Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Korea: Chronik wichtiger Ereignisse

April bis Juni 2006

April
  • Süd- und Nordkorea bleibt nach südkoreanischen Angaben noch bis Ende August Zeit, sich über die Bildung eines gemeinsamen Teams für die nächsten Asienspiele im Dezember zu einigen. Das Nationale Olympische Komitee (NOK) für Südkorea hoffe deshalb, dass die Gespräche über eine gesamtkoreanische Mannschaft für die Asienspiele in Doha und die Olympischen Spiele 2008 in Peking im nächsten Monat fortgesetzt werden, sagte NOK-Sprecher Baek Sung Il am 4. April in Seoul. Zuvor hatten sich Funktionäre beider NOKs am Rande der 15. Generalversammlung der Vereinigung der Nationalen Olympischen Komitees (ANOC) in Seoul getroffen. Bei dem Treffen seien jedoch keine Entscheidungen über Details zur Bildung einer gesamtkoreanischen Mannschaft für Katar und China getroffen worden, sagte Baek.
  • Nordkorea hat Gespräche zu einer Wiederaufnahme der Atomverhandlungen agekündigt. Am 8. April sagte Außenminister Kim Kye Gwan in Tokio: Wir wollen bilaterale und multilaterale Kontakte aktivieren, um Fortschritte bei den Sechs-Staaten-Gesprächen zu erzielen“. In Tokio wollte er Vertreter der anderen beteiligten Länder treffen.
  • Am 12. April sind diplomatische Versuche, die Sechsparteiengespräche über das nordkoreanische Atomprogramm wieder aufzunehmen, erfolglos beendet worden. Zuvor waren Unterhändler der sechs Staaten Nordkorea, USA, China, Südkorea, Japan und Russland am Rande einer Sicherheitskonferenz in Tokio zu verschiedenen Gesprächen zusammen gekommen. Zu einem direkten Gespräch zwischen Nordkorea und USA war es aber nicht gekommen. Japan tat nichts für den Erfolg der Gespräche. Im Gegenteil: Es brachte das Schicksal von nach Nordkorea verschleppten Japanern in die Konferenz ein – ein umstrittenes Thema, das nicht nur Nordkorea verärgerte; auch China war der Meinung, dass das Thema besser nicht eingebracht worden wäre.
  • Nordkorea hat am 13. April mit dem Ausbau seines Atomwaffenarsenals gedroht, sollten die USA nicht auf seine Bedingungen zur Wiederaufnahme der Sechs-Staaten-Gespräche eingehen. "Es ist nicht gut, dass die Verhandlungen hinausgezögert werden", sagte der nordkoreanische Atombeauftragte Kim Kye Gwan auf einer Pressekonferenz in Tokio. "Während der Pause werden wir unsere Abschreckung verstärken." Pjöngjang sei zur Rückkehr an den Verhandlungstisch bereit, wenn die USA die eingefrorenen nordkoreanischen Guthaben auf einer Bank in Macau wieder freigeben würden. Dort ruhen derzeit etwa 24 Millionen Dollar. Nach Darstellung Washingtons haben die finanziellen Sanktionen nichts mit dem Atomkonflikt zu tun sondern sind eine Bestrafung für Geldwäsche und Banknotenfälschung, in die Nordkorea verwickelt sein soll.
  • Ranghohe Vertreter der südkoreanischen Regierung sind am 21. April zu Gesprächen nach Nordkorea gereist, um dem international isolierten Land wirtschaftliche Hilfen anzubieten. Ein wichtiges Thema werde die Entführung südkoreanischer Staatsbürger durch Nordkorea sowie das Schicksal hunderter Kriegsgefangener aus dem Korea-Krieg von 1950 bis 1953 sein, sagte ein Mitarbeiter des Wiedervereinigungsministeriums in Südkoreas Hauptstadt Seoul. "Unsere grundsätzliche Haltung ist die, dass wir die Angelegenheit der Entführten und Kriegsgefangenen regeln wollen, indem wir einen gewissen Betrag an Wirtschaftshilfen bereitstellen."
