Schnee oder Peking
Nordkorea will Raketenstart vielleicht verschieben. Liegt es am Wetter oder an einem chinesischen Einspruch?
Von Knut Mellenthin *
Nordkorea wird den angekündigten Start eines Weltraumsatelliten vielleicht verschieben. Das meldeten Medien der Demokratischen Volksrepublik am Sonntag (9. Dez.). Die staatliche Nachrichtenagentur zitierte einen namentlich nicht identifizierten Sprecher des Ausschusses für Raumtechnologie mit der Aussage, die beteiligten Wissenschaftler zögen in Erwägung, den Zeitrahmen zu »korrigieren«.
Die Regierung in Pjöngjang hatte am 1. Dezember ihre Absicht bekanntgegeben, in einem vom 10. bis zum 22. Dezember reichenden Zeitfenster einen Flugkörper in eine Erdumlaufbahn zu schießen. Es wäre bereits der zweite Versuch in diesem Jahr: Am 3. April war eine dreistufige Rakete ein bis zwei Minuten nach dem Start zerbrochen und ins Meer gestürzt. Der UN-Sicherheitsrat hatte daraufhin den Start in einer einstimmig beschlossenen Resolution scharf verurteilt, aber keine neuen Sanktionen verhängt. Nicht definierte Strafmaßnahmen wurden lediglich für den Fall angedroht, daß die Demokratische Volksrepublik erneut eine Rakete starten würde. Grundlage dafür ist die Sicherheitsratsresolution 1874 vom 12. Juni 2009, die Nordkorea Tests mit ballistischen Raketen verbietet.
Dementsprechend hatten vor allem die USA, Japan und Südkorea heftig auf die neue nordkoreanische Ankündigung reagiert. Die US-Marine teilte mit, daß sie mehrere nicht näher bezeichnete Kriegsschiffe vor die Westküste der Koreanischen Halbinsel verlegen werde, um den Raketenstart zu »verfolgen«. Das japanische Militär nutzte die Gelegenheit für ein regelrechtes Kriegsspiel seiner von den USA gelieferten Raketenabwehr. So wurden drei zu diesem System gehörende Kriegsschiffe der Aegis-Klasse mobilisiert mit dem angeblichen Auftrag, eventuelle Raketentrümmer, die auf japanisches Territorium fallen könnten, abzuschießen. Außerdem wurde eine nicht genau zu ermittelnde Zahl von »Patriot«-Batterien an der Südgrenze des japanischen Inselreichs, auf Okinawa und einigen Nachbarinseln verlegt. Auch sie natürlich nur zum Abschuß von Trümmern, obwohl Japan weit von der bekanntgegebenen Flugstrecke der nordkoreanischen Rakete entfernt liegt.
Deutlich maßvoller verhielt sich Rußland, das auf Drohungen verzichtete, aber die Demokratische Volksrepublik »eindringlich aufforderte«, ihre Absicht »zu überdenken«. Zugleich bekräftigte Moskau seine Bereitschaft, die Sechsergespräche »zur Lösung der Probleme auf der Koreanischen Halbinsel« wieder aufzunehmen. Dabei gehe es unter anderem um die Aufhebung der Sanktionen und Restriktionen gegen Pjöngjang und um »die Schaffung der Voraussetzungen für die volle Teilnahme der DVRK an der internationalen Zusammenarbeit auf verschiedenen Gebieten, einschließlich der friedlichen Nutzung des Weltraums und der Atomenergie«.
Partner der Sechsergespräche sind außer den beiden koreanischen Staaten die USA, China, Rußland und Japan. Pjöngjang hatte sich im April 2009 aus diesem Verhandlungsformat zurückgezogen, aber schon wenige Monate später über China Fühler wegen einer Wiederaufnahme der Gespräche ausgestreckt. Seither sind es die USA und Südkorea, die sich quer stellen.
Die jetzt angedeutete Möglichkeit einer »Verschiebung« des Satellitenstarts hat Spekulationen über ein chinesisches Machtwort hinter den Kulissen ausgelöst. Offiziell hatte Peking lediglich alle Seiten ermahnt, »eine weitere Eskalation der Lage zu vermeiden«. Der Grund für die Überlegungen auf nordkoreanischer Seite könnte auch im Wetter liegen: Satellitenaufnahmen zeigen, daß es im Gebiet des Startgeländes starken Neuschnee gegeben hat.
* Aus: junge Welt, Montag, 10. Dezember 2012
Aufgeschoben war nicht aufgehoben: Raketenstark fand doch statt
Bahnbrechend, provokativ
Nordkoreas Raketenstart international verurteilt **
Nordkorea hat am Mittwoch (12. Dez.) nach eigenen
Angaben einen Satelliten mit
einer Rakete ins Weltall befördert. Im
Ausland sieht man darin den verschleierten
Test einer atomfähigen
Langstreckenrakete.
Nordkoreanische
Medien berichteten am
Mittwoch über den Start einer
Trägerrakete für Satelliten und
feierten ihn als »bahnbrechendes
Ereignis«. »Der Satellit hat seine
Umlaufbahn wie geplant erreicht«,
berichtete die nordkoreanische
Nachrichtenagentur KCNA. Die
Bürger des Landes hätten die Aktion
mit »enormer Begeisterung«
und Tränen der Freude gefeiert.
UN-Generalsekretär Ban Ki
Moon verurteilte den Raketenstart
als »provokativen Akt« und klaren
Verstoß gegen UN-Resolutionen.
Noch am Mittwoch wollte sich der
Sicherheitsrat in New York mit
dem Vorfall befassen. Einem
westlichen Diplomaten zufolge war
mit einer »starken Reaktion« zu
rechnen. Auch die USA verurteilten
den »hoch provokativen Akt«.
Für Deutschland erklärte Bundesaußenminister
Guido Westerwelle,
Nordkorea verstoße »mit dieser
gezielten Provokation in unverantwortlicher
Weise gegen seine
internationalen Verpflichtungen«.
Die EU drohte mit neuen Sanktionen.
Sie werde »in enger Absprache
mit wichtigen Partnern eine
angemessene Reaktion in Betracht
ziehen, darunter mögliche zusätzliche
restriktive Maßnahmen«, erklärte
die EU-Außenbeauftragte
Catherine Ashton.
China als einziger enger Verbündeter
Pjöngjangs bezeichnete
den Raketenstart als »bedauerlich
«. Er sei »entgegen der erheblichen
Besorgnis der internationalen
Gemeinschaft« erfolgt, hieß es
im Außenministerium in Peking.
Die staatliche Nachrichtenagentur
Xinhua bemängelte indessen die
»kriegerische Rhetorik« aller Beteiligten.
Russland erwartet »negative
Auswirkungen« auf die Situation in
der Region. Japan verurteilte den
Raketenstart als »nicht tolerierbar
«. Die Trägerrakete des Satelliten
sei über die japanische Insel
Okinawa hinweggeflogen. Südkorea
berief eine Dringlichkeitssitzung
des Nationalen Sicherheitsrats
ein.
* Aus: neues deutschland, Freitag, 14. Dezember 2012
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