"Parteienkriege" in Südkorea
Amtseinführung des neuen rechtskonservativen Präsidenten Lee Myung Bak
Von Rosso Vincenzo *
Am heutigen Montag (25. Februar) wird Lee Myung Bak als neues Staatsoberhaupt der Republik (Süd-)Korea
vereidigt. Gerade noch rechtzeitig wurde Lee von schweren Betrugsvorwürfen entlastet, die vor
seiner Wahl im Dezember aufgetaucht waren. Derweil hat in den großen Parteien bereits ein
heftiges Hauen und Stechen vor den Parlamentswahlen am 9. April begonnen.
In der Partei des neuen Präsidenten Südkoreas – der Großen Nationalpartei (GNP) – tobt ein
»Krieg« zwischen der Fraktion Lee Myung Baks und den Anhängern der früheren Parteichefin Park
Geun Hye, zu denen auch der gegenwärtige Vorsitzende Kang Jae Sup zählt. Lee strebt offenkundig
nach absoluter Macht über die GNP. Ausgerechnet er, der ehemalige Hyundai-Manager, den seine
Gegner mit zahlreichen Finanzskandalen in Verbindung bringen, schwingt sich nun zum Kämpfer
gegen die Korruption auf und verweigert Park-Anhängern die Kandidatur bei den bevorstehenden
Parlamentswahlen, weil sie – wie er meint – moralisch nicht integer sind.
Frau Park, die Lee bei den parteiinternen Vorwahlen im August 2007 äußerst knapp unterlegen war,
fühlt sich betrogen. Denn sie hatte Lee selbst auf dem Gipfel der Enthüllungen über die
Investmentfirma BBK, die Anleger um etliche Millionen Dollar betrogen haben soll, den Rücken
gestärkt. Lee hatte die Firma 2000 gegründet, wurde am vergangenen Donnerstag jedoch vom
Vorwurf persönlicher Verwicklung in Manipulationen entlastet.
Der neue Präsident aber blieb in der Kandidatenfrage hart. Nachdem Kang Jae Sup Anfang Februar
den Generalsekretär, einen Gefolgsmann Lees, zum Rücktritt aufgefordert hat, wird eine Spaltung
der Partei nicht mehr ausgeschlossen. Das hat in Südkorea zwar lange Tradition, würde die
Wahlchancen des rechten Lagers jedoch deutlich schmälern. So könnte Lee nach den
Parlamentswahlen gezwungen sein, mit der liberalen Vereinigten Neuen Demokratischen Partei
(UNDP) des bisherigen Präsidenten Roh Moo Hyun zusammenzuarbeiten, die mit 46,8 Prozent
schon vor vier Jahren stärkste Partei war. Doch auch sie ist nach der schweren Niederlage bei den
Präsidentschaftswahlen, bei denen ihr Kandidat Chung Dong Yung nur auf 26,1 Prozent kam, heillos
zerstritten.
Bereits besiegelt scheint hingegen das Schicksal der Demokratischen Arbeitspartei (DLP). Die im
Januar 2000 von Aktivisten des linken Gewerkschaftsbundes KCTU gegründete Partei (koreanisch:
Minju Nodong-dan) wurde bei den Parlamentswahlen im April 2004 mit 2,77 Millionen Stimmen (13
Prozent) überraschend drittstärkste Kraft und errang zehn Sitze in der Nationalversammlung. Trotz
der Massendemonstrationen gegen das Freihandelsabkommen Südkoreas mit den USA im
vergangenen Jahr und andauernder Streiks und Betriebsbesetzungen beim E-Land-Konzern kam
DLP-Kandidat Kwon Young Ghil bei der Präsidentenwahl im Dezember nur auf drei Prozent der
Stimmen – weniger als 2002, als er immerhin 3,9 Prozent erhielt. Als Grund gilt eine falsche
Stoßrichtung im Wahlkampf. Da die Kluft zwischen Arm und Reich in den letzten Jahren größer
geworden ist, da sich ein Großteil der Beschäftigten mit Zeitverträgen über Wasser halten muss und
viele Hochschulabsolventen keine ihrer Qualifikation entsprechende Arbeit mehr finden, stand die
»gefühlte soziale Krise« im Mittelpunkt der Debatte. Die DLP-Führung aber warb mit der Losung
»Bundesrepublik Korea!«. Dies wird der Dominanz der Strömung »Nationale Befreiung« in der Partei
zugeschrieben, die getreu der nordkoreanischen Ausrichtung auf nationale Themen setzte.
Nach langen Debatten und zum Teil heftigen persönlichen Angriffen beschloss das DLPZentralkomitee
im Januar dieses Jahres mit Mehrheit, bis zum nächsten Parteitag eine Notführung
einzusetzen. Übergangsweise wurde die ehemalige Gewerkschaftsführerin Shim Sang Jung zur
Vorsitzenden gewählt. Sie gehört zur sozial orientierten Volksdemokratie-Fraktion.
Shims Wahl wurde zunächst als einzige Chance für das Überleben der Partei betrachtet. Als sie auf
dem Parteitag am 3. Februar allerdings ihre Vorschläge zur Reform der Partei präsentierte und die
Aussetzung der DLP-Mitgliedschaft jener forderte, die der Spionage für die KDVR angeklagt sind,
stimmten 553 der 862 Delegierten dagegen. Shim trat daraufhin von ihrem Amt zurück und kündigte
die Gründung einer neuen linken Partei an. Möglicherweise verlässt die gesamte Volksdemokratie-
Fraktion die DLP. Das könnte dazu führen, dass im neuen Parlament keine linke Kraft mehr
vertreten ist.
Der künftige Präsident Lee Myung Bak hat derweil angekündigt, mit allen Mitteln für »sozialen
Frieden zwischen Management und Arbeit« zu sorgen, »um die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern«.
Um die Arbeiterbewegung zu »befrieden« und neue Einschnitte durchzusetzen, wird er zuerst den
Einfluss des linken Gewerkschaftsbundes KCTU brechen müssen.
* Aus: Neues Deutschland, 25. Februar 2008
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