Kongo: Ein Krieg, der nur Verlierer kennt
Hoffnung auf Frieden? Eine optimistische Analyse
Liest man den folgenden Artikel, den wir Le Monde diplomatique, der Beilage der taz, vom 12. April 2001 entnommen haben, so hat der Krieg im Kongo nur Verlierer - und dennoch besteht nach Ansicht der Autorin, Colette Braeckman, Hoffnung auf ein baldiges Ende des grausamen Bürger- und Interventionskrieges. Wir dokumentieren die Analyse in gekürzter Form.
DIE DEMOKRATISCHE REPUBLIK KONGO UND AFRIKAS
"ERSTER WELTKRIEG"
Krieg der Plünderer, Krieg der Verlierer
Von COLETTE BRAECKMAN *
* Journalistin bei "Le Soir" (Brüssel)
...
Die Umstände, unter denen Laurent-Désiré Kabila am 16.
Januar 2001 in Kinshasa ums Leben kam, konnten bislang nicht
bis in all ihre mysteriösen Facetten aufgeklärt werden.
Höchstwahrscheinlich fiel der kongolesische Präsident... einer von langer Hand geplanten Konspiration zum Opfer. In dem Fall war die Verzweiflungstat des Attentäters ... in Wirklichkeit nur das Instrument eines viel weiter gehenden Planes: Über Monate galt Kabila als
der Mann, der das Friedensabkommen von Lusaka (Sambia)
blockierte. Doch dass Afrikas "Erster Weltkrieg" (Madeleine
Albright) inzwischen zum Stillstand gekommen ist, hat gleichwohl
andere Gründe.
Der Text des Friedensabkommens vom 10. Juli 1999 ging von
der Hypothese eines Bürgerkriegs aus und setzte sich damit über
die Souveränität des Kongo hinweg. Dass man von falschen
Voraussetzungen ausging, zeigt schon der Zeitplan: Er sieht vor,
dass nach Herstellung der Waffenruhe die so genannten
"negativen Kräfte" entwaffnet werden, also die bewaffneten
Gruppen, die die Sicherheit der Krieg führenden Länder
bedrohen (gemeint sind im Wesentlichen die völkermordenden
ruandischen Milizen); als nächsten Schritt die Eröffnung eines
innerkongolesischen Dialogs, aus dem eine neue institutionelle
Ordnung hervorgehen soll; und zum Schluss - im Rahmen der
Verteidigungsabkommen der Entwicklungsgemeinschaft
Südliches Afrika (SADC) - den Abzug sämtlicher ausländischen
Truppen, das heißt der "Aggressionstruppen" Ruandas und
Ugandas bzw. der Streitkräfte Simbabwes, Angolas und
Namibias, die das Regime in Kinshasa unterstützen.
Die Architekten des Lusaka-Abkommens, zu denen unter
anderen der US-Diplomat Howard Wolpe gehörte, betrachteten
das kongolesische Regime demnach lediglich als eine von
mehreren Gruppierungen, die eine Aufteilung der Macht
zwischen gleichberechtigten Partnern aushandeln sollen. Zu
diesen Gruppierungen gehören auch drei Rebellenbewegungen:
die von Ruanda unterstützte Kongolesische Sammlung für
Demokratie (RCD)(1), die Kongolesische Sammlung für
Demokratie - Befreiungsbewegung (RCD-ML), die sich mit der
von Uganda unterstützten Kongolesischen Befreiungsbewegung
(MLC) zusammengeschlossen hat, sowie die Mobutisten. Weiter
sieht das Abkommen vor, die Beobachter der Vereinten
Nationen sowie eventuelle Interventionskräfte an der Frontlinie,
das heißt mitten im Lande zu stationieren, womit man riskierte,
die Teilung des Landes auf Dauer festzuklopfen. Die Alternative
wäre gewesen, diese Kräfte an den Grenzen zu stationieren ...
Laurent-Désiré Kabila war praktisch gezwungen, dieses
Arrangement zu unterzeichnen, da die ruandische Armee
Mbuji-Mayi zu erobern drohte, die Hauptstadt der Provinz
Kasai mit ihren reichen Diamantvorkommen, welche die
wichtigste Wirtschaftsressource des Landes darstellen. Ab
diesem Zeitpunkt versuchte Kabila mit allen Tricks, die für ihn
ungünstigen Bestimmungen des Abkommens zu umgehen. So
lehnte er den ehemaligen Präsidenten von Botswana, Ketimule
Masire, den er für parteilich erklärte, als Unterhändler ab und
hintertrieb den Einsatz der UN-Mission, indem er versuchte, in
Libreville (Gabun) separate Treffen mit Vertretern der -
vorwiegend mobutistischen - Exilopposition zu organisieren.
