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"Militärische Drohungen und wirtschaftliche Sanktionen sind nutzlos und bewirken das Gegenteil"

Weltweite Kritik an Nordkoreas Atomwaffentest - Erste Stellungnahmen

Der Atomwaffentest Norkoreas am 9. Oktober 2006 ist weltweit auf Kritik und Ablehnung gestoßen (vgl. auch "Atomwaffentest in Nordkorea"). Im Folgenden dokumentieren wir eine Reihe von Stimmen aus dem politischen Raum Deutschlands. In die allgemeine Empörung mischen sich zum Teil auch kritische Überlegungen, wie dem Atomwaffenproblem, das ja nicht auf Nordkorea beschränkt ist, begegnet werden kann.



Nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA gibt Atomwaffentest bekannt

Die staatliche nordkoreanische Nach­richtenagentur KCNA gab am Montag einen Atomwaffentest des ost­asiatischen Landes bekannt. Im folgenden der von AFP übersetzte und verbreitete Wortlaut der Meldung aus Pjöngjang:

Das wissenschaftliche Forschungsteam der Demokratischen Volksrepublik Korea hat am 9. Oktober des 95. Jahres des "Juche"-Zeitalters * (am 9. Oktober 2006) erfolgreich und sicher einen unterirdischen Atomtest durchgeführt, zu einer heldenhaften Zeit, in der die ganze Bevölkerung des Landes einen großen Sprung macht hin zum Aufbau einer großen, mächtigen und wohlhabenden sozialistischen Nation. Es ist bestätigt worden, daß der Kernkrafttest keinerlei Gefahr – wie radioaktive Strahlung – nach sich zieht, weil er nach wissenschaftlichen Betrachtungen und sorgsamen Berechnungen vollzogen worden ist.

Der Atomtest wurde dank der Weisheit und einer zu hundert Prozent einheimischen Technik verwirklicht. Er stellt ein historisches Ereignis dar, denn er ermutigt und befriedigt die koreanische Volksarmee und das Volk zutiefst, die eine starke und unabhängige Verteidigungsmacht wollen. Er wird dazu beitragen, den Frieden und die Stabilität auf der koreanischen Halbinsel und in der umliegenden Region zu verteidigen.

* Das "Juche"-Zeitalter Nordkoreas begann mit der Geburt des "Großen Führers" Kim Il Sung im Jahr 1912. Der Vater des heutigen Staatschefs Kim Jong Il starb 1994.

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Linksfraktion zum nordkoreanischen Atomwaffentest

Norman Paech, außenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, erklärte zum Atomwaffentest:

Die Linke verurteilt aufs schärfste den nordkoreanischen Atomwaffentest. Diese Testexplosion ist ein alarmierendes Zeichen für die anhaltende Gefahr durch die weltweite Atomrüstung.

Der Schritt Nordkoreas zeigt, daß militärische Drohungen und wirtschaftliche Sanktionen ungeeignete Mittel sind, um Staaten von Atomwaffenplänen abzubringen. Die Gefahr ist jetzt noch größer, daß auch andere Staaten diesem negativen Beispiel folgen.

Die Regierung Nordkoreas kann von diesem falschen und gefährlichen Weg offenbar nur abgebracht werden, wenn ihr mehr Anreize geboten werden, um das Land aus der Isolation zu holen. Nur neue Angebote an Nordkorea und ernsthafte Verhandlungen können jetzt noch Schlimmeres verhindern.

Auch gegenüber dem Iran werden militärische Drohungen und wirtschaftliche Sanktionen, wie sie derzeit im UN-Sicherheitsrat debattiert werden sollen, nutzlos sein und das Gegenteil bewirken.

Der Atomwaffensperrvertrag steht jetzt vor dem Scheitern. Die Atommächte haben den Vertrag zu lange nur als Garantie für ihr Atomwaffenmonopol betrachtet. Ihren darin enthaltenen Abrüstungsverpflichtungen sind sie nicht nachgekommen. Selbst in Deutschland sind, mit Zustimmung der Bundesregierung, noch immer US-Atomwaffen stationiert. (...)

