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60 Jahre Kalter Krieg

Von Thomas Lutze *

Am 27. Juli 1953 beendete der Waffenstillstand auf der koreanischen Halbinsel die grausamste kriegerische Auseinandersetzung seit dem Zweiten Weltkrieg. Mehr als vier Millionen Tote hatten beide Seiten zu beklagen, mehr als 450 000 Tonnen Bomben wurde durch die U.S. Air Force abgeworfen, darunter mehr als drei Millionen Liter Napalm. Eine Menge, die die später in Vietnam eingesetzte Menge um ein Vielfaches überstieg und gleichzeitig im industriell geprägten Nordkorea mit seinen Ballungszentren noch verheerender wirkte.

So gut wie jede Familie in Nordkorea hat Angehörige im Bombenkrieg verloren. In diesem Schrecken liegt eine Erklärung dafür, wie sich der Konflikt auf der koreanischen Halbinsel in den kommenden Jahrzehnten und lange über das Ende der Blockauseinandersetzung betonieren konnte. Ein Konflikt, der den Zusammenbruch des Ostblocks ebenso überstanden hat wie die darauf folgenden Krisen Nordkoreas. Ungeachtet der Entwicklung beider Länder, die nach dem Waffenstillstand unterschiedlicher nicht hätte sein könnte, ist die Wiedervereinigung in beiden Teilen Koreas nach wie vor Staatsziel.

Die Perspektiven für die Umsetzbarkeit dieses Ziels sind freilich Schwankungen unterlegen. Wer jedoch die derzeitigen Spannungen mit Raketentests und der Schließung der Sonderwirtschaftszone Kaesong nur als Profilierungsversuche des neuen Machthabers in Pjöngjang Kim Jong Un sieht, greift zu kurz. Die seit dem Regierungswechsel 2008 der »Sonnenscheinpolitik« folgende härtere Linie Südkoreas gegenüber Nordkorea mit dem erklärten und erreichten Ziel der Verschlechterung der Versorgungslage der nordkoreanischen Bevölkerung hat eben nicht zu der von Südkorea erhofften Destabilisierung der Regierung in Pjöngjang geführt. Vielmehr wurden jene eingeübten Reflexe aktiviert, nach deren innerer Logik Zugeständnisse nur vor dem Hintergrund militärischer Stärke erkauft werden können.

Trotz der Spannungen scheint eine Annäherung auf der koreanischen Halbinsel langfristig möglich. Unabhängig von den Militärmanövern im Süden und den Vernichtungsdrohungen aus dem Norden weiß man in beiden Ländern angesichts der Erfahrungen aus dem Koreakrieg um den Wert des Friedens, so dass eine militärische Eskalation des Konflikts als unwahrscheinlich gelten kann. Nordkorea ist in einigen Bereichen zu einer vorsichtigen Öffnung bereit. Die westliche Welt wäre klug beraten, hierauf einzugehen. Jeder Tourist, jeder Geschäftsreisende und jeder Austauschstudent, der Nordkorea besucht, ist für die dortige Bevölkerung ein Fenster zur Welt. Welche Bedeutung dies für das isolierte Land hat, kann kaum zu hoch eingeschätzt werden.

Deutschland kann hierbei eine besondere Rolle einnehmen. Die hiesigen Erfahrungen einer staatlichen Wiedervereinigung werden in Nord wie Süd geschätzt und genau analysiert. Und noch wichtiger: Deutschland war keine Konfliktpartei im Koreakrieg und ist – trotz aller Differenzen – ein geachteter Gesprächspartner. Und da sogar die FDP-nahe Naumann-Stiftung Projekte in Nordkorea durchführt, sollte auch die LINKE ihre Bereitschaft zu Gesprächen mit Nordkorea erhöhen – nicht um die Machthaber zu hofieren, sondern um sich im besseren Sinne beim Wandel durch Annäherung zu beteiligen.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 27. Juli 2013 (Gastkolumne)


China drängt Pjöngjang zu Atomgesprächen

Vizepräsident aus Peking zu Gast in Pjöngjang

China hat Nordkorea zur Wiederaufnahme der Verhandlungen über eine Beendigung seines Atomwaffenprogramms aufgefordert. Im Gespräch mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un in Pjöngjang sagte Vizepräsident Li Yuanchao, China dränge auf eine Rückkehr Nordkoreas zu den seit 2009 eingefrorenen Sechs-Parteien-Gesprächen, um eine atomwaffenfreie koreanische Halbinsel zu erreichen. Das berichtete die chinesische Agentur Xinhua von dem Treffen am Donnerstag.

Der Vizepräsident ist der ranghöchste Besucher aus China seit dem Machtantritt Kim Jong Uns. Kim begrüßte laut Xinhua Chinas Bemühungen zur Fortsetzung der Sechsergespräche. Unklar blieb, ob oder unter welchen Bedingungen Nordkorea an den Verhandlungstisch zurückkehren würde.

Li war zur 60-Jahresfeier des Waffenstillstandsabkommens in Korea nach Pjöngjang gereist. China hatte im Koreakrieg mit rund drei Millionen »Freiwilligen« an der Seite des Nordens gekämpft. Dabei sollen 180 000 chinesische Soldaten ums Leben gekommen sein. »Der heutige Frieden ist schwer verdient und sollte deswegen erst recht geschätzt werden«, sagte der chinesische Vizepräsident.

(neues deutschland, Samstag, 27. Juli 2013)




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