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EU-Truppen im Kongo - Den Bock zum Gärtner gemacht?

Auch in Österreich ein Thema: Stellungnahme aus Linz*

Die EU will erneut eine Militärmission in den Kongo entsenden. Mit 1.500 Mann, der Großteil davon deutsche und französische Truppen, sollen, so die offizielle Begründung, die Wahlen im Juni überwacht werden. Blickt man in die Geschichte und Gegenwart des Kongos, so drängt sich freilich die Frage auf, ob nicht der Bock zum Gärtner gemacht wird, wenn ausgerechnet Europäer als „Helfer“ in den zentralafrikanischen Staat entsendet werden.

Die belgische Kolonialherrschaft schaffte es, zwischen 1885 und 1911 rund die Hälfte der Bewohner des Kongos auszurotten, Schätzungen sprechen von bis zu 10 Millionen Toten. 1961 assistierten belgische Truppen gemeinsam mit dem CIA bei der blutigen Niederschlagung der nationale Befreiungsbewegung unter Patrice Lumumba. Anschließend stieg Frankreich zur treuesten Stütze des westfreundlichen Diktators Mobutu auf. Als im Jahr 1994 das von Frankreich unterstützte Hutu-Regime in Ruanda die Ermordung hundertausender Tutsis duldete, ja mitorganisierte, halfen französische Truppen den Schlächtermilizen, sich in Mobutus Zaire (der damalige Name des Kongo) abzusetzen, wodurch freilich der Bürgerkrieg überschwappte und schließlich Mobutu selbst zum Fall brachte. Der neue Staatschef Laurent Kabila schlug einen antikolonialen Kurs ein, kündigte die Schürfrechte für West-Konzerne auf, verbot die Zirkulation von Westdevisen und betrieb eine protektionistische Wirtschaftspolitik, die dem Internationalen Währungsfonds und den Westmächten grob missfiel. Es folgte ein grausamer fünfjähriger Bürgerkrieg, in dem Europäer und US-Amerikaner verschiedenste Rebellengruppen gegen Kabila logistisch, finanziell und mit Waffen unterstützten. Im „ersten afrikanischen Bürgerkrieg“ (Albright), in dem Truppen fast aller zentralafrikanischen Staaten involviert waren, starben rund drei Millionen Menschen. Nach der Ermordung Kabilas im Jahr 2001 schwenkte sein Nachfolger, Kabila junior, auf einen westfreundlicheren Kurs um. Der Krieg ging weiter, nicht zuletzt, weil USA und Frankreich miteinander rivalisierende ethnischen Gruppen unterstützten, um sich Einfluss auf das Land zu sichern.

Hintergrund für diese westliche Einflussnahme ist der enorme Rohstoffreichtum des Landes: Die DR Kongo ist reich an Edelhölzern, Diamanten und Gold, Kupfer, Kobalt, Zink, Zinn, Kadmium, Wolfram , Germanium und dem hochbegehrte Coltan, ein extrem hitze- und säureresistentes Metall, das sich in allen Handys befindet. Auch einige Milliarden Barral Öl werden im Ostkongo vermutet.

Konzerne finanzieren Bürgerkrieg.

Auch Deutschland ist tief in den Bürgerkrieg verstrickt. Die Nachrichtenagentur german-foreign-policy berichtet von UNO-Dokumenten, die die deutsche Außenpolitik belasten, über mehrere Jahre die Finanzierung von Rebellenmilizen gedeckt zu haben, die einen Teil des rohstoffreichen Ostkongo abspalten und an das angrenzende Ruanda anschließen wollten. Deutschland verfügt seit 1994 über Einfluss auf ein Minenunternehmen (Somikivu) im Ostkongo, das zur Förderung seltener Rohstoffe für die Herstellung von Düsenmotoren und Raketenteilen gegründet worden war. Die von Somikivu betriebene Mine Lueshe gilt als eine der zwei wichtigsten Lagerstätten ihrer Art weltweit. Die Bayer AG unterhielt jahrelang Geschäftsbeziehungen im Dickicht des Krieges. Mit der Rohstoffausbeute wurde nicht nur prächtig verdient, sondern auch der Bürgerkrieg am Laufen gehalten, indem gegen Kabila agierenden Rebellengruppen finanziert wurden. Seit fast fünf Jahren fordern die Vereinten Nationen von der deutschen Regierung, Maßnahmen gegen diese kriegsfördernden Umtriebe zu ergreifen. Aber statt dessen will nun die deutsche Regierung das Kommando über eine EU-Truppe in den Kongo übernehmen. Das wird auch die Firma Siemens freuen, die sich derzeit um einen Milliardenauftrag zum Ausbau von Wasserkraftwerken am Kongo bemüht. Der deutsche Verteidigungsminnster Franz-Josef Jung benennt den Hintergrund des Militäreinsatzes ungeschminkt: „Stabiltät in der rohstoffreichen Region nützt auch der deutschen Wirtschaft.“ Ähnlich auch die Interessenslage Frankreichs, das neben Deutschland die zweite Führungsmacht bei dieser Mission sein soll. Die französische Consultingfirma Sofreco ist im letzten Jahres als Übergangsverwalterin der kongolesischen staatlichen Minengesellschaft Gécamines eingesetzt worden, um diese weiter zu privatisieren.

„Das ist ein Kriegseinsatz“

Formal berufen sich Deutschland und Frankreich auf ein Ersuchen der UNO an die EU, mit einer eigenen Truppe die Wahlen zu sichern. Aus dem Kongo selbst allerdings, ist die Anregung dazu nicht gekommen. Weder die dortige UNO-Mission MONUC, die schon 16 700 Soldaten im Einsatz hat, noch Kongos Regierung haben um weitere Truppen nachgesucht. Javier Solana hat im Namen der EU massiv im Kongo und bei der UNO Druck gemacht, um entsprechende „Einladungen“ zu erreichen. Für Deutschland und Frankreich stellt diese Militärmission einen Probegalopp für die EU-Schlachtgruppen („battle-groups“) dar, um sich als Großmächte am afrikanischen Kontinent zu etablieren. Es gibt auch warnende Stimmen. Der Präsident des Bundeswehr-Reservistenverbandes, der CDU-Abgeordnete Ernst-Reinhard Beck: "Das ist ein Kriegseinsatz. Man darf die Dinge nicht verniedlichen oder klein reden."

EU hat im Kongo nichts verloren!

Der EU-Ministerrat hat den Einsatz im Kongo bereits beschlossen. Auch das Europäische Parlament hat den Einsatz mit einer großen Koalition gebilligt, die von Sozialdemokraten, Liberalen und Konservativen bis zu Postfaschisten reicht. Die österreichische Regierung hat im Rahmen ihrer EU-Präsidentschaft die Weichen für diesen Kriegseinsatz im EU-Ministerrat gelegt und möchte mit einigen Stabsoffizieren auch etwas Pulverdampf schnuppern. Die Werkstatt Frieden & Solidarität bekräftigt in einer Stellungnahme, dass EU-Truppen im Kongo nichts verloren haben und sich Österreich sofort aus den EU-Schlachtgruppen zurückziehen muss.

Werkstatt-Vorsitzender Günter Reder: „Der geplante Kongo-Einsatz zeigt einmal mehr, dass es sich bei diesen Einheiten um ein Instrument des Neokolonialismus handelt.“

* Quelle: Rundmail der Werkstatt Frieden & Solidarität, Linz.


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