Auch lehnte er die freie Ausübung politischer Aktivitäten ab,
indem er eine ihm ergebene konstituierende
Nationalversammlung durchzusetzen versuchte und die Gründung
so genannter Volksmachtkomitees betrieb ...
Ungeachtet aller Kritik an Kabilas autoritärem Herrschaftsstil
muss man einfach zur Kenntnis nehmen, dass sich kurz vor seiner
Ermordung das Kräfteverhältnis zu seinen Gunsten entwickelt
hatte.
Die durch interne Spaltungen zerrütteten und durch Desertionen
zahlenmäßig geschwächten Rebellenbewegungen erschienen
immer mehr als Organisationen, die von ihren ruandischen und
ugandischen Beschützern manipuliert werden (trotz der relativen
Autonomie des MLC in der Äquatorzone), und immer weniger
als Repräsentanten echter Volksbewegungen. Darüber hinaus
trugen drei andere Ereignisse dazu bei, die weltweite öffentliche
Meinung ins Wanken zu bringen: erstens die militärischen
Auseinandersetzungen um Kisangani, in denen die von Kigali
bzw. von Kampala kontrollierten Truppen versuchten, die
Kontrolle über die Stadt und ihre Diamantenkontore zu
behaupten; zweitens die Berichte über
Menschenrechtsverletzungen, Massaker und Stammesfehden;
und drittens die Plünderung kongolesischer Bodenschätze in den
von den Rebellen kontrollierten Gebieten. ...
Der junge Kabila hat das Wohlwollen des Westens
JOSEPH KABILA, Adoptivsohn und Nachfolger des
verstorbenen Präsidenten, war gut beraten, als er sich
unmittelbar nach seiner Ernennung am 17. Januar 2001 zu
Konzessionen in allen Streitpunkten bereit erklärte. So
verpflichtete er sich, die Bestimmungen des Lusaka-Abkommens
umzusetzen, ein größeres Spektrum politischer Kräfte zuzulassen
und unverzüglich einen politischen Dialog zwischen allen
Kongolesen einzuleiten. Im Gegenzug forderte er die
ausländischen Truppen auf, das Land zu verlassen, und verlangte
die Respektierung der territorialen und politischen Integrität des
Kongo.
Dass er sogleich zu Gesprächen nach Washington, Paris und
Brüssel eingeladen wurde, verdankte er freilich in erster Linie
seinen wirtschaftspolitischen Maßnahmen: Liberalisierung des
Waren- und Dienstleistungsverkehrs, des Diamantenhandels und
der Wechselkurse, freier Devisenverkehr und freier Umlauf des
kongolesischen Franc. Schließlich erklärte er sich bereit, die
Frage der Schürfrechte und der Investitionen binnen kürzester
Frist gesetzlich neu zu regeln. Während sein Vater im Zuge des
ersten Befreiungskriegs 1997 die Verträge mit
US-amerikanischen Bergbauunternehmen aufgekündigt und den
Kongo mit Rezepten zu sanieren versucht hatte, die noch aus
dem Arsenal der ehemaligen kommunistischen Länder stammten,
hat Joseph Kabila einen Neuanfang gewagt und das Land für die
freie Marktwirtschaft geöffnet.
Damit errang der junge Präsident einerseits das Wohlwollen der
westlichen Länder, die ihm sofort ihre Unterstützung zusagten.
Andererseits kann die Bevölkerung des Kongo, ausgelaugt von
Krieg wie von dem Embargo, das faktisch seit 1992 über das
Land verhängt ist (also seit dem Bruch zwischen dem
Mobutu-Regime und seinen Kreditgebern), endlich auf die
Wiederaufnahme der internationalen Hilfe und neue Investitionen
hoffen, aber ebenso auf das Ende einer absurden
Wirtschaftspolitik.(2)
Auch wenn Kabila junior den Patriotismus seines Vaters nicht
verraten hat, so hat er vielleicht mit seinem konzilianten Ton und
seiner neuen Wirtschaftspolitik den Krieg führenden Parteien und
der internationalen Gemeinschaft die lang ersehnte Chance
eröffnet, sich ohne Gesichtsverlust aus dem Morast
herauszuarbeiten. ...