  • Nordkorea will die internationalen Verhandlungen über sein umstrittenes Atomprogramm nicht wieder aufnehmen. Südkorea hatte sich seit dem 21. April bei Gesprächen auf Kabinettsebene bemüht, das Nachbarland an den Verhandlungstisch zurückzubringen. Beide Seiten einigten sich am 24. April lediglich darauf, aktiv zusammenzuarbeiten, um zügig ein im September geschlossenes Abkommen umzusetzen, wie es in einer Stellungnahme hieß. Danach will Nordkorea sein Atomprogramm beenden.
    Bei vorangegangenen Gesprächen im Dezember hatten die Delegierten eine ähnliche Stellungnahme veröffentlicht, seitdem jedoch keine Fortschritte erzielt.
  • Die USA sehen den Iran weiterhin als den weltweit größten staatlichen Förderer des Terrorismus. Dies geht aus dem jährlichen Terrorismusbericht des US-Außenministeriums hervor, der am 28. April vorgelegt wurde. Die USA führen den Iran schon seit Jahren an der Spitze der Schwarzen Liste von Staaten, denen die Förderung des Terrorismus vorgeworfen sind. Die übrigen fünf Länder sind unverändert Kuba, Libyen, Nordkorea, der Sudan und Syrien.
Mai
  • Die USA haben einem Zeitungsbericht zufolge erstmals seit Verabschiedung eines entsprechenden Gesetzes vor zwei Jahren Flüchtlingen aus Nordkorea Asyl gewährt. Die vier Frauen und zwei Männer hätten zuvor illegal in China gelebt und seien am 5. Mai in den Vereinigten Staaten angekommen, berichtete die "Los Angeles Times" am 7. Mai. Sie sind die ersten Flüchtlinge, die die USA gemäß einem Gesetz aus dem Jahr 2004 aufnehmen. Die Regelung erlaubt die Gewährung von Asyl für nordkoreanische Staatsbürger. Bisher hatte Washington von dieser Möglichkeit nicht Gebrauch gemacht, vor allem, weil Südkorea und China fürchteten, die Sechs-Nationen-Gespräche über das nordkoreanische Atomprogramm könnten dadurch gefährdet werden.
  • Nach neunmonatiger Unterbrechung liefert die UNO wieder Nahrungsmittel nach Nordkorea. Kommende Woche werde das Welternährungsprogramm (WFP) die Hilfen wieder aufnehmen, nachdem Pjöngjang grünes Licht dazu gegeben habe, sagte ein WFP-Sprecher am 11. Mai. Statt ursprünglich 6,5 Millionen Menschen werde die Hilfe dann aber nur noch 1,9 Millionen Menschen zu Gute kommen. Vor allem ältere Menschen erhalten demnach dann nichts mehr.
  • Erstmals seit der Teilung der koreanischen Halbinsel 1948 sollen zwei grenzüberschreitende Bahnlinien probeweise in Betrieb genommen werden. Am 25. Mai soll sich ein Zug von Nordkorea aus auf den Weg über die Demarkationslinie nach Südkorea machen, während zur gleichen Zeit auf einer zweiten Strecke ein Zug vom Süden in den Norden fährt, wie das Wiedervereinigungsministerium am 13. Mai in Seoul mitteilte. Darauf hätten sich Unterhändler beider Seiten bei Verhandlungen im nordkoreanischen Kaesong verständigt.
  • Nordkorea hat nach amerikanischen Berichten möglicherweise seinen umstrittenen Atomreaktor in Yongbyon wieder angefahren. Südkoreanische Zeitungen zeigten am 15. Mai unter Berufung auf den US-Internetdienst GlobalSecurity Satellitenbilder, auf denen aufsteigender Rauch aus einem Reaktorturm zu sehen ist, der zum Fünf-Megawatt-Reaktor in Yongbyon gehöre. Die von GlobalSecurity am Wochenende veröffentlichten Fotos zeigten außerdem einen asphaltierten Weg, der zur Reaktoranlage führt. Der Weg und die Präsenz von Fahrzeugen deuteten den Berichten zufolge auf eine erhöhte Aktivität um die Anlage in Yongbyon hin.
