In gegenseitiger Blockade verfangen
Sechsergespräche über eine atomwaffenfreie koreanische Halbinsel kommen nicht in Gang
Von Peter Kirschey *
Sie finden statt, sie finden nicht statt. Nach den jüngsten internen Konsultationen finden sie noch im
Dezember statt – oder doch nicht. Seit einem Jahr liegen die so genannten Sechs-Nationen-
Gespräche über eine atomwaffenfreie koreanische Halbinsel auf Eis.
Zum Ende des Jahres nun soll ein neuer Anlauf unternommen werden. Doch ob sich die
Abgesandten Chinas, der USA, Russlands, Japans sowie Nord- und Südkoreas tatsächlich an
einem Tisch in Peking zusammenfinden werden, steht in den Sternen.
Seit der letzten Sechserrunde hat sich die Lage in der Region deutlich gewandelt. Mit dem ersten
Nuklearversuch im Oktober hat die KDVR vollendete Tatsachen geschaffen, die den weiteren
Verhandlungsverlauf maßgeblich bestimmen dürften und einen Erfolg in weite Ferne rücken lassen.
Nordkorea erwartet nun, als Atommacht behandelt zu werden. Diesen Status wollen die USA und
Südkorea den Nordkoreanern nicht zugestehen. Dass es tatsächlich eine nukleare
Versuchsexplosion gab, davon gehen inzwischen alle Beobachter aus. Ob es ein fehlgeschlagenes
Experiment war und tatsächlich eine weit größere Ladung gezündet werden sollte, darüber streiten
sich die Geheimdienste zwischen Seoul, Tokio und Washington. Wie groß das nordkoreanische
Nuklearpotenzial ist, auch darüber gibt es unterschiedliche Auffassungen. Von Plutoniummengen für
ein bis zwei Bomben ist die Rede, aber auch von 20 bereits fertiggestellten Nuklearwaffen. Zu
befürchten ist, dass mit jedem Vorbedingungsberg die KDVR weitere Waffen herstellt.
Letzte Meldungen: Gespräche kommen in Gang!
Der Termin für die nächste Runde der Sechs-Nationen-Gespräche zum nordkoreanischen Atomprogramm steht fest: Die Verhandlungen beginnen nächste Woche Montag (18. Dezember) in Peking, wie das chinesische Außenministerium am 11. Dez. mitteilte. An der Sechser-Runde sind neben Nordkorea, China und den USA auch Südkorea, Japan und Russland beteiligt. Ziel ist der Verzicht der kommunistischen Führung in Pjöngjang auf Atomwaffen.
Der designierte Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki Moon, wird nach seinem Amtsantritt womöglich nach Nordkorea reisen, um im Atomstreit zu vermitteln. "Wenn es angemessen ist, werde ich auch selbst nach Pjöngjang reisen, um mich in den Dialog einzuschalten", sagte der frühere südkoreanische Außen- und Handelsminister der "Die Welt" (Ausgabe vom 9. Dez.). Zudem plane er, einen Sondergesandten zu ernennen, der ihn bei einer Lösung des Nordkorea-Konflikts unterstützen werde.
Sicher dürfte sein, dass die Nordkoreaner ihr Atomprogramm nicht »einseitig« aufgeben werden, wie
es ihr Sondergesandter und Vize-Außenminister Kim Kye Gwan formulierte. Im Klartext: Die atomare
Abrüstung soll das Ergebnis und nicht die Voraussetzung von Gesprächen sein. Das Land hatte
zwar vor einem Jahr grundsätzlich dem Verzicht auf ein eigenes Atomprogramm zugestimmt, doch
war der Verhandlungsfaden danach völlig abgerissen. Die USA hatten Nordkorea beschuldigt,
Fälscherwerkstätten für Dollarnoten eingerichtet zu haben und das eingeschnürte Land mit weiteren
Finanz- und Wirtschaftssanktionen belegt. Dies hatte zu wütenden Reaktionen Pjöngjangs geführt.
Dort fühlte man sich in der Haltung bestätigt, dass der Test eine »Maßnahme zur Selbstverteidigung
gegen die nukleare und finanzielle Bedrohung durch die USA« sei.
Zum aktuellen Forderungskatalog Nordkoreas gehört, diese Sanktionen sofort aufzuheben. Hinter
den Kulissen verhandeln nun die USA und die KDVR, wie das delikate Problem ohne
Gesichtsverlust für eine der beiden Seiten aus der Welt zu schaffen sei. Nordkorea wird sich jedes
Einlenken mit hoher Wirtschaftshilfe honorieren lassen, denn die Führung steht auf dem Standpunkt,
dass alle wirtschaftlichen Schwierigkeiten der letzten Jahre in der Blockadepolitik der USA ihre
Ursachen haben. Und bevor sich die Amerikaner nicht bewegen und auf die Nordkoreaner zugehen,
ist an einen Erfolg nicht zu denken.
Gleichzeitig ist Nordkorea der Auffassung, Japan habe eigentlich am Verhandlungstisch nichts zu
suchen, da der Inselstaat »nicht mehr als ein Staat der USA« sei, wie die nordkoreanische Agentur
KCNA konstatierte. Es reiche völlig aus, wenn Japan durch die USA über den Stand der
Verhandlungen informiert werde. Schon einmal – als Japan gegen nordkoreanische Raketentests
protestierte – war die Forderung laut geworden, das Land vom Verhandlungstisch zu verbannen.
Tatsächlich halten die Nordkoreaner Gespräche der Sechserrunde für überflüssig. Der einzig
akzeptable Verhandlungspartner aus nordkoreanischer Sicht sind die USA. Da nach
nordkoreanischer Lesart der Krieg 1950 bis 1953 eine amerikanische Aggression, die Nachkriegszeit
durch die amerikanische Besetzung Südkoreas geprägt war und es die Amerikaner sind, die
Nordkorea mit einem Atomkrieg überziehen wollen, sollten alle Fragen von Krieg und Frieden
zwischen den beiden Seiten entschieden werden. Ein solches Vorgehen lehnen die USA jedoch ab.
Damit führt die gegenseitige Blockadehaltung zu einer unverändert angespannten Lage entlang der
Demarkationslinie. Noch immer ist der Kriegszustand seit 1953 nur ausgesetzt.
Südkorea hofft auf Erfolge im Atomstreit mit dem verfeindeten Bruder und auf mehr Flexibilität der
Amerikaner, denn im Land mehren sich die Stimmen, die ein Ende der so genannten
Sonnenscheinpolitik gegenüber Nordkorea befürworten und auf einen harten Kurs setzen.
* Aus: Neues Deutschland, 7. Dezember 2006
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