Bewegung um Yongbyon-Atomreaktor
KDVR will heute unter US-amerikanischer Beobachtung den Kühlturm der Anlage sprengen
Von Peter Kirschey *
Als Reaktion auf die Erklärung der KDVR zu ihrem Atomprogramm hat die USA-Regierung die
Aufhebung von Sanktionen angekündigt. Man werde Handelsbeschränkungen aufheben und habe
die Absicht, Nordkorea in 45 Tagen von der Liste der »Terror-Unterstützerstaaten« zu streichen,
sagte Regierungssprecherin Dana Perino am Donnerstag.
Wieder einmal ist von einem Durchbruch die Rede, erneut scheint der Konflikt um das
nordkoreanische Atomprogramm einer Lösung nahe. Am heutigen Freitag (27. Juni) soll unter US-amerikanischer
Beobachtung der Kühlturm des Atomkomplexes Yongbyon, 80 Kilometer nördlich
der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang, gesprengt werden. Die Anlage wird damit unbrauchbar
gemacht. Die Nordkoreaner hatten den Komplex vor einem Jahr als deutliche Geste abgeschaltet.
Kühlturm gesprengt
Nordkorea hat am Freitag (27. Juni) nach Informationen des südkoreanischen Fernsehens wie angekündigt den Kühlturm des Atomreaktors Yongbyon gesprengt. Dies berichtete der südkoreanische Sender MBC TV, der Korrespondenten nach Yongbyon entsandt hatte. Die geplante Übertragung von Live-Bildern scheiterte an technischen Problemen. Nordkorea hatte am Tag zuvor in Peking detaillierte Informationen zu seinem Atomprogramm übergeben, woraufhin die USA eine Lockerung ihrer Handelssanktionen ankündigten. Die Zerstörung des Kühlturms ist in dem Vertrag zur Abrüstung des nordkoreanischen Atomprogramms vorgesehen, der 2007 geschlossen wurde.
USA zahlen Nordkorea Millionen für Kühlturm-Sprengung
Die US-Regierung hat Nordkorea offenbar 2,5 Millionen Dollar (1,59 Millionen Euro) für die symbolträchtige Sprengung des Kühlturms am Atomreaktor Yongbyon bezahlt. Das verlautete aus informierten Kreisen in Washington. Über die tatsächliche Höhe der von Nordkorea auf fünf Millionen Dollar bezifferten Gesamtkosten der Sprengung gab es keine Angaben. Die Zeitung "New York Times" berichtet von Unmut in konservativen US-Kreisen über die als zu hoch empfundene Beteiligung der eigenen Regierung. Auch gebe es Zweifel an der Glaubwürdigkeit Pjöngjangs.
Die Zerstörung des 30 Meter hohen Turms als dem sichtbarsten Zeichen des umstrittenen nordkoreanischen Atomprogramms war am Freitag (27. Juni) weltweit im Fernsehen übertragen worden. In dem knapp hundert Kilometer nördlich von Pjöngjang gelegenen Reaktorkomplex wurde Plutonium für ein Atomwaffenprogramm hergestellt.
Nach erfolgreichen Sechs-Nationen-Gesprächen zwischen Nordkorea, den USA, China, Südkorea, Japan und Russland wurde die Anlage im vergangenen Juli abgeschaltet. Im Gegenzug handelte Nordkorea Hilfen für seine notleidende Bevölkerung aus.
US-Außenministerin Condoleezza Rice forderte Nordkorea erneut zur vollständigen Aufgabe seines Atomprogramms auf. "Wir müssen die vollständige Aufgabe aller Programme, Waffen und Anlagen erreichen", sagte Rice in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul. Die US-Außenministerin betonte, dass die jüngste Erklärung der nordkoreanischen Regierung zu ihrem Atomprogramm nicht ausreiche: "Wir haben noch nicht die Antworten, die wir brauchen."