  • UN-Generalsekretär Kofi Annan sieht dringenden Handlungsbedarf hinsichtlich der Atomprogramme von Nordkorea und Iran. Vor einem Treffen mit dem südkoreanischen Präsidenten Roh Moo Hyun am 16. Mai sagte Annan, die atomare Frage sei das mit Abstand wichtigste Thema und solle in Gesprächen vorrangig behandelt werden. Der UN-Generalsekretär rief dazu auf, die seit November ausgesetzten Sechs-Parteien-Gespräche zwischen Nordkorea, Südkorea, den USA, China, Russland und Japan wiederaufzunehmen. Außerdem forderte er eine rasche diplomatische Lösung im Streit um das iranische Atomprogramm.
  • Die USA wollen ihre bisherige Haltung im Atomstreit mit Nordkorea ändern und der Führung in Pjöngjang Friedensverhandlungen anbieten. Das berichtet die New York Times am 18. Mai unter Berufung auf hochrangige Regierungsmitarbeiter. Diese Verhandlungen könnten bereits beginnen, wenn Nordkorea zu den Sechs- Länder-Gesprächen zur Beendigung seines Atom-Programms zurückkehren würde. Nordkorea dürfe nicht Vorbild und Hoffnung für den Iran sein, dass man zum Druck von außen einfach Nein sagen könne.
  • Nordkorea bereitet nach japanischen Medienberichten offenbar einen Raketentest vor. Entsprechende Aktivitäten seien in jüngster Zeit nahe eines Raketenstützpunktes im Norden des kommunistischen Staates beobachtet worden, meldete der Sender NHK unter Berufung auf nicht näher genannte südkoreanische Regierungsbeamte. Die Gewährsleute stützten sich den Angaben zufolge auf Satellitenaufnahmen. Eine 35 Meter lange Rakete - möglicherweise eine Langstreckenrakete des Typs Taepdong-2 - sei nahe an die Abschussanlage gebracht worden, zitierte NHK die Informanten. Die japanische Regierung erklärte, ihrer Ansicht nach stehe ein Raketenstart nicht unmittelbar bevor. (AP, 19. Mai)
  • Ein ranghoher nordkoreanischer Wissenschaftler, der über Kenntnisse von Pjöngjangs Atomprogramm verfügt, hat nach Anbagen einer Menschenrechtsorganisation in Südkorea um Asyl gebeten. Der 43-jährige Maschinenbauingenieur habe sich bereits im März nach China abgesetzt und sei von dort in ein südostasiatisches Land ausgereist, teilte eine Bürgerrechtsbewegung am 19. Mai in Seoul mit, die sich für die Rechte von Flüchtlingen aus Nordkorea einsetzt. Der Mann sei zwar nicht direkt am Atomprogramm beteiligt gewesen, habe wegen seiner Stellung möglicherweise aber wichtige Kenntnisse darüber. Möglicherweise handle es sich um den bedeutendsten Wissenschaftler, der je aus Nordkorea geflohen sei.
  • Nordkorea hat überraschend die geplanten Testfahrten auf wiederhergestellten Schienenstrecken über die Grenze nach Südkorea abgesagt. Nordkorea habe Südkorea über den Schritt informiert, teilte das Vereinigungsministerium in Seoul am 24. Mai mit. Die Gründe der Absage sind noch unklar. Beide Länder wollten am 25. Mai im West- und Ossteil der koreanischen Halbinsel erstmals seit 55 Jahren probeweise die Eisenbahnverbindung wieder in Betrieb nehmen. (siehe oben unter 13. Mai)
  • Nordkorea und der Iran haben nach einem Medienbericht vom 25. Mai das "besondere Verhältnis" beider Länder mit einer Reihe von Veranstaltungen in Teheran gefeiert. Redner hätten zu Beginn einer "Freundschaftswoche" auf den Widerstand beider Staaten gegen "globale Herrscher" hingewiesen, berichtete die amtliche nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA. Ihr Kampfgeist diene dazu, die nationale Würde und Unabhängigkeit sicherzustellen. Dies trage zu einer Vertiefung der Beziehungen zwischen Pjöngjang und Teheran bei. Nähere Einzelheiten zu den Veranstaltungen wurden nicht genannt. (AP)
  • Im Streit um das nordkoreanische Atomprogramm haben die USA, die EU, Südkorea und Japan die Pläne zum Bau zweier Leichtwasserreaktoren in dem asiatischen Land am 31. Mai formell begraben. Das Aus war bereits im November vorigen Jahres beschlossen worden. Das für das Projekt zuständige Energiekonsortium KEDO machte in einer am Mittwoch nach einer Vorstandssitzung in New York verbreiteten Erklärung die "fortgesetzte mangelnde Kooperation" der nordkoreanischen Regierung für das Scheitern verantwortlich. Der Bau der Leichtwasserreaktoren war Teil eines Vertrags zwischen den USA und Nordkorea aus dem Jahr 1994 und für den Fall vorgesehen, dass die kommunistische Regierung in Pjöngjang auf ein eigenes Atomprogramm verzichtet. Nordkorea hält jedoch an seinem Atomprogramm fest.
