee, der von 1961 bis 1979 an der Macht war, für fortschrittliche und linke Kräfte im Lande bis heute ein rotes Tuch ist. Die ältere Generation, ebenso sozialisiert wie traumatisiert durch die erzwungene Teilung des Landes und den verheerenden Bürgerkrieg (1950–53), verbindet mit dem Putschgeneral bis heute den Aufstieg des vormals rückständigen Agrarlandes in die erlauchte Runde der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Vergessen wird dabei, daß unter dem diktatorisch herrschenden Park mit der Korean Central Intelligence Agency (KCIA) der Vorläufer des heutigen Nationalen Sicherheitsdientes (NIS) geschaffen wurde. Und diese Behörde dient bis heute, gestützt auf das bereits aus dem Jahr der Staatsgründung, 1948, stammende Nationale Sicherheitsgesetz (NSG), einzig der Abwehr »innerer und äußerer Feinde«.

Die Wahlkampfversprechen Geun Hyes entpuppten sich binnen weniger Monate ihrer Amtszeit als Schall und Rauch. Zunächst regte sich massiver Protest seitens verschiedener Gewerkschaften sowie diverser anderer Organisationen gegen die Pläne der Präsidentin, verstärkt auf Privatisierungen zu setzen und die Rechte von Streik­enden zu beschneiden. Im Spätherbst vergangenen Jahres gingen in Seoul bei Massendemonstrationen über 100000 Menschen auf die Straße, die Parks Rücktritt forderten. Vorangegangen waren Streiks der Eisenbahnergewerkschaft KRWU, die gegen den Plan der Regierung protestierte, die staatliche Eisenbahngesellschaft Korail schrittweise zu privatisieren. Die Regierung ließ ein Großaufgebot der Polizei anrücken, das nicht nur Gewerkschafter inhaftierte, sondern auch das Hauptquartier des Dachverbands KCTU stürmte.

Weiterer Unmut über die Amtsführung Parks regte sich, als immer klarer wurde, daß der NIS während des Präsidentschaftswahlkampfs massiv für sie intervenierte. So hatten NIS-Agenten Ende 2012 über Tausende von Scheinaccounts zirka 22 Millionen gefälschte elektronische Kurzmitteilungen verschickt, um politische Gegner zu desavouieren. Dies führte zu Untersuchungen der Staatsanwaltschaft, in deren Verlauf auch Büros des Geheimdienstes durchsucht wurden. Erst kürzlich stellte sich heraus, daß NIS-Mitarbeiter in einem Verfahren gegen einen Flüchtling aus Nordkorea zudem Dokumente gefälscht hatten. Es kam zu Verhaftungen, was schließlich auch das Image der Präsidentin im eigenen politischen Lager ramponierte.

Als eine Art Befreiungsschlag verfolgt die Regierung derweil die Strategie, sich mit dem Verbotsantrag gegen die linksgerichtete Progressive Einheitspartei (UPP) anderer »Staatsfeinde und Kommunisten« zu entledigen. Gegen den UPP-Parlaments­abgeordneten Lee Seok Ki wurde bereits ein Strafverfahren wegen Verstoßes gegen das Nationale Sicherheitsgesetz eingeleitet. Ihm und der Partei wird vorgeworfen, die Interessen Nordkoreas vertreten und somit die nationale Sicherheit Südkoreas gefährdet zu haben. Gemäß NSG gilt Nordkorea als eine »Organisation«, die sich lediglich als Staat ausgibt. Demnach ist Kim Jong Un der »Rädelsführer einer antistaatlichen Organisation«.

* Aus: junge Welt, Samstag, 5. April 2014


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