"Wiedervereinigungs-Pfannen" helfen beim Brückenschlag
Spekulationen um die China-Reise des KDVR-Staatschefs Kim Jong Il
Von Peter Kirschey*
Das Rätselraten hat ein Ende: Der Führer der KDVR, Kim Jong Il, ist in die Heimat zurückgekehrt.
Seine China-Reise hatte in den letzten Tagen zu wilden Spekulationen südkoreanischer
Geheimdienste geführt.
Von »Verschwinden« und »Untertauchen« war die Rede. Der »Geliebte Führer« hat von seinem
Vater Kim Il Sung, dem »Großen Führer«, nicht nur die Macht, sondern auch die Art zu reisen
übernommen. Wenn Kim Jong Il nahe oder ferne Regionen besucht, dann nimmt er den Zug und
kein anderes Verkehrsmittel. So auch diesmal.
Es war die vierte Reise Kims in das Nachbarland, und offiziell bestätigt wurden die Besuche stets
erst nach Abschluss der Bahntouren. Für Vermutungen, Kim Jong Il hätte sich nach China
abgesetzt, bestand also kein Grund.
Kims Reise diente offensichtlich der Sammlung von Erfahrungen im Umgang mit
Sonderwirtschaftszonen. Seit 1980 hat sich die chinesische Region Shenzhen zu einem
aufblühenden Gemeinwesen entwickelt; Ähnliches soll rund um das nordkoreanische Käsong
geschehen. Dort, nördlich der Demarkationslinie, entsteht nach dem Willen beider koreanischer
Staaten ein Industriepark.
In einem ersten Abschnitt haben sich dort 15 südkoreanische Unternehmen angesiedelt. Während
zwischen Nord- und Südkorea keine Telefonverbindungen existieren, außer einem so genannten
Roten Telefon zwischen den Militärführungen, sind die Betriebe in Käsong mit dem Süden
verbunden. Die Unternehmen werden mit südkoreanischer Energie versorgt. Hergestellt werden
Haushaltsartikel, Textilien und Baustoffe. So produziert die Firma Living Art »Wiedervereinigungs-
Pfannen« in verschiedenen Größen. In den Betrieben arbeiten rund 4000 Arbeiter aus der KDVR für
einen durchschnittlichen Lohn von knapp 60 Dollar im Monat. Wenn der Wirtschaftspark fertig
gestellt ist, sollen dort 70 000 Arbeitskräfte tätig sein. Vom Anschluss an die Wasser- und
Energieversorgung des Industriekomplexes Käsong profitiert auch die gleichnamige Stadt.
Doch Kim Jong Il wird seine Visite in China auch dazu genutzt haben, um im leidigen Atomstreit um
Verständnis für seine Position zu werben. Obwohl im letzten Herbst ein Durchbruch bei den
Sechsergesprächen – KDVR, Republik Korea, USA, China, Russland und Japan – gefeiert wurde,
hat sich im Kern nichts bewegt.
Während die USA weiter die Daumenschrauben ansetzen, traten die Nordkoreaner wieder einmal
auf die Bremse. Anfang des Jahres betonte die KDVR in einer von allen Staatsmedien verbreiteten
Erklärung noch einmal die Grundsätze ihrer Atompolitik: Einstellung des Nuklearprogramms als
Gegenleistung für Sicherheitsgarantien und Wirtschaftshilfen durch die USA.
Nordkorea strebe nach wie vor eine atomwaffenfreie koreanische Halbinsel an. Dafür müssten die
USA aber ihre Erpressungspolitik aufgeben.
Im November war es zu einem heftigen Schlagabtausch zwischen Nordkorea und den USA
gekommen. Washington hatte Sanktionen gegen acht KDVR-Firmen und eine Bank in Macao
verhängt, weil sie bei der Verbreitung gefälschter Dollarnoten geholfen haben sollen.
Daraufhin zog sich Pjöngjang vom Verhandlungstisch zurück und forderte das sofortige Ende der
Sanktionen.
Mit Kims China-Besuch wird zum wiederholten Male ein Neuanfang versucht: Am Rande der Visite
trafen sich nordkoreanische und US-amerikanische Unterhändler. Der Verhandlungsfaden ist wieder
aufgenommen.
* Aus: Neues Deutschland, 20. Januar 2006
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