Juni
  • Nordkorea hat einem japanischen Zeitungsbericht zufolge seine Vorbereitungen für den Test einer Langstreckenrakete fast abgeschlossen. Die konservative Zeitung "Sankei" berief sich dabei am 1. Juni auf Informationen aus Regierungskreisen. Die USA hätten eine Spionageflugzeug, Japan habe einen Zerstörer mit Beobachtungsgeräten entsandt, hieß es. Die Rakete des Typs "Taepodong-2" soll eine Reichweite von 15.000 Kilometern habe und könnte damit auch die Westküste der USA erreichen.
  • Bei einem Zugunglück in Nordkorea sollen nach Angaben einer südkoreanischen Bürgerrechtsgruppe mehr als 1.000 Menschen getötet worden sein, meldete AP am 2. Juni. Die südkoreanische Regierung erklärte, ihr lägen keine Angaben in dieser Hinsicht vor. Die Gruppe Gute Freunde berief sich bei ihren Angaben auf Nordkoreaner, die aber nicht näher identifiziert wurden. Das Unglück ereignete sich demnach am 23. April in der Stadt Kowon im Osten Nordkoreas. Dabei sollen die Bremsen eines Zugs versagt haben, der daraufhin an einer abschüssigen Stelle in mehrere entgegenkommende Güterzüge raste.
  • Nach dem US-Embargo für Waffen und andere Rüstungsgüter will Venezuelas Präsident Hugo Chávez die militärische Zusammenarbeit mit Russland weiter ausbauen. Er werde bald nach Moskau reisen, um eine Reihe von technischen und militärischen Kooperationsabkommen zu unterzeichnen, kündigte Chávez am 11. Juni in seiner wöchentlich ausgestrahlten Fernseh- und Radiosendung "Alo Presidente" an, ohne einen genauen Termin zu nennen. Dabei geht es laut Chávez auch um den Bau einer Farbrik zur Herstellung von Kalaschnikow-Sturmgewehren. Gleichzeitig kündigte der venezolanische Präsident weitere Besuche in China, Vietnam, Nordkorea und dem Iran an.
  • Mehrere Gesandte aus den Vereinigten Staaten und weiteren Ländern haben einen umstrittenen südkoreanischen Industriekomplex im Nordkorea besucht. Der Besuch der Industrieanlagen in Kaesong solle dazu dienen, "das Verständnis der Weltgemeinschaft" für die Anlage zu fördern, teilte das südkoreanische Außenministerium am 12. Juni mit. Südkorea hat in Kaesong einen Komplex gebaut, in dem derzeit 15 südkoreanische Firmen niedergelassen sind, die dort nordkoreanische Arbeiter zu Billiglöhnen beschäftigen. Bis 2024 sollen rund dreitausend Fabriken in Kaesong ihren Sitz haben, wie die südkoreanische Regierung in Seoul hofft.
