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Kehren Atominspektoren in die KDVR zurück?

Fortschritte bei neuen Sechs-Staaten-Gesprächen möglich

Von Wolfgang Kötter*

Nach drei Jahren Einreiseverwerweigerung könnten bald wieder Inspektoren der Internationale Atomenergiebehörde IAEA zu Kontrollbesuchen nach Nordkorea reisen. Bereits in der bevorstehenden Runde der sogenannten Sechs-Staaten-Gespräche wäre eine Einigung möglich, das hatte der USA-Politiker Bill Richardson, kürzlich nach einer Vermittlungsreise in die KDVR signalisiert. In den Verhandlungen bemühen sich Abgesandte aus Nord- und Südkorea, den USA, China, Russland und Japan darum, eine Lösung für das bereits seit Jahrzehnten andauernde Atomproblem der KDVR zu finden.

Zwar war die KDVR im Jahre 1985 nach langem Zögern und nicht zuletzt auf Druck Moskaus dem Atomwaffensperrvertrag beigetreten, doch erst sieben Jahre später wurde das Kontrollabkommen mit der IAEA abgeschlossen. Immer wieder tauchten Vermutungen über illegale Nuklearaktivitäten auf. Verdacht erregte zunächst die Möglichkeit, aus den sowjetischen Kernreaktoren gewonnenes Plutonium zur Waffenentwicklung abzuzweigen. Kontrolleure der IAEA hatten schon frühzeitig Alarm gegeben und eine Differenz von 15 kg Plutonium zwischen den deklarierten und tatsächlich vorhandenen Beständen gemeldet. Die Menge würde für den Bau von zwei nuklearen Sprengköpfen ausreichen. Auch Hinweise auf eine geheime Urananreicherung und Transporte von Tausenden ausgedienten Brennstäben zur Wiederaufbereitung deuteten auf die Gewinnung waffentauglichen Spaltmaterials hin. Als die IAEA Aufklärung anmahnte, antwortete Pjöngjang mit der Ausweisung der internationalen Kontrolleure und drohte bereits damals den Austritt aus dem Kernwaffensperrvertrag an. Daraufhin schalteten sich die USA ein und versprachen Nordkorea für den Verzicht auf das Nuklearwaffenprogramm zwei moderne Leichtwasser-Atomreaktoren zur Stromerzeugung sowie die jährliche Lieferung von 500 000 Tonnen Schweröl als Ausgleich für die abgeschalteten Reaktoren. Das Misstrauen blieb jedoch weiter bestehen und verschärfte sich mit dem Regierungsantritt von George W. Bush noch einmal deutlich. Die Situation eskalierte erneut als Nordkorea im Oktober 2002 angeblich zugab, weiterhin heimlich an der Entwicklung von Atomwaffen zu arbeiten. Die USA stellten daraufhin die Kooperation vollständig ein. Als Trotzreaktion knackte Pjöngjang im Nuklearkomplex Yongbyong die Versiegelungen eines stillgelegten Kernreaktors und setzte ihn wieder in Betrieb. Im Januar 2003 verkündete Nordkorea schließlich den Austritt aus dem Kernwaffensperrvertrag. Darüber hinaus wurde das Moratorium für Raketentests als beendet erklärt. Das Land entwickelt zur Zeit Taepodong-2-Raketen mit einer Reichweiten von bis zu 6 200 km, die Japan, Alaska, Hawaii sowie die Westküste der USA erreichen könnten. Mehrmals unternahm das Militär Flugversuche mit Kurzstreckenraketen im Japanische Meer und feuerte einmal sogar eine Mittelstreckenrakete über Japans Hauptinsel Honshu hinweg in den Pazifischen Ozean.

Anfang diesen Jahres verkündete die nordkoreanische Führung den Besitz von Atomwaffen „zur Abschreckung“ eines befürchteten US-amerikanischen Angriffs. Nach Einschätzung der IAEA verfügt das Land gegenwärtig über die industrielle Infrastruktur, um Plutonium waffenfähig zu machen und 5 bis 6 nukleare Sprengköpfe herzustellen. Andere Experten halten sogar eine Anzahl von 8 bis 11 für möglich. Diese Entwicklung löste weltweite Besorgnis und diplomatische Bemühungen mehrerer Staaten aus, die letztlich zu den Sechsergesprächen führten. Doch die Vorstellungen für eine Lösung gingen weit auseinander. Pjöngjang verlangte für den Verzicht auf Nuklearwaffen einen verbindlichen Nichtangriffspakt, ökonomische Hilfe und Energielieferungen. Die Bush-Administration hingegen verfolgte lange einen sturen Kurs, verweigerte echte Zugeständnisse und hoffte auf den wirtschaftlichen Zusammenbruch der Kim-Jong-Il-Regierung mit einem anschließenden Regimewechsel.

Erst die außenpolitischen Fehlschläge, vor allem im Irakkrieg, in Afghanistan und gegenüber dem Iran, zwangen Washington zur Kurskorrektur. Das brachte Pjöngjang nach einjährigem Gesprächsboykott wieder an den Verhandlungstisch und Bewegung in die Diskussion. Am 19. September einigten sich die Teilnehmer dann auf eine gemeinsame Erklärung, in der Nordkorea grundsätzlich den Verzicht auf sein Kernwaffenprogramm akzeptiert, die baldige Rückkehr in den Atomwaffensperrvertrag und die Zulassung von IAEA-Sicherheitskontrollen verspricht. Im Gegenzug geben die USA und die Republik Korea eine Nichtangriffserklärung ab und versprechen, in Südkorea keine Nuklearwaffen zu stationieren. Außerdem bietet Washington die Lieferung von Leichtwasserreaktoren an, die nicht mit waffenfähigem Nuklearmaterial betrieben werden. Schließlich sagen die übrigen Gesprächspartner Pjöngjang Stromlieferungen, wirtschaftliche Hilfe und erweiterte ökonomische Zusammenarbeit zu. Wenn die Vereinbarung hält, könnte es zukünftig neue Perspektiven für die bereits im Jahre 1992 zwischen den beiden Koreas vereinbarte Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel geben.

* Eine gekürzte Fassung des Beitrags erschien in der Tageszeitung "Neues Deutschland" vom 24. Oktober 2005


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