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Ärzte verurteilen nordkoreanischen Atomtest

Die Organisation Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs haben Nordkorea nach dem Nukleartest Vorwürfe gemacht. Die kommunistische Führung vernachlässigt demnach die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung.

«In aller Schärfe» haben die internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) den nordkoreanischen Nukleartest verurteilt. «Jeder Atomtest gefährdet die Gesundheit und die Umwelt», sagt Xanthe Hall, Abrüstungsexpertin der IPPNW. Deutsche Geologen sehen es bislang jedoch nicht als erwiesen an, dass tatsächlich eine Atombombe gezündet wurde.

«Prekäre Gesundheitslage»

Studien der IPPNW und anderer Fachorganisationen belegten, dass die Atomtests der vergangenen 50 Jahre weltweit der Gesundheit der Menschen und der globalen Umwelt erhebliche Schäden zugefügt haben. Selbst bei unterirdischen Nukleartests kann es zur Freisetzung von radioaktiven Isotopen durch Risse im Erdboden kommen, teilte die Organisation mit. Langfristig werde zudem die Umwelt, insbesondere das Grundwasser, verseucht.

Den Gesundheitszustand der nordkoreanischen Bevölkerung beurteilen die IPPNW nach mehrfachen Besuchen mit Ärztedelegationen als «äußerst prekär». Große Teile der Bevölkerung, insbesondere Kinder, seien unterernährt. Durch die hohen Ausgaben für die Atomwaffen-Entwicklung würden notwendige Ressourcen von der Gesundheitsversorgung abgezogen.

«Mehr Menschen werden durch ihre Entwicklung sterben, weil sie noch weniger zu essen bekommen und die Gesundheitsversorgung noch schlechter wird», sagt Hall. Dennoch gelte es jetzt diplomatische Wege zu nutzen und keine militärische Eskalation zuzulassen, fordert sie von der internationalen Gemeinschaft.

Erschütterungen in Österreich

Das automatische Detektionssystem der Comprehensive Nuclear Test Ban Treaty Organization (CTBTO) in Wien hat am Montag in den frühen Morgenstunden Erschütterungen aufgefangen, die von Nordkorea ausgingen. Die Quelle liege wahrscheinlich in dem vermuteten Testgebiet Punggye-yok in der Provinz Nord Hamgyong.

Die errechnete Ladungsstärke der gezündeten Bombe liegt im Bereich von etwa einer Kilotonne herkömmlichen Sprengstoffs. Ob es sich tatsächlich um eine Nuklearexplosion handelt, könne jedoch erst bestätigt werden, wenn radioaktive Partikel in der Atmosphäre nachgewiesen werden, teilte das Geozentrum Hannover mit. (nz)

09. Okt 13:57, ergänzt 14:00

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Die einzige Chance: Wiederaufnahme der 6-Parteien-Gespräche mit Nordkorea

AG Außenpolitik

Zum Atombombentest Nordkoreas erklärt die stellvertretende außenpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Uta Zapf:

Nordkorea hat seine Ankündigung wahr gemacht und offensichtlich einen unterirdischen Atomtest durchgeführt. Dies wurde von russischen Überwachungssystemen bestätigt. Letzte Gewissheit über die Natur dieses Testes werden die Auswertungen der Comprensive Test Ban Treaty Organisation (CTBTO) in Wien, die über ein weltweites, internationales Monitoringsystem verfügt, in wenigen Tagen erbringen.

Der Atomtest Nordkoreas stellt nicht nur eine weitere katastrophale Eskalationsstufe im nordkoreanischen Nuklearkonflikt dar, sondern ist auch ein weiterer schwerer Schlag gegen das internationale Nichtverbreitungsregime.

Am vergangenen Freitag, den 6. Oktober, hatte der Sicherheitsrat noch vor einem Test gewarnt und ihn als klare Bedrohung des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit bezeichnet.

Der Test wirft ernsthafte sicherheitspolitische Probleme für die Region auf. China und Japan wollen gemeinsam Druck auf Nordkorea ausüben. Neuseeland hatte Nordkorea aufgefordert auf den Test zu verzichten.

