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"Mit Hilfe der Justiz läßt sich ein Präzedenzfall schaffen"

Mißhandlung und Vergewaltigung im Kongo: Anzeige gegen deutschen Manager wegen Beihilfe. Ein Gespräch mit Miriam Saage-Maaß *


Miriam Saage-Maaß ist Programmkoordinatorin für Wirtschaft und Menschenrechte des European Center for Constitutional and Human Rights e.V. (ECCHR).

Sie haben am Donnerstag bei der Tübinger Staatsanwaltschaft Anzeige gegen einen leitenden Mitarbeiter des deutsch-schweizerischen Holzhandelsunternehmens Danzer Group in der Demokratischen Republik Kongo erstattet. Was werfen Sie dem Unternehmen vor?

Beihilfe zu schweren Verbrechen gegen Bewohner des Dorfes Bongolu. Deswegen haben wir – das »European Center for Constitutional and Human Rights« – und die britische Menschenrechtsorganisation »Global Witness« den Mann angezeigt.

Das Danzer-Tochterunternehmen Siforco schlug dort Holz, die lokale Bevölkerung war aber unzufrieden mit der Firma, weil sie ihre vertraglichen Verpflichtungen nicht eingehalten hat. Wegen des Streits hatte dieser leitende Mitarbeiter die Sicherheitsbehörden eingeschaltet: Zwischen 20 und 30 Polizisten wurden am 2. Mai 2011 Autos zur Verfügung gestellt, damit sie zu dem Dorf fahren konnten. Mitten in der Nacht brachen sie dort ein, verprügelten mehrere Männer und verletzten einige von ihnen schwer. Sie vergewaltigten außerdem fünf Frauen und Mädchen und brannten eine Hütte ab.

In Deutschland gibt es kein Unternehmensstrafrecht, deswegen können dafür nur Einzelpersonen zur Verantwortung gezogen werden. Besagter Mitarbeiter hätte nach deutschem Recht die Pflicht gehabt, solche Straftaten von ihm nachgeordneten Beschäftigten zu verhindern.

Anlaß des Streits war wohl, daß das Unternehmen Sozialprojekte versprochen hatte …

Rechtsübliche Praxis ist dort: Zwischen einem Unternehmen, das Holz einschlägt, und der lokalen Bevölkerung wird ein Vertrag über eine Sozialleistung abgeschlossen. In diesem Fall ging es darum, daß die Danzer-Tochter eine Schule und ein Gesundheitszentrum zu bauen versprochen hatte. Nachdem mehrere Jahre lang nichts geschehen war, ging am 20. April 2011 eine Gruppe junger Dorfbewohner zur Siforco-Niederlassung und nahm eine Batterie, eine Solarzelle und einige andere Gegenstände mit. Sie hinterließen sogar eine Quittung mit etwa diesem Text: »Das nehmen wir als Pfand mit, damit wir endlich darüber verhandeln, wann Ihr Euren Sozialverpflichtungen nachkommt.«

Siforco schaltete daraufhin die Polizei ein, die jedoch nicht weiterkam. Der Ortsvorsteher versprach dann zu vermitteln und die Sachen bis zum 2. Mai 2011 zurückzugeben. Schon zwei Tage zuvor wurde allerdings in einer Besprechung mit den Polizisten eine Strafaktion gegen das Dorf vereinbart. Fahrzeuge, Fahrer und Benzin kamen von Siforco, die Polizisten wurden auch noch von dem Unternehmen bezahlt.

Das ist jetzt zwei Jahre her. Was ist seitdem geschehen?

Die kongolesische Staatsanwaltschaft hat sofort Ermittlungen aufgenommen und die Opfer vernommen – das Verfahren wurde aber ein halbes Jahr später eingestellt. Akten darüber liegen uns vor. Dann wurde es neu aufgerollt; gegen die unmittelbaren Täter, also die Polizisten, wird jetzt ermittelt. Nachdem wir den Fall öffentlich gemacht hatten, hat Danzer Entschädigungen gezahlt, für die medizinische Versorgung der Opfer gesorgt und das Tochterunternehmen Siforco verkauft.

Greenpeace behauptet, das sei nicht der erste Vorwurf gegen Siforco. Stimmt das?

Ähnliche Vorfälle gab es schon 2006 und 2011. Das Unternehmen muß also gewußt haben, daß Sicherheitskräfte und Militärs sehr rabiat gegen die Bevölkerung vorgehen. Greepeace stellt auch die Frage, warum dieses Unternehmen von der Entwicklungshilfe profitiert hat, wo es doch Wälder zerstört.

Setzen Sie nur auf die Justiz?

Mit ihrer Hilfe läßt sich ein Präzedenzfall schaffen, der zeigt, daß sich deutsche Manager auch nach unserem Recht strafbar machen, wenn sie sich im Ausland so verhalten. Andererseits muß aber der Gesetzgeber Regelungen schaffen, die Unternehmen in solchen Ländern stärker in die Verantwortung nehmen.

Interview: Gitta Düperthal

* Aus: junge Welt, Freitag, 26. April 2013


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