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Keine Erdnußpaste nach Pjöngjang

US-Regierung zieht Hilfsversprechen an Nordkorea zurück

Von Knut Mellenthin *

Die USA fühlen sich nicht mehr an ihre Zusage gebunden, Nahrungsmittel an Nordkorea zu liefern. Das erklärte ein führender Mitarbeiter des Pentagon am Mittwoch während einer Anhörung im Streitkräfteausschuß des Abgeordnetenhauses in Washington. Die Äußerungen von Peter Lavoy, der im US-Verteidigungsministerium als Unterstaatssekretär für Asien und den Pazifik zuständig ist, wurden zunächst nicht offiziell bestätigt. Eine solche Reaktion der US-Regierung war jedoch erwartet worden, nachdem die Demokratische Volksrepublik Korea (DVRK) vor zwei Wochen angekündigt hatte, Mitte April ihren dritten Satelliten starten zu wollen. In diesem Zusammenhang hatte die Sprecherin des State Department, Victoria Nuland, sofort davon gesprochen, daß ein Festhalten an der Hilfszusage »schwer vorstellbar« geworden sei.

Die US-Regierung bewertet den angekündigten Satellitenstart als Test einer Langstreckenrakete. Dadurch sei, so begründete jetzt Peter Lavoy die Aussetzung der Hilfszusage, die Vertrauensbasis für eine »ordnungsgemäße« Verteilung der Nahrungsmittel entfallen. Entgegen der gängigen Darstellung in den Medien, denen sogar Nuland bei einer Pressekonferenz erlag, handelt es sich bei den Hilfslieferungen im formalen und offiziellen Sinn jedoch nicht um eine Gegenleistung für das von der DVRK am 29. Februar verkündete Moratorium. Pjöngjang hatte sich damals als einseitige und freiwillige vertrauensbildende Maßnahme bereiterklärt, für einen nicht definierten Zeitraum auf Tests mit Langstreckenraketen und Atomwaffen sowie auf die Anreicherung von Uran zu verzichten.

Zudem soll es sich bei der nun wieder in Frage gestellten »Nahrungsmittelhilfe« – im Englischen werden Begriffe wie »food aid« oder »nutritional assistance« verwendet – entgegen der anfänglichen Wünsche der DVRK nicht um Lebensmittel im üblichen Sinn wie etwa Reis handeln. Statt dessen hat die US-Regierung darauf bestanden, die Lieferungen auf spezielle Nährmittel zu beschränken, die angeblich besonders geeignet für kleine Kinder und schwangere Frauen sein sollen. Genannt werden hauptsächlich ein Gemisch aus Mais und Soja, ferner Speiseöl und eine »angereicherte« Erdnußpaste, die sogar ausdrücklich als »therapeutische Nahrung« bezeichnet wird.

Die beleidigende Begründung Wa­shingtons für diese Zusammenstellung der Hilfslieferungen lautet, man wolle vermeiden, daß die Güter »an der falschen Adresse« landen und sich anstelle der hungernden Bevölkerung vielleicht die »politische und militärische Elite« der DVRK die Bäuche mit amerikanischem Reis vollschlägt. Zusätzlich besteht die US-Regierung aber auch noch auf einem umfassenden und intensiven Kontrollsystem, um die Verteilung der therapeutischen Erdnußpaste an die wirklich Bedürftigen sicherzustellen. Die Überwachung soll durch Inspektoren erfolgen, die von sogenannten Nichtregierungsorganisationen (NGO) entsandt werden. Viele dieser angeblich unabhängigen NGO werden aber in Wirklichkeit ganz offen aus dem Haushalt des US-Außenministeriums finanziert.

Uneinigkeit zwischen Washington und Pjöngjang über Umfang und Art dieser Kontrollen sind auch der Grund, warum es nach monatelangen Verhandlungen zwar eine allgemeine Zusage der USA gegeben hatte, aber immer noch keine verbindliche, schriftlich fixierte Abmachung über die Lieferungen. In einem früheren Fall vor einigen Jahren war die DVRK über das arrogante Verhalten der US-Regierung sogar so aufgebracht gewesen, daß sie von sich aus erklärt hatte, keine Hilfe mehr zu benötigen.

* Aus: junge welt, 30. März 2012


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