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Wieder Kriegsspiele im Fernen Osten

Pjöngjang empört über gemeinsame Militärmanöver USA-Südkorea

Von Peter Kirschey *

Wieder einmal ist die Welt hart an einem nuklearen Inferno vorbeigeschrammt. Dank der besonnenen Haltung der Führung der Demokratischen Volksrepublik Korea, so verlautet jedenfalls aus Pjöngjang, wurde das Schlimmste jedoch verhindert.

Vom 8. bis 18. März absolvierten südkoreanische Militärs im Bunde mit USA-Truppen die Militärübungen »Key Resolve« und »Foal Eagle« - in der Nachfolge der einst »Team Spirit« genannten Großmanöver. Und wie in jedem Jahr seit 1953, als der Koreakrieg endete, drohten die Nordkoreaner mit massiver Vergeltung. Das Oberste Hauptquartier der Koreanischen Volksarmee verlautbarte am 8. März: »Die Herzen unserer Armee und unseres Volkes, gepeinigt vom Groll, der wegen der Aggressoren seit mehr als einem halben Jahrhundert angehäuft wurde, sind von Hass und Wut gegen die Feinde durchdrungen, die auch heute auf diesem Boden Pulvergeruch verbreiten und die Zündschnur des Krieges anstecken. Falls die USA-Imperialisten und die kriegsfanatischen Marionetten trotz unserer wiederholten Warnungen die aggressiven gemeinsamen Militärmanöver durchführen, werden wir diesen mit starken militärischen Gegenmaßnahmen entgegentreten und nötigenfalls unter Einsatz aller Offensiv- und Defensivmittel einschließlich der atomaren Abschreckungskraft die Zitadelle der Aggression unbarmherzig dem Erdboden gleichmachen.« Nachzulesen - in holpriger Übersetzung - unter www.kcckp.net.

Die Kriegsspiele mit 20 000 südkoreanischen und 18 000 US-amerikanischen Soldaten gingen ohne Zwischenfall zu Ende, die angekündigten unbarmherzigen Gegenmaßnahmen der Volksrepublik Kim Jong Ils blieben aus. In den Augen der Regierung Südkoreas waren es - wie immer - Übungen zur Selbstverteidigung, der Norden spricht - ebenfalls wie immer - von einem Test für einen Angriffskrieg, einschließlich eines nuklearen Vorstoßes.

Man mag die nordkoreanischen Drohungen belächeln, tatsächlich empfindet die Führung in Pjöngjang das jährliche Militärspektakel im Süden als außerordentlich bedrohlich. Und als Bestätigung dafür, dass der Besitz von Atomwaffen zur Selbstverteidigung zwingend notwendig ist. Zwar haben USA-Militärs erklärt, keine Kriegsabsichten gegen den Norden zu hegen, doch in Pjöngjang sitzt das Misstrauen tief. Nicht ganz grundlos, denn Erstschlagspläne gehörten seit den 50er Jahren zur Militärstrategie der USA. Die nordkoreanische Führung sieht sich von Feinden umzingelt, die im Falle eines Konflikts nicht davor zurückschrecken werden, auch Nuklearwaffen einzusetzen. In Pjöngjang vertraut man den Aussagen des südkoreanischen Präsidenten Lee Myung Bak nicht, wonach sich im südlichen Teil der Halbinsel keine US-amerikanischen Atomwaffen mehr befinden. Zumindest stellt man die Frage nach der nuklearen Ausstattung der US-amerikanischen Kriegsflotte in südkoreanischen Häfen und auf der japanischen Insel Okinawa. Die USA verweigern darüber generell jede Auskunft, und das nährt die Furcht Kim Jong Ils, dass die Feinde im Süden das politische System des Nordens vernichten wollen.

Nord- und Südkorea befinden sich seit Ende des Koreakrieges formell noch immer im Kriegszustand, der nur durch ein Waffenstillstandsabkommen - unterzeichnet auch von einem US-General - unterbrochen ist. Die USA haben etwa 28 000 Soldaten im Süden stationiert, die nicht nur die 670 000 Mann starke südkoreanische Armee unterstützen, sondern in wichtigen Fragen auch Befehlsgewalt über die südkoreanischen Verbände haben. Das Heer des Nordens ist etwa 1,2 Millionen Mann stark.

Aus Sicht der nordkoreanischen Führung kann nur ein Friedensvertrag - abzuschließen zwischen den USA und der Demokratischen Volksrepublik - das Nuklearproblem auf der koreanischen Halbinsel lösen. Für die US-Amerikaner ist ein solcher Vertrag zur Zeit noch indiskutabel, doch eine Lösung des Nuklearstreits wird letztendlich nur auf diesem Weg möglich sein. Anders wird sich Nordkorea nicht von atomarer Aufrüstung abhalten lassen.

* Aus: Neues Deutschland, 19. März 2010


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