Die Folgen dieses Testes lassen sich nicht abschätzen. Ohne Zweifel wird der Vorgang Auswirkungen auf die Kontroverse um das iranische Atomprogramm haben. Ein atomares Wettrüsten muss verhindert werden, denn viele Nicht-Kernwaffenstaaten sowohl in der asiatischen Region als auch im Mittleren Osten könnten versucht sein, eigene Atomwaffen zu erlangen.

Der Sicherheitsrat wird sich auf Antrag der Vereinigten Staaten und Australiens mit dem Test befassen.

Wichtig ist das gemeinsame Auftreten der internationalen Gemeinschaft. Die entscheidende Frage ist, wie man Nordkorea wieder an den Verhandlungstisch zurückholen kann.

Wir wollen Nordkorea bei seinen internen Problemen unterstützen, dafür muss es aber auch Kompromissbereitschaft zeigen. Wir fordern Nordkorea auf, seine destruktive Atompolitik zu beenden und zu den 6-Parteien-Gesprächen zurückzukehren.

Es wird nicht ausreichen, Sanktionen und Zwangsmittel anzudrohen, sondern die internationale Völkergemeinschaft muss endlich wieder ernsthafte Anstrengungen zur Rettung des Atomwaffensperrvertrages unternehmen. Besonders die fünf offiziellen Atomwaffenstaaten müssen ihre Verpflichtungen zur Abrüstung einlösen und ihre Strategien überdenken. Wer mit dem Einsatz von Nuklearwaffen droht, fördert das Streben anderer Staaten nach eigenen nuklearen Abschreckungspotenzialen.

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Nordkorea – Unverantwortliche Eskalation

Stellvertretender Fraktionsvorsitzender

Aus Anlass von Berichten über einen möglichen nordkoreanischen Nukleartests erklärt der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Walter Kolbow:

Nordkorea hat sich über die Warnungen der internationalen Staatengemeinschaft hinweggesetzt und offenbar eine Atombombe gezündet.

Die SPD-Bundestagsfraktion verurteilt den Atomwaffentest des nordkoreanischen Regimes. Dieser Schritt hin zu einer Atommacht bedeutet nicht mehr Sicherheit für die Menschen in Nordkorea, sondern eine Verschärfung der Sicherheitslage in der gesamten Region.

Wir unterstützen die Bundesregierung in ihrer Forderung an die Regierung Nordkoreas, ihre Nuklearwaffen- und Raketenprogramme unverzüglich einzustellen und weitere Tests zu unterlassen.

Der Wunsch Nordkoreas, in sicheren Grenzen leben zu können, ist zwar berechtigt und verständlich. Dies jedoch über eine nukleare Bewaffnung absichern zu wollen, ist ein gefährlicher Irrweg. Die von der nordkoreanischen Regierung öffentlich proklamierten Ziele lassen sich nur auf dem Weg des Dialogs erreichen. Hierzu gibt es bereits das Format der so genannten 6-Parteien-Gespräche, das Nordkorea ernsthaft nutzen sollte.

Es wird nun darauf ankommen, politische Wege aus der äußerst angespannten Situation zu finden. Verantwortungsvolles politisches Handeln ist das Gebot der Stunde. Es muss verhindert werden, das die nordkoreanische Regierung den Weg der Eskalation weitergeht.

Auch wenn unser politisches Ziel einer nuklearwaffenfreien koreanische Halbinsel in weite Ferne gerückt scheint, wird nur der beharrliche politische Prozess zu einer Regelung des Konfliktes beitragen können. Generell gilt es einer möglichen Zerstörung des Nichtverbreitungssystems von Atomwaffen mit allen politischen Mitteln entgegenzuwirken.