Agenturmeldungen, 27. und 28. Juni 2008
Abzuwarten bleibt, ob damit bereits alle Hindernisse auf dem Weg der koreanischen Halbinsel zu
einer atomwaffenfreien Zone beseitigt sind. Immer wenn in der Vergangenheit bei den Sechs-
Staaten-Gesprächen (Nord- und Südkorea, China, Russland, die USA und Japan) von einem
Durchbruch die Rede war, türmten sich wenig später neue Hindernisse auf, weil die Konfliktparteien
die ausgehandelten Vereinbarungen stets unterschiedlich auslegten.
Schon im Oktober 1994 unterzeichneten die KDVR und die USA in Genf ein Rahmenabkommen,
wonach alle strittigen Fragen im Grunde geregelt waren: Nordkorea sollte sich in den Zustand einer
nichtnuklearen Macht zurückversetzen, nachdem es ein Jahr zuvor mit der Wiederaufbereitung von
Kernbrennstäben begonnen und den Atomwaffensperrvertrag ausgesetzt hatte. Das
Rahmenabkommen KDVR – USA führte tatsächlich zur Stilllegung des Reaktors von Yongbyon. Im
Jahre 2002 wurde er jedoch wieder angefahren, die Kontrollanlagen wurden abgebaut, die
internationalen Inspektoren des Landes verwiesen. Pjöngjang warf Washington vor, seine
Verpflichtungen nicht eingehalten zu haben.
Nun also wird wieder ein »Durchbruch« verkündet. Auch nach Offenlegung des nordkoreanischen
Atomprogramms bleiben jedoch Fragen. Zum Beispiel die, ob überhaupt und in welchem Umfang die
KDVR über Atomwaffen verfügt. Seit Februar 2005 zählt sich Nordkorea selbst zu den
Atommächten, was landesweit gefeiert wurde. Anfang Oktober 2006 kündigte Pjöngjang einen
unterirdischen Atomtest an, der am 9. Oktober als vollzogen gemeldet wurde. Zwar registrierten
verschiedene ausländische seismologische Stationen tatsächlich eine starke Explosion auf
nordkoreanischem Territorium, doch sicher ist nicht, dass es sich um einen unterirdischen
Nuklearversuch handelte. Experten der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEA) in Wien
bezweifeln es.
Zu den Verpflichtungen Nordkoreas gehört es, alle Atomanlagen bis Ende dieses Jahres zu
schließen. Im Gegenzug hatten die USA versprochen, die KDVR endlich von ihrer Liste der mit
Sanktionen belegten »Unterstützerstaaten des Terrors« zu streichen. Bisher geschah das nicht, was
von Pjöngjang immer wieder als Beweis dafür angeführt wurde, dass die USA die Nordkoreaner
lediglich erpressen wollten und nicht ernsthaft am Frieden in der Region interessiert seien.
Zu den weiteren Verpflichtungen der USA gehört die Sicherung der Energieversorgung der KVDR
durch die Lieferung von Heizöl durch alle beteiligten Staaten. Darüberhinaus verlangt Pjöngjang von
den USA Sicherheitsgarantien, die einen atomaren oder konventionellen Militärschlag ähnlich wie
gegen Irak ausschließen. Auch der Bau eines neuen Kernkraftwerks mit einem Leichtwasserreaktor
durch ein internationales Konsortium wurde ausgehandelt.
Während Nordkorea die Gleichzeitigkeit aller dieser Schritte verlangte, forderte Washington die
völlige Offenlegung als Vorleistung. So bot sich der KDVR-Führung immer wieder die Möglichkeit,
das gesamte ausgehandelte Paket in Frage zu stellen.
Nach wie vor weigern sich die USA, ihre eigenen Nuklearwaffen, die möglicherweise auf
Stützpunkten in Südkorea und Japan stationiert sind, in die Verhandlungen einzubeziehen. Sie
verweigern überhaupt jede Auskunft darüber, ob auf ihren Marine- und Luftwaffenbasen
Atomsprengköpfe gelagert werden. Auch deshalb könnte der Weg zur endgültigen Beilegung des
Atomkonflikts auf der koreanischen Halbinsel durchaus noch weit sein.
* Aus: Neues Deutschland, 27. Juni 2008
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