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Atomkurs gestoppt

Pjöngjang will positive Atmosphäre für Verhandlungen mit den USA schaffen

Von Knut Mellenthin *

Die Demokratische Volksrepublik Korea (DVRK) hat am Mittwoch eine Reihe von vertrauensbildenden Schritten angekündigt, um die bilateralen Gespräche mit den USA zu erleichtern. Die Maßnahmen sollen dazu dienen, eine »positive Atmosphäre« für diese Verhandlungen zu gewährleisten, und in Kraft bleiben, »während der positive Dialog weitergeht«. Entgegen anders lautenden Meldungen gibt es bisher keine offizielle Verpflichtung Washingtons zu irgendwelchen Gegenleistungen. Das gilt auch für die in diesem Zusammenhang meistens genannte Lieferung von Nahrungsmitteln.

Auffallend ist, daß der Inhalt der angekündigten Maßnahmen von den beteiligten Seiten unterschiedlich wiedergegeben wird. Nach Darstellung der amtlichen nordkoreanischen Nachrichtenagentur KCNA hat die Regierung in Pjöngjang »auf Bitten der USA« einem Moratorium für Atomwaffenversuche, für den Abschuß von Langstreckenraketen und für die Aktivitäten zur Urananreicherung in ihrem Atomkomplex bei Jongbjon zugestimmt. Außerdem will sie der Internationalen Atomenergiebehörde gestatten, die Unterbrechung der Anreicherung zu überwachen.

Darüber hinausgehend behauptete die Sprecherin des US-Außenministeriums, Victoria Nuland, am Mittwoch, daß die Demokratische Volksrepublik auch der Überprüfung der Stillegung des Fünf-Megawatt-Reaktors in Jongbjon und der damit in Zusammenhang stehenden Anlagen durch die IAEA zugestimmt habe. Davon ist jedoch in der von KCNA veröffentlichten Erklärung nicht die Rede. Tatsächlich hat Nordkorea seinen alten Reaktor dort vor einigen Jahren aufgrund früherer Vereinbarungen stillgelegt und Teile davon, etwa den Kühlturm, sogar demontiert. Inzwischen wird dort aber ein neuer Leichtwasserreaktor gebaut, der Meldungen zufolge in diesem Jahr betriebsfertig werden soll.

Das nordkoreanische Atomprogramm ist seit den frühen 1990er Jahren – damals noch unter US-Präsident William Clinton – Gegenstand von Verhandlungen und Drohgesten zwischen Washington und Pjöngjang. Nachdem die USA ihre Zusagen, unter anderem zur Lieferung von zwei Leichtwasserreaktoren, nicht einhielten, ging Nordkorea seinerseits auf Konfrontationskurs. Im Oktober 2006 und im Mai 2009 unternahm das Land nukleare Versuchsexplosionen. Es verfügt nach unterschiedlichen Schätzungen über Plutonium für sechs bis neun Atombomben. Ob es diese gegebenenfalls auch einsetzen könnte, ist allerdings nicht bekannt.

Seit 2003 wurde über das Atomprogramm und andere Streitfragen im Rahmen der Sechsergespräche diskutiert. Beteiligt waren außer den beiden koreanischen Staaten auch China, die USA, Rußland und Japan. Pjöngjang zog sich im April 2009 aus diesem Verhandlungskreis zurück und wies gleichzeitig die Inspektoren der IAEA aus. Äußerer Anlaß für diesen Schritt war eine Resolution des UN-Sicherheitsrats, mit der die Demokratische Volksrepublik ohne rechtliche Grundlage für den versuchten Start eines Weltraumsatelliten verurteilt wurde.

Mittlerweile hat Nordkorea mehrmals öffentlich die Bereitschaft und den Wunsch geäußert, die Sechsergespräche wieder aufzunehmen. Es wird darin von China und Rußland unterstützt. Dagegen sperren sich aber die USA und Südkorea. Washington macht eine Rückkehr zum alten Verhandlungsprocedere von der Erfüllung ungenau formulierter Bedingungen abhängig: Nordkorea müsse erstens seine Beziehungen zum Süden des geteilten Landes erheblich verbessern, und es müsse zweitens durch Vorleistungen seine »ehrliche Absicht« unter Beweis stellen, zu einer Einigung über sein Atomprogramm zu kommen.

Praktisch hat sich die US-Regierung damit eine günstigere Position verschafft. Seit vorigem Sommer fanden drei bilaterale Treffen mit der nordkoreanischen Seite statt: im Juli 2011 in New York, im Oktober 2011 in Genf und schließlich jetzt noch einmal am 23. und 24. Februar in Peking. Angeblich hatte man schon kurz vor einer Einigung gestanden, als der Staats- und Parteiführer Kim Jong-Il am 17. Dezember überraschend starb.