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Atomwaffentest - Nordkorea spielt mit dem Feuer

Nordkorea hat am Montag einen Atomtest durchgeführt. Weltweit wurde Pjöngjangs Vorgehen scharf kritisiert. Die fünf Vetomächte des Weltsicherheitsrats in New York haben umgehend über mögliche Strafmaßnahmen gegen das kommunistische Regime in Pjöngjang beraten. Die FDP-Verteidigungsexpertin Elke Hoff mahnte: "Die Weltgemeinschaft darf die nordkoreanischen Muskelspiele nicht unbeantwortet lassen". FDP-Außenpolitiker Werner Hoyer machte im Interview mit der "Frankfurter Rundschau" deutlich: "Die Nordkoreaner spielen mit dem Feuer."

Nordkorea hat laut seiner offiziellen Nachrichtenagentur erfolgreich einen unterirdischen Atomtest durchgeführt - und sich somit über internationale Warnungen und Sanktionsandrohungen hinweggesetzt. Das russische Verteidigungsministerium bestätigte einen Atomtest. Die USA erwarteten vom Weltsicherheitsrat sofortiges Handeln als Antwort auf diesen "nicht provozierten Akt", hieß es in einer in einer Erklärung des Weißen Hauses in Washington. Auch die Atommacht China, die bisher gute Kontakte zum Regime in Pjöngjang pflegte, verurteilte den Atomwaffentest mit scharfen Worten. Der UN-Sicherheitsrat kommt noch am heutigen Montag zu Beratungen zusammen.

"Der nordkoreanische Atomtest ist ein verheerendes Signal", erklärte die FDP-Verteidigungsexpertin Elke Hoff. Die Region habe schon länger mit einem verdeckten Rüstungswettlauf zu kämpfen. Dieser drohe nun offen auszubrechen und könnte auch Auswirkungen auf Staaten wie Südkorea und Japan haben, die sich bisher in Zurückhaltung geübt haben, warnte sie. Vor diesem Hintergrund dürfe die Weltgemeinschaft die "nordkoreanischen Muskelspiele" nicht unbeantwortet lassen, so Hoff.

Gerade auch mit Blick auf die Debatte um das iranische Atomprogramm seien internationale Sanktionen gegenüber Nordkorea unausweichlich, ist die Liberale überzeugt. Ihrer Ansicht nach kommt China aufgrund seiner engen Beziehungen zu Nordkorea die besondere Verantwortung zu, "mäßigend auf das Regime einzuwirken und auf eine Wiederaufnahme der Sechs-Parteien-Gespräche zu drängen."

Ähnlich sieht das auch FDP-Außenpolitiker Werner Hoyer. Seiner Ansicht nach sind die Möglichkeiten begrenzt, den Auftsieg Nordkoreas zum Atomstatt rückgängig zu machen begrenzt: "Der Schlüssel liegt nicht mehr im Westen, sondern in der unmittelbaren Nachbarschaft Nordkoreas, insbesondere bei China, Russland und Südkorea." Eine Perspektive gebe es nur, wenn die Menschen in Nordkorea die Chance bekommen, an der Wohlstandsentwicklung auf dieser Welt teilzunehmen. "Derzeit ist das nicht der Fall", so Hoyer.

Er unterstrich: "Wir haben einen neuen Gipfel der Perversion erreicht, wenn das vorsintflutliche Regime eines Landes, das auf katastrophalem wirtschaftlichen Niveau steht, jetzt auch noch über Atomwaffen verfügt." Das sei in der Region ein Destabilisierungsfaktor erster Kategorie. Er kritisierte, dass die Atommächte nicht durch eigene beherzte Abrüstung dafür gesorgt haben, dass die Nicht-Nuklearstaaten von ihren Ambitionen ablassen. "Ein Neuanfang kann nur Erfolg haben, wenn die Alt-Nuklearmächte ein Beispiel geben", ist Hoyer überzeugt.

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PRESSEMITTEILUNG NR. 1259 der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen
Datum: 9. Oktober 2006

Grüne verurteilen Atomwaffentest

Zum Atomwaffentest Nordkoreas erklärt Fritz Kuhn, Fraktionsvorsitzender:

Wir verurteilen den Atomwaffen-Test Nordkoreas auf das Schärfste. Wir sehen die atomare Drohung des Regimes in Pjöngjang mit großer Sorge.

Es ist dringend erforderlich, dass die Sechser-Gespräche wieder aufgenommen werden.




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