  • Die USA haben Nordkorea vor dem Test einer Interkontinentalrakete gewarnt, die amerikanisches Territorium treffen könnte. Washington verfolge die seit mehr als einen Monat laufenden Vorbereitungen auf einer Abschussbasis im Nordosten des Landes, sagte US-Botschafter Alexander Vershbow am 14. Juni in Seoul dem Rundfunksender KBS. "Wir können die Vorbereitungen sehen, aber wir können nicht ihre Gedanken lesen, was sie damit vorhaben", sagte der Diplomat. Da ein Raketentest ein "klar provokativer Schritt" wäre, könnten die USA nicht einfach darüber hinweggehen. Ein ranghoher südkoreanischer Regierungsbeamter bestätigte Berichte, wonach Nordkorea den Test einer Taepodong-2-Rakete mit einer Reichweite von mehr als 6.000 Kilometern vorbereite. Eine solche Rakete könnte die USA treffen.
  • Japan hat Nordkorea vor einem möglichen Raketentest gewarnt. Sollte Nordkorea eine ballistische Rakete abschießen, die direkt die Sicherheit Japans berühren würde, wäre dies eine Verletzung einer zwischen beiden Ländern getroffenen Vereinbarung, sagte ein japanischer Regierungssprecher am 16. Juni. Er bezog sich dabei auf Medienberichte, wonach Nordkorea laut US-Angaben Vorbereitungen zum Test einer Langstreckenrakete vorangetrieben habe und schon in den kommenden Tagen zu einem Raketenabschuss bereit sein könnte.
  • Nordkoreanische Regierungsvertreter haben japanische Berichte zurückgewiesen, wonach Pjöngjang kurz vor dem Test einer Langstreckenrakete stehen soll. Mehrere nordkoreanische Vertreter hätten ihm während eines Besuchs in Seoul versichert, es gebe keinen Anlass zur Sorge, sagte der sürdkoreanische Abgeordnete Choi Sung am 17. Juni der Nachrichtenagentur Yonhap. Bei den Berichten handle es sich um Gerüchte, wie sie von den USA und Japan schon mehrmals in der Vergangenheit gestreut worden seien.
  • Nach Berichten über einen unmittelbar bevorstehenden Test einer nordkoreanischen Langstreckenrakete hat Japan den Ton gegenüber Pjöngjang weiter verschärft. Regierungschef Junichiro Koizumi drohte mit schwer wiegenden Konsequenzen, sollte Nordkorea seine Vorbereitungen für einen Test fortsetzen. "Ich hoffe immer noch, dass Nordkorea es nicht macht. Aber wenn sie uns nicht zuhören, wenn sie eine Rakete abfeuern, wird Japan in Absprache mit den USA ernste Maßnahmen ergreifen", sagte Koizumi, ohne Einzelheiten zu nennen. Am 18. Juni hatte Tokio mit Einschaltung des Sicherheitsrats gedroht, sollte Nordkorea erstmals seit acht Jahren wieder eine Langstreckenrakete testen. Japanische Medien hatten am Samstag berichtet, Nordkorea stehe kurz vor dem Abschuss einer Taepodong-2-Rakete mit einer Reichweite von bis zu 6000 Kilometern, die das Festland der USA erreichen könnte. Die Taepodong-2-Rakete sei auf einer Abschussrampe im Nordosten des Landes zusammengesetzt worden und jederzeit abschussbereit. Japan und die USA riefen daraufhin die nordkoreanische Regierung zum Verzicht des Tests auf.
  • Die USA haben für den Fall eines nordkoreanischen Langstreckenraketen-Tests mit der Verhängung neuer Sanktionen gedroht. Ein Raketentest durch Nordkorea wäre ein "sehr, sehr ernstes Problem", das vor den UN-Sicherheitsrat gebracht werden könnte, erklärte der US-Botschafter in Japan, Thomas Schieffer, laut einem Sprecher am 19. Juni in Tokio. Welche Art von Sanktionen verhängt werden könnten, wollte er nicht sagen.
    US-Außenministerin Condoleezza Rice hat Nordkorea am 19. Juni eindringlich vor einem Raketentest gewarnt. Dies wäre eine "sehr ernste Angelegenheit und eine Provokation", sagte Rice mit Bezug auf Geheimdienstberichte, wonach in Nordkorea offenbar der Test einer Langstreckenrakete bevorsteht, die auch die USA erreichen könnte. Die Rakete sei jetzt betankt, verlautete am Montag aus US-Regierungskreisen. Damit sei mit einem Start innerhalb eines Monats zu rechnen.
