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Grenzüberschreitende Frauenpower

Friedensaktivistinnen werben für Entspannung zwischen Nord- und Südkorea

Von Rainer Werning *

Am Pfingstsonntag ging für eine hochkarätige internationale Frauendelegation ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung. 30 Frauen aus 15 Ländern, unter ihnen die US-Feministin Gloria Steinem und die beiden Friedensnobelpreisträgerinnen Mairead Maguire aus Nordirland sowie Leymah Gbowee aus Liberia, durchquerten von Nordkorea aus, wo sie knapp eine Woche lang mehrere Symposien mit dortigen Partnerinnen abgehalten hatten, die entmilitarisierte Zone (DMZ) auf dem Weg nach Südkorea. Die Regierungen in Pjöngjang und Seoul hatten Wochen zuvor diese als Friedensmarsch deklarierte Grenzüberschreitung gebilligt. Doch der ursprüngliche Plan, das weltweit bestbewachte und am stärksten militarisierte Gebiet am Grenzort Panmunjom zu Fuß zu passieren, wurde im letzten Moment aus Sicherheitsgründen gekippt. Statt dessen reiste die Frauendelegation mit dem Bus über den von Nord- und Südkorea seit 2004 gemeinsam unterhaltenen Kaesong-Industriekomplex (KIC) in den südkoreanischen Grenzort Dorasan.

Vorrangiges Anliegen dieses Friedensmarsches ist es, so die amerikanisch-koreanische Koordinatorin Christine Ahn, 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges alle Kräfte zu bündeln, um die Teilung Koreas zu überwinden, die Wiedervereinigung der beiden verfeindeten Staaten voranzubringen, verstärkt Familienzusammenführungen zu initiieren und die Konfliktsituation in Nordostasien zu entschärfen. Nach dem Koreakrieg (1950–53), dem ersten heißen Konflikt im Kalten Krieg, ist lediglich ein Waffenstillstandsabkommen ausgehandelt, bis heute aber kein Friedensvertrag geschlossen worden. Bereits im Vorfeld des Friedensmarsches, der in dieser Woche in Südkorea fortgesetzt wird, hatte Gloria Steinem mit Blick auf die DMZ erklärt: »Es ist schwer, sich ein plastischeres Symbol des Wahnsinns der Trennung von Menschen vorzustellen.«

In den USA und Südkorea fand die Aktion bislang ein unterschiedliches Echo. Seitens der den Republikanern in den USA nahestehenden Kreise und konservativer Organisationen in Südkorea hagelte es Kritik. Man warf den Teilnehmerinnen »Blauäugigkeit« und »Naivität« vor. Sie hätten sich vor den Propagandakarren des Regimes in Pjöngjang unter Kim Jong Un spannen lassen und beim Besuch des Geburtsortes seines Großvaters und Staatsgründers, Kim Il Sung, dessen Errungenschaften »gepriesen«. In der Washington Post hatten Abraham Cooper vom Simon-Wiesenthal-Zentrum und Greg Scarlatoiu vom Komitee für Menschenrechte in Nordkorea den Teilnehmerinnen vor ihrer Abreise nach Pjöngjang vorgeworfen, dort ein »Menschenrechtstheater zu inszenieren«, um von Nordkoreas »Todeslagern und Verbrechen gegen die Menschlichkeit abzulenken«. Ein Vorwurf, den Christine Ahn als »lächerlich und absurd« entschieden zurückwies.

Unerwartete Rückendeckung erhielten die zu dem Zeitpunkt noch in Nordkorea weilenden Friedensmarschiererinnen von Donald P. Gregg. Der hartgesottene CIA-Mann mit reichlich 30 Dienstjahren in dieser Behörde, ehemaliger Nationaler Sicherheitsberater und von 1989 bis 1993 US-Botschafter in Seoul, weilte gerade in Südkorea, um dort seine Autobiographie vorzustellen. »Ich mag wie eine ausgeleierte Schallplatte klingen«, erklärte der 87jährige gegenüber verdutzten südkoreanischen Medienleuten im Millennium Seoul Hilton, »doch ich betone es nochmals: Wir müssen mit den Nordkoreanern reden, anstatt sie zu bekämpfen.«

Südkoreas ehemaligem Außenminister, UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, der ebenfalls in der vergangenen Woche in Seoul weilte, blieb es derweil missgönnt, mit seinen Landsleuten im KIC zu reden. Eine von Pjöngjang ausgesprochene Einladung wurde ohne Angabe von Gründen kurzerhand zurückgezogen.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 26. Mai 2015


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