Bush wollte "Nukleardeal" retten
Streichung Nordkoreas von Terrorliste dient Reputation des scheidenden US-Präsidenten
Von Gabriele Chwallek und Dirk Godder, Washington/Seoul *
Der jüngste Kompromiss zwischen den USA und Nordkorea im jahrelangen Streit um das
nordkoreanische Atomwaffenprogramm lässt die Menschen in der Region aufatmen.
In den vergangenen Wochen drohte die mühsam errungene Vereinbarung zum Abbau der
nordkoreanischen Nuklearaktivitäten aufgrund großer Differenzen bei der Überprüfung der Abrüstung zu scheitern. Beide Seiten waren jetzt zu Konzessionen gezwungen. Für US-Medien stand fest: Präsident George W. Bush sah den als große politische Errungenschaft gefeierten »Nukleardeal« zunehmend aus seinen Händen gleiten – und versuchte schlicht zu retten, was noch zu retten ist.
Die Verhandlungen schienen nach Meinung von Beobachtern an einen toten Punkt gelangt. Nordkorea war verärgert, weil Washington das Land zunächst nicht wie vereinbart von seiner Liste der »Schurkenstaaten« genommen hatte. Die jetzige Entscheidung der USA, diesen Schritt doch zu vollziehen, macht auch wieder den Weg frei für die von Nordkorea unterbrochenen Arbeiten zur Stilllegung seiner weitgehend unbrauchbar gemachten Atomanlagen. Schritte zur Wiederinbetriebnahme der Anlagen im Atomzentrum Yongbyon hatte das Land schon unternommen.
In der US-Regierung habe die Furcht grassiert, Pjöngjang könne es auf die Spitze treiben und in den
letzten 100 Tagen der Bush-Amtszeit eine Atomwaffe testen, zitierte die »Washington Post« US-Beamte.
Dann hätte Bush in der Tat vor einem Scherbenhaufen gestanden. Dem Vernehmen nach
war es Außenministerin Condoleezza Rice, die Bush trotz Widerständen in ihrem eigenen
Ministerium in den vergangenen Tagen davon überzeugte, »dass dies das Beste ist, was die
Regierung noch in dieser Amtszeit bekommen kann«. Noch am Freitag habe alles auf Messers
Schneide gestanden, schilderten Insider den internen Konflikt.
Am Wochenende (11./12. Okt.) war dann Außenamtssprecher Sean McCormack sichtlich bemüht, eine
offensichtliche Kompromisslösung in einen diplomatischen US-Sieg umzumünzen. Washington habe
alles erhalten, was es angestrebt habe, sagte er angesichts harscher Kritik konservativer Kreise,
dass Washington schlicht eingeknickt sei und eigene Prinzipien verraten habe. In Sachen Nordkorea
brachte es Paula DeSutter, Chefin der für Verifikationsmaßnahmen zuständigen Abteilung im USAußenamt,
auf diese Formel: »Es wird eine holprige Straße. Aber immerhin bauen wir eine.«
Aus Sicht der USA stimmte Nordkorea einem strikten Überprüfungsverfahren zu, vor dem sich das
Land lange Zeit gesträubt hatte. Allerdings enthält die Vereinbarung nach Meinung von Experten
gefährliche Fußangeln. Gemäß der Einigung wird Nordkorea zwar internationale Inspektionen der
Atomeinrichtungen in Yongbyon zulassen.
Doch soll der Zugang zu nicht-deklarierten Anlagen nur nach »beiderseitigem Einverständnis«
erfolgen. Ob es Schwierigkeiten geben wird, wird sich deshalb an der Bereitschaft Nordkoreas zur
Zusammenarbeit zeigen, mahnte Südkoreas Unterhändler für die Sechs-Länder-Atomgespräche,
Kim Sook.
Der jetzige Kompromiss bedeutet für Nordkorea nach Meinung von Beobachtern einen
diplomatischen Teilerfolg. Durch die Streichung von der US-Terrorliste erhält das verarmte, aber
hoch aufgerüstete Land im Prinzip Zugang zu internationalen Organisationen wie der Weltbank.
Auf der anderen Seite ist die Beseitigung von der US-Liste auch von großer symbolischer
Bedeutung für Pjöngjang. Dem Regime geht es letztlich auch um die angestrebte volle Anerkennung
durch die Vereinigten Staaten.
dpa
* Aus: Neues Deutschland, 14. Oktober 2008
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