  • Nach Berichten über einen angeblich bevorstehenden Langstreckenraketen-Test Nordkoreas hat sich Südkorea skeptisch geäußert. Es gebe keinerlei Gewissheit, dass Nordkorea Vorbereitungen für einen solchen Test treffe, sagte ein Sprecher der Regierungspartei Uri am 20. Juni in Seoul. "Unter den gegenwärtigen Umständen, ist es schwierig vorherzusagen, ob Nordkorea eine Rakete abfeuert oder nicht", fügte der Sprecher hinzu. Ranghohe Regierungsvertreter hätten die Parteispitzen informiert und sich skeptisch über die jüngsten Medienberichte zu den angeblichen Testvorbereitungen geäußert. "Wir sind ebenso besorgt, dass grundlose Spekulationen Ängste erzeugen können, die in keinem Verhältnis zur Realität stehen", sagte der Sprecher.
  • N-Generalsekretär Kofi Annan hat Nordkorea am 20. Juni aufgerufen, auf den möglicherweise geplanten Test einer Langstreckenrakete zu verzichten. Annan äußerte sich nach einem Treffen mit dem französischen Premierminister Dominique de Villepin, der erklärte, Frankreich teile die Sorge des Generalsekretärs. Jeder Raketentest Nordkoreas müsse entschlossen beantwortet werden. "Ich hoffe, die nordkoreanische Führung hört, was die Welt zu sagen hat", sagte Annan. "Wir sind alle besorgt." Die Politiker dort müssten sehr vorsichtig sein, um die Lage auf der koreanischen Halbinsel nicht noch stärker zu komplizieren.
    Der australische Außenminister Alexander Downer sagte, ein Raketentest wäre eine Provokation. Pjöngjang müsse in diesem Fall mit einer weiteren internationalen Isolation rechnen.
  • Im Konflikt über einen möglichen nordkoreanischen Raketentest haben die USA nochmals den Ton verschärft. Wie am 20. Juni aus dem Verteidigungsministerium verlautete, erwägen die USA, die nordkoreanische Langstreckenrakete abzuschießen. Dies sei eine der möglichen Reaktionen, sagten Gewährsleute der Nachrichtenagentur AP. Auch der US-Botschafter in Japan, Thomas Scheiffer, deutete dies an. Die USA hätten jetzt andere Möglichkeiten als beim letzten nordkoreanischen Test 1998, sagte Scheiffer.
  • Nordkorea hat den USA überraschend Gespräche über den geplanten umstrittenen Raketentest angeboten. Washington habe sich besorgt über den geplanten Teststart geäußert, sagte der stellvertretende Leiter der nordkoreanischen Mission bei den Vereinten Nationen, Han Song Ryol, am 21. Juni der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap. "Unsere Position ist: Einverstanden, dann lasst uns darüber reden." Gleichzeitig bekräftigte Han das Recht seines Landes auf Teststarts. Die Raketentests stellten keine Verletzung des Moratoriums über die Tests von Langstreckenraketen dar, das sich Nordkorea 1999 auferlegt habe, betonte Han. Die USA hatten Pjöngjang damals im Gegenzug Sanktionserleichterungen gewährt.
  • Der ehemalige südkoreanische Präsident Kim Dae Jung verschob angesichts der Spekulationen über den angeblich bevorstehenden Test einer Langstreckenrakete seine geplante Reise in das Nachbarland. "Wir glauben, der Zeitpunkt ist nicht angemessen", sagte Ex-Wiedervereinigungsminister Jeong Se Hyun am 21. Juni. Kim Dae Jung sollte auf der viertägigen Reise auch zu Gesprächen mit Nordkoreas Staatschef Kim Jong Il zusammentreffen.
  • Südkorea hat Norkorea mit einem Stopp seiner Nahrungsmittelhilfen gedroht, sollte Pjöngjang an seinem geplanten Raketentest festhalten. "Südkorea könnte seine Reislieferungen an Nordkorea vermindern oder komplett aussetzen", sagte Wiedervereinigungsminister Yang Chang Seok am 21. Juni in Seoul. Es lägen aber noch keine detaillierten Planungen dafür vor.
