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US-Druck auf KDVR verstärkt

Neue Wirtschafts- und Finanzsanktionen gegen Pjöngjang avisiert

Angesichts der jüngsten Spannungen auf der Halbinsel erhöhen die USA den Druck auf die Koreanische Demokratische Volksrepublik (KDVR).

US-Außenministerin Hillary Clinton kündigte am Mittwoch (21. Juli) nach Gesprächen in Südkorea neue Wirtschafts- und Finanzsanktionen gegen Pjöngjang an. Sie sollen sich vor allem gegen dessen Atomwaffen- und Raketenprogramme richten. Auch wollen die USA damit Nordkorea für das mutmaßliche Versenken eines südkoreanischen Kriegsschiffes vor knapp vier Monaten bestrafen. Durch den Vorfall haben sich die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel deutlich verschärft.

Mit einer Reihe von Maßnahmen wolle Washington die Fähigkeit verbessern, Nordkorea an der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen (Proliferation) zu hindern, sagte Clinton in Seoul. Außerdem sollen die illegalen Aktivitäten zur Finanzierung seiner Waffenprogramme gestoppt und weitere Provokationen Nordkoreas verhindert werden.

Die KDVR warf den USA ihrerseits eine »destabilisierende, illegale und provokative Politik« vor. Clinton versicherte, die Strafmaßnahmen seien »nicht gegen die Menschen in Nordkorea gerichtet, die wegen der fehlgeleiteten Prioritäten ihrer Regierung bereits zu lange gelitten haben«.

Details waren zunächst nicht bekannt. Doch betonte Clinton, mit der Verhängung »neuer länderspezifischer Sanktionen« sollten insbesondere Nordkoreas Verkauf und Beschaffung von Waffen sowie der Import von Luxusgütern und »andere illegalen Aktivitäten« getroffen werden. Zusätzlich sollen die Aktionen gegen KDVR-Unternehmen verstärkt werden, die in Proliferationsaktivitäten verwickelt seien. Damit wollen die USA die Umsetzung der Resolutionen stärken, die der Weltsicherheitsrat unter anderem wegen der beiden nordkoreanischen Atomtests von 2006 und 2009 beschlossen hatte.

Clinton bekräftigte das Angebot Washingtons an Nordkorea, im Gegenzug zum überprüfbaren Abbau des Atomprogramms unter anderem Energiehilfe zu leisten, die Beziehungen zu den USA zu normalisieren und einen Friedensvertrag zu schließen. Als Zeichen der Bündnispolitik mit Südkorea hatten Clinton und US-Verteidigungsminister Robert Gates zuvor in Panmunjom die entmilitarisierte Zone an der Grenze besucht. Zweck des Besuchs sei es, ein »starkes Signal an Nordkorea, die Region und die Welt zu senden, dass unser Engagement für die Sicherheit Südkoreas beständig ist«, wurde Gates von Medien zitiert.

Anschließend kamen Clinton und Gates in Seoul zu einem gemeinsamen Treffen mit ihren südkoreanischen Amtskollegen, Außenminister Yu Myung Hwan und Verteidigungsminister Kim Tae Young, zusammen. Das Treffen der Vier war seit langem zum Gedenken des 60. Jahrestags des Beginns des Koreakriegs (1950-53) am 25. Juni geplant.

Im Konflikt um die versenkte Korvette »Cheonan« warnten die Minister Nordkorea vor »weiteren Angriffen oder Feindseligkeiten gegen Südkorea«. Nordkorea müsse in diesem Fall mit ernsten Konsequenzen rechnen. Sie forderten Pjöngjang auf, die Verantwortung für den Untergang zu übernehmen. Ein internationales Ermittlerteam war zu dem Ergebnis gekommen, dass das Schiff im März nach einem nordkoreanischen Torpedoangriff gesunken war.

* Aus: Neues Deutschland, 22. Juli 2010


Ende der Flitterwochen

Nach Untergang eines südkoreanischen Kriegsschiffes Ende März gingen die USA auf Konfrontationskurs zu China. Nun verschärft Washington die Spannungen erneut

Von Rainer Rupp **


Der Honeymoon zwischen Peking und Washington, der zuletzt im UN-Sicherheitsrat in einer gemeinsamen Front gegen Iran kulminierte, war nur von kurzer Dauer. Denn China sieht in der Politik, welche die USA gemeinsam mit Südkorea derzeit betreiben, nichts anderes als den Versuch der Obama-Administration, in Asien die Volksrepublik diplomatisch und strategisch zu isolieren und eine verstärkte US-Präsenz in der Region zu rechtfertigen.

