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Pjöngjang setzt auf Politikwechsel in USA

Spekulationen um Staatschef Kim Jong Il

Von Peter Kirschey *

Nordkorea hat vor der UN-Vollversammlung offiziell den Wiederaufbau der teilweise zerstörten atomaren Wiederaufbereitungsanlage Yongbyon angekündigt. Vize-Außenminister Pak Kil Yon machte am Samstag in New York die USA für die Entscheidung verantwortlich.

Ein Jahr könnte es dauern, schätzen Experten, dann wäre das Land erneut in der Lage, waffenfähiges Plutonium herzustellen. Die Koreanische Demokratische Volksrepublik scheint fest entschlossen, sich dem Diktat der USA und deren Forderung nach bedingungsloser Kontrolle zu widersetzen. Diese Entwicklung deutete sich bereits im August an, nachdem Washington nicht bereit war, Nordkorea von der Liste der Terrorismus-Unterstützerstaaten zu streichen. Nun hoffen die Nordkoreaner auf einen Wandel in der USA-Politik nach den Präsidentenwahlen.

Doch es dürften auch danach noch ein paar Monate ins Land gehen, bis die Konturen einer neuen Nordkoreapolitik erkennbar sind. Bis dahin wären Tatsachen geschaffen, wie sie vor der Sprengung der Kühltürme in Yongbyon existierten. Nordkorea gibt sich gegenüber internationalen und USamerikanischen Protesten gelassen, doch das ostasiatische Land steht nach wie vor unter einem dramatischen wirtschaftlichen Druck. Zur Aufrechterhaltung der schwer angeschlagenen Industrie ist Energie dringend erforderlich, ohne die versprochenen Lieferungen von Erdöl könnte sich die Lage weiter verschlechtern. Auch gibt es keine grundsätzliche Entspannung bei der Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln. 50 Prozent der Lebensmittel müssen importiert werden oder resultieren aus internationaler Hilfe. Also hat auch Nordkorea ein nachdrückliches Interesse, den Konflikt um das Atomprogramm zu lösen. Doch unter Druck setzen lassen will sich die Staatsführung unter keinen Umständen.

Diplomaten in Pjöngjang sehen im möglichen Wiedereintritt Nordkoreas in die Plutoniumproduktion auch einen Ausdruck der unklaren Machtverhältnisse im Lande. Die letzte offizielle Nachricht über Aktivitäten des Staatschefs Kim Jong Il stammt vom 15. August. Damals wurde berichtet, dass der Oberbefehlshaber die 1319. Truppe der Koreanischen Volksarmee besucht hat, sich über die Kampfbereitschaft informierte und sich lobend über die Grünbepflanzung des Kasernengeländes aussprach. Jeden Monat werden Informationen über Besuche Kim Jong Ils bei einzelnen Truppenteilen verbreitet, um der Welt zu demonstrieren, dass die Armee die entscheidende Rolle bei der Entwicklung des Landes spielt.

Seit der Partei- und Armeechef bei den Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik in Pjöngjang nicht auf der Ehrentribüne gesehen wurde, wuchern in japanischen und südkoreanischen Medien die Spekulationen: Der wahrscheinlich 66-jährige Kim sei nach einem Schlaganfall nicht mehr in der Lage, die Geschäfte des Landes zu führen, die er 1994 von seinem Vater Kim Il Sung übernommen hatte. Jetzt, zwei Wochen nach dem Nichterscheinen Kim Jong Ils zu den Feierlichkeiten, will eine japanische Zeitung herausgefunden haben, dass der »geliebte Führer« nicht mehr die Macht ausübt und das Land von einem provisorischen Gremium des nordkoreanischen Verteidigungskomitees geführt wird. Gehandelt werden Namen aus der Familie Kim Jong Ils, Gerüchte über die mögliche Machtübernahme des Militärs werden kolportiert und von einem bevorstehen Staatsstreich ist die Rede. Doch für keine dieser Vermutungen gibt es irgendeine Bestätigung.

Die Berliner Botschaft der KDVR will sich zu den Gerüchten nicht weiter äußern und verweist auf die Erklärung des Außenministeriums, wonach es sich um bösartige Verleumdungen der Feinde Koreas handele. Tatsächlich gab es immer wieder Phasen, in denen Nordkoreas erster Mann nicht in der Öffentlichkeit in Erscheinung trat. Sofort setzte sich die Walze der Spekulationen in Bewegung. Klare Informationen jedenfalls existieren nicht – und so darf weiter spekuliert werden.

* Aus: Neues Deutschland, 29. September 2009


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