  • US-Präsident George W. Bush hat Nordkorea aufgefordert, seine Vorbereitungen für einen geplanten Raketentest zu stoppen. Pjöngjang müsse sich an die in der Vergangenheit getroffenen Vereinbarungen halten, darunter an jene zu Raketentests, sagte Bush am 21. Juni in Wien. Die nordkoreanischen Raketenetests machten die Menschen "nervös". "Das ist nicht der Weg, in der Welt Geschäfte zu machen", fügte Bush hinzu. 1999 hatten die USA Pjöngjang für ein Test-Moratorium Sanktionserleichterungen gewährt. Ein Jahr zuvor hatte Nordkorea mit einer Taepondong-1-Rakete eine Krise ausgelöst.
  • Japan hat eine Mission zur genaueren Erkundung des angeblich geplanten nordkoreanischen Raketentests losgeschickt. Boote und Flugzeuge seien auf dem Weg, um möglichst viele Informationen darüber zu sammeln, sagte der japanische Verteidigungsminister Fukushiro Nukaga am 22. Juni in Tokio. Der Minister machte keine Angaben dazu, wann die Mission begonnen hatte.
  • Die USA sind nicht bereit, allein mit Pjöngjang über die angeblich geplanten nordkoreanischen Raketentests zu verhandeln. Für Washington kämen weiterhin nur die Sechs-Parteien- Gespräche in Frage, sagte UN-Botschafter John Bolton am 22. Juni in New York.
  • Die Vereinigten Staaten sollten den mutmaßlich geplanten Raketentest in Nordkorea nach Meinung des früheren US-Verteidigungsministers William Perry notfalls mit einem Luftangriff verhindern. Die US-Armee solle sich darauf vorbereiten, die Rakete zu zerstören, wenn sie nicht rechtzeitig von der Abschussrampe entfernt werde, forderten Perry und dessen einstiger Stellvertreter Ashton Carter in einem am 22. Juni in der "Washington Post" veröffentlichten Brief.
    Die USA ziehen die Option, den mutmaßlich in Nordkorea geplanten Raketentest mit einem Luftangriff zu vereiteln, nach Worten von Vizepräsident Dick Cheney allerdings nicht in Betracht. Mit dem Problem werde bisher schon in "angemessener Form" umgegangen, sagte Cheney am 22. Juni im US-Fernsehsender CNN.
  • Die UN-Vetomächte China und Russland haben sich am 22. Juni als traditionelle Verbündete Nordkoreas ungewöhnlich deutlich gegen Pläne Pjöngjangs für einen Raketentest ausgesprochen. "Wir sind sehr besorgt über die derzeitige Situation", erklärte der chinesische Außenamtssprecher Jiang Yu in Peking. Das russische Außenministerium bestellte den nordkoreanischen Botschafter ein, um seine Besorgnis auszudrücken.
  • Ein US-Kriegsschiff hat nach Angaben der US-Streitkräfte am 22. Juni bei einem Test über dem Pazifik eine Rakete abgeschossen. Die Rakete sei von Hawaii aus gestartet und bei einem Manöver mit japanischer Beteiligung abgeschossen worden, erklärten die US-Streitkräfte in Washington. Der Test erfolgte vor dem Hintergrund von Warnungen der US-Regierung an Nordkorea. Falls Nordkorea eine Rakete des neuen Typs Taepodong-2 mit einer Reichweite von bis zu 6.700 Kilometern abfeuere, werde es dafür zu bezahlen haben, hatte Washington erklärt. Ein solcher Raketentest werde als "Provokation" aufgefasst.
  • UN-Generalsekretär Kofi Annan hat Nordkorea vor den Folgen seines geplanten Raketentests gewarnt. Ein solcher Test wäre kein "weiser" Schritt, sagte Annan am 23. Juni. In einer Zeit mit vielen Problemen und den festgefahrenen Sechs-Parteien-Gesprächen zum nordkoreanischen Atomprogramm müsse Nordkorea auf die internationale Gemeinschaft hören.