Vor anderen öffentlich getadelt zu werden, heißt das Gesicht zu verlieren. Und das ist in Asien eine besonders schlimme Beleidigung. Genau dies hat sich US-Präsident Barack Obama am 27. Juni während des G-20-Treffens im kanadischen Toronto zuschulden kommen lassen, als er seinem chinesischen Amtskollegen Hu Jintao in aller Öffentlichkeit eine schallende politische Ohrfeige versetzte. Er forderte China auf, seine »absichtliche Blindheit« bezüglich Nordkorea aufzugeben. Zugleich rühmte sich Obama gegenüber der Presse, im Gespräch mit Präsident Hu habe er »unverblümt« über das Thema gesprochen und klar gemacht, daß es »einen Unterschied zwischen Zurückhaltung und absichtlicher Blindheit gegenüber einem hartnäckigen Problem gibt«.

Zweifelhafte Beweise

Washingtons »hartnäckiges Problem« ist Nordkorea und Präsident Hus »absichtliche Blindheit« war seine Weigerung, im UN-Sicherheitsrat der amerikanischen Initiative zu folgen und den nordkoreanischen Nachbarn wegen des sogenannten Cheonan-Vorfalls zu verurteilen. Das auf die U-Bootabwehr spezialisierte, hochmoderne südkoreanische Kriegsschiff »Cheonan« war am 26. März während eines amerikanisch-südkoreanischen Manövers in Küstennähe unweit der Demarkationslinie zwischen den verfeindeten Staaten im Norden und Süden Koreas unter mysteriösen Umständen gesunken. Es riß dabei einen Teil der Besatzung, 46 Matrosen, in den Tod.

Wegen andauernder Stürme und gefährlicher Strömungen hatte die amerikanisch-südkoreanische Kommission, die den Untergang untersuchte, große Schwierigkeiten voranzukommen. Das Wrack lag zwar in nur etwa 50 Metern Tiefe, aber die Unfallstelle ist von Riffen umgeben. Obwohl die Operationsmöglichkeiten für Unterwasserfahrzeuge daher denkbar schlecht sind, kam das Gremium am 20.Mai zu dem Schluß, daß ein nordkoreanisches Mini-U-Boot die »Cheonan« mit einem Torpedo versenkt habe. Dafür habe man »unumstößliche Beweise« gefunden. In Toronto forderte Obama dann von China erneut eine »kristallklare« Verurteilung Pjöngjangs im UN-Sicherheitsrat, denn Nordkorea habe eindeutig »die Linie überschritten«.

Allerdings wurden die »unumstößlichen Beweise« der südkoreanisch-amerikanischen Kommission anfangs sogar in Medien Seouls als äußerst zweifelhaft bezeichnet und ironisiert. Anfang Mai war der nordkoreanische Staatschef Kim Jong Il mit Experten in seinem Sonderzug - er meidet Flugzeuge - nach Peking gefahren und hatte seine Version der Dinge vorgebracht. Seither hat es von dort nicht einmal eine verklausulierte Verurteilung Nordkoreas in dieser Sache gegeben. Und China lehnte es ab, dieses Thema im UN-Sicherheitsrat zu behandeln. So kann davon ausgegangen werden, daß es zum Ärger Washingtons eher der Version des Nordens glaubt.

Derweil nutzten regierungsnahe südkoreanische Zeitungen wie Chosun Ilbo die Situation für eine Propagandainitiative: Die Tatsache, daß sich China weigere, Nordkorea zu verurteilen, habe die Spannungen in Fernost erhöht. Damit habe Peking seine Position als regionale Führungsmacht verspielt und bringe sogar »die Atmosphäre des Kalten Krieges zurück«, weil es bei der südkoreanisch-amerikanischen »Cheonan«-Kampagne nicht mitmache.

Militärische Karte

China interpretierte Obamas Offensive und die Attacken Seouls offensichtlich als einen Versuch Washingtons, Peking in der Korea-Frage an den Rand zu schieben und sich selbst und Südkorea in den Führersitz zu heben. Seine Antwort ließ nicht lange auf sich warten. In einem Leitartikel der Volkszeitung, dem Zentralorgan der Kommunistischen Partei, unter dem Titel »Blindheit gegenüber Chinas Bemühungen auf der (koreanischen) Halbinsel« wurden Obamas Bemerkungen als »unverantwortlich und leichtfertig« bezeichnet. Ohne Chinas Mitarbeit hätte es keine Sechsergespräche (über die Verschrottung der nordkoreanischen Atomwaffen) gegeben. Selbst ein neuer Korea-Krieg wäre möglich gewesen, mahnte die Zeitung. Um die Spannungen auf der Halbinsel zu lösen, müßten alle Beteiligten die Überbleibsel des Kalten Krieges über Bord werfen und neue Wege gehen. Zudem könnten die USA nicht ignorieren, daß China in dieser Situation die effektivste Kommunikationsverbindung (nach Nordkorea) sei. Zugleich kündigte Peking ein Flottenmanöver mit scharfer Munition im Ostchinesischen Meer an, um eine ähnliche US-südkoreanische Gefechtsübung im Gelben Meer zwischen der koreanischen Halbinsel und dem chinesischen Festland zu parieren. Offensichtlich ist Peking anders als früher dazu bereit, die militärische Karte zu spielen.

** Aus: junge Welt, 22. Juli 2010


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