* Aus: junge Welt, 2. März 2012


Spannungsabbau in Fernost

Nordkorea und USA nähern sich in Atomfrage an **

Nach der Einigung zwischen Pjöngjang und Washington ist die Wiederaufnahme der Sechs-Staaten-Gespräche über das nordkoreanische Atomprogramm nähergerückt. Die am Mittwoch erzielte Einigung sieht eine Aussetzung des Atomprogramms im Tausch für Nahrungsmittelhilfen aus den USA vor.

Seoul/Peking (dpa/nd). Die Nachbarländer der (Nord)-Koreanischen Demokratischen Volksrepublik (KDVR) haben die Zugeständnisse der neuen Führung in Pjöngjang im Atomstreit begrüßt. Das Außenministerium der Republik (Süd)-Korea in Seoul äußerte am Donnerstag die Hoffnung, dass die Vereinbarungen zwischen KDVR und USA über erste Schritte zum Abbau des nordkoreanischen Atomprogramms »gewissenhaft umgesetzt werden«. Die Zugeständnisse der KDVR seien beachtenswert, hieß es. Diese Schritte seien von Pjöngjang gefordert worden, um eine günstige Atmosphäre für die Wiederaufnahme der Mehrparteiengespräche über sein Atomprogramm zu schaffen.

Die USA hatten am Vortag mitgeteilt, dass die KDVR im Gegenzug für amerikanische Nahrungsmittelhilfe die Urananreicherung sowie Atomtests und Tests von Langstreckenraketen aussetzen wolle. Die Führung in Pjöngjang bestätigte in einer eigenen Erklärung die Angaben. US-Außenministerin Hillary Clinton bezeichnete sie als »moderaten Schritt in die richtige Richtung.«

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon rief alle beteiligten Parteien auf, den Konflikt friedlich zu lösen. China ermutige KDVR und USA, ihre Beziehungen zu verbessern und ihre Beiträge zur Wahrung von Frieden und Stabilität auf der koreanischen Halbinsel zu leisten, sagte der Sprecher des Außenministeriums in Peking, Hong Lei. Teilnehmer an den seit drei Jahren ausgesetzten Verhandlungen sind auch Südkorea, Japan und Russland.

Russland hat die Ankündigung der KDVR ebenfalls begrüßt. »Dies ist ein positives Beispiel dafür, wie Anstrengungen verschiedener Parteien, die ein gemeinsames Ziel verfolgen, zu einer für alle Seiten akzeptablen Lösung in einer sehr schwierigen Situation führen können«, teilte das Außenministerium in Moskau am Donnerstag auf seiner Internetseite mit.

Auch der japanische Außenminister Koichiro Gemba bezeichnete in Tokio die Zugeständnisse Nordkoreas als »wichtigen Schritt« zur Lösung der Probleme auf der koreanischen Halbinsel.

* Aus: neues deutschland, 2. März 2012


Fernöstliche Wende

Von Roland Etzel **

Die Nachricht vom Tête-à-tête Pjöngjang-Washington kommt überraschend - sofern man die martialische Sprache, die man in Korea gelegentlich pflegt, immer für bare Münze nimmt. Am Montag noch hatte der Norden angesichts eines Manövers der USA der anderen Seite mit nichts weniger als »heiligem Krieg« gedroht. Das klingt verstörend, ist aber im Politikgeschäft kaum verständigungsfeindlicher als die verächtliche Attitüde, mit der im Westen beinahe jeder Vorgang in Nordkorea kommentiert wird. Die jetzige Bereitschaft Pjöngjangs, über sein Atomprogramm zu reden, sollte man dennoch als Beleg dafür werten, was bei halbwegs gutem Willen aller Seiten sofort möglich ist. Möge man sich daran auch erinnern, wenn über Iran gesprochen wird.

Beim eigentlichen Punkt, der Fortsetzung der Gespräche zum Atomprogramm Nordkoreas, könnte es dennoch schwieriger geworden sein. Der Westen insgesamt hat gerade in Libyen verdeutlicht, wie er mit Staaten umzuspringen gedenkt, die von ihm zu feindlichen Außenseitern erklärt wurden - sofern man sicher sein darf, dass die sich nicht mit Massenvernichtungswaffen wehren können. Ein Argument für Pjöngjang, ohne Garantien auf diese Waffe zu verzichten, ist das nicht.

*** Aus: neues deutschland, 2. März 2012 (Kommentar)


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