  • Im jüngsten Konflikt um einen angeblich geplanten Test einer nordkoreanischen Interkontinentalrakete haben sich mehrere US-Politiker für direkte Gespräche Washingtons mit Pjöngjang ausgesprochen. Der republikanische Vorsitzende im Auswärtigen Ausschuss des US-Senats, Richard Lugar, sagte am 25. Juni dem Fernsehsender CBS, die diplomatischen Bemühungen müssten intensiviert werden. Dazu zählten auch direkte Kontakte. Ein Einsatz militärischer Mittel sei nicht "ratsam", sagte Lugar. Bisher lehnt die US-Regierung direkte Gespräche mit der Führung in Pjöngjang ab.
  • Zur Entspannung der Krise um einen möglichen nordkoreanischen Raketentest hat sich Südkorea für direkte Gespräche zwischen den USA und Pjöngjang eingesetzt, Washington Medienberichten aus Seoul zufolge aber nicht dazu bewegen können. Die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap meldete am 26. Juni unter Berufung auf Regierungskreise, die USA hätten Direktgespräche abgelehnt, weil Nordkorea diese öffentlich gefordert habe. Die USA seien nur im Rahmen der von sechs Ländern betriebenen Atomverhandlungen zu Kontakten mit Nordkorea bereit.
  • Japan und die USA haben beschlossen, das Patriot-Abwehrsystem gegen nordkoreanische Raketen im Süden Japans zu stationieren. Die Abwehrwaffen sollten so schnell wie möglich vermutlich auf Okinawa stationiert werden. (AP, 26. Juni)
  • US-Präsident George W. Bush hat von Nordkorea Aufklärung über einen mutmaßlich geplanten Test einer Interkontinentalrakete aufgefordert. Die Führung in Pjöngjang sollte die Welt über ihre Absichten informieren und darüber, was sich "oben" auf dieser Rakete befinde, sagte Bush am 26. Juni. Ein Raketentest werde von den USA als "provokativer" Akt aufgefasst, bekräftigte Bush. Er habe Japan, Südkorea, China und Russland auf die Notwendigkeit einer "konzentrierten Botschaft" hingewiesen.
  • Ein bewegendes Wiedersehen hat der Südkoreaner Kim Young Nam, der vor fast 30 Jahren nach Nordkorea verschleppt worden war, am 28. Juni mit seiner Mutter gefeiert. "Mutter, Mutter, ich dachte, Du wärest tot", stammelte der inzwischen 45-Jährige und fiel auf die Knie, als er an der innerkoreanischen Grenze seine Mutter Choi Gye Wol im Rollstuhl wiedersah. Kim war nach südkoreanischer Darstellung 1978 im Alter von 16 Jahren zusammen mit vier anderen Schülern nach Nordkorea verschleppt worden. Die Jungen sollten dort als Spione ausgebildet werden. Nordkorea dementierte, dass es sich um eine Entführung handelte. Kim sei erst vor kurzem im Land "entdeckt" worden und habe die Erlaubnis erhalten, seine Mutter wiederzusehen.
  • Die Nationalen Olympischen Komitees (NOK) für Süd- und Nordkorea haben sich erneut nicht auf ein Verfahren zur Bildung eines gemeinsamen Olympia-Teams für 2008 einigen können. Beide Seiten würden sich Mitte Juli erneut treffen, um "spezifische Wege zur Organisierung einer einzigen Mannschaft für die Olympischen Spiele in Peking auszuarbeiten", hieß es lediglich zum Abschluss eintägiger Gespräche in der nordkoreanischen Grenzstadt Kaesong am 29. Juni. Es wurden nach südkoreanischen Angaben die Auswahlkriterien für die Athleten, deren Training und die Aufteilung der Kosten besprochen.
  • US-Präsident George W. Bush hat Nordkorea erneut davor gewarnt, eine neue Langstreckenrakete zu testen. "Die Rakete zu starten wäre inakzeptabel", sagte Bush auf einer Pressekonferenz mit dem japanischen Ministerpräsidenten Junichiro Koizumi im Weißen Haus am 29. Juni. Der US-Präsident forderte, Nordkorea müsse die Welt über seine Absichten aufklären. Bislang habe die Regierung in Pjöngjang weder mitgeteilt, mit was für einem Sprengkopf die Rakete bestückt sei, noch auf welches Ziel sie abgeschossen werden solle, kritisierte Bush.


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