1997 hatte die Allianz Demokratischer Kräfte zur Befreiung des
Kongo (AFDL) nach sieben Monaten Krieg Kinshasa erobert
und ihren Sprecher Laurent-Désiré Kabila an die Macht
gebracht, und zwar mit diplomatischer Unterstützung durch die
USA, aber auch durch Angola und Simbabwe. Doch dieser
Sieg, den viele schon als Triumph der "afrikanischen
Renaissance" feierten, war eine zwiespältige Sache. Er kaschierte
einen potenziellen Konflikt zwischen den Interessen der
Bevölkerung und den Ambitionen der Länder, die die AFDL
gegründet bzw. unterstützt hatten, und zwar um wirtschaftlicher
und politischer Vorteile willen.
So hatte Ruanda dem neuen kongolesischen Präsidenten
militärische Berater gestellt, und mehrere Minister Kabilas waren
direkt in Kigali rechenschaftspflichtig. Der ugandische Präsident
Yoweri Museveni wiederum träumte von einer Straße oder
sogar einer Eisenbahnlinie, die Kampala mit Kisangani verbinden
und damit Zentralafrika für die asiatischen Geschäftsleute öffnen
würde, die Uganda als einen Brückenkopf betrachten. Harare
war seinerseits auf dem besten Wege, Schürfverträge mit
Kinshasa abzuschließen und den Markt mit Grundbedarfsgütern
zu beliefern - als Ausgleich dafür, dass Südafrika den
Simbabwern den mosambikanischen Markt "weggeschnappt"
hatte.
Die "Pflicht zur Undankbarkeit", die Präsident Kabila gegenüber
seinen ehemaligen Verbündeten an den Tag legte, machte diese
Hoffnungen zunichte: Er stellte die Schürfverträge in Frage,
entließ seine ruandischen Berater und kritisierte die
Forstkonzessionen, von denen die Ugander im Nordosten des
Landes profitierten. Der Ausbruch des zweiten Kongokriegs im
August 1998 war in erster Linie der Versuch, den ehemaligen
Buschkämpfer, der inzwischen als unkontrollierbar galt, durch
eine Regierungsmannschaft zu ersetzen, die enger mit Kigali und
Kampala zusammenarbeitet. Ruanda und Uganda hofften, sich
durch die Ausbeutung der ungeheuren Reichtümer ihres
Nachbarlandes zu sanieren, und beanspruchten unter Berufung
auf ihre Sicherheitsbedürfnisse das Recht, mit ihren Truppen auf
kongolesischem Staatsgebiet zu operieren. Doch die von den
USA gebilligte, wenn auch nicht finanzierte Operation, die man
sich als Blitzkrieg vorgestellt hatte, verlief im Sande, als Angola
und Simbabwe gegen das Eingreifen dieser unter dem
Deckmantel der Rebellenbewegung RCD operierenden Truppen
Einspruch erhoben.
Seitdem sind die Kriegshandlungen abgeflaut, und alle beteiligten
Parteien haben viel mehr als nur ihren ursprünglichen Einsatz
verloren. Die Rebellen, die bei der Bevölkerung sehr unbeliebt
sind - zumal diese den zweiten Krieg ablehnt -, haben sich in drei
rivalisierende Bewegungen aufgespalten (RCD, RCD-ML und
MLC). Zudem büßten die heute konkurrierenden, wenn auch
nicht verfeindeten Staatschefs von Ruanda und Uganda, Paul
Kagame und Yoweri Museveni, ihr Prestige als "neue Führer" ein
und wurden vom Weltsicherheitsrat aufgefordert, ihre Truppen
vom kongolesischen Staatsgebiet abzuziehen.
Hinter den Begründungen, welche die Beteiligten ursprünglich zur
Rechtfertigung dieses Kriegs angeführt haben, wird heute das
eigentliche Motiv deutlich, um das es allenthalben geht: die
schamlose Ausbeutung der Reichtümer des Kongo. In Kivu, im
Osten des Landes, hat zum Beispiel die Somigl (Société miničre
des Grands Lacs) ein Monopol auf die Gewinnung von
Colombo-Tantalit (Coltan), ein wertvolles Mineral, das für
Legierungen bei der Herstellung von Flugzeugen, Handys oder
Mikroprozessoren unentbehrlich ist. Die Somigl exportiert das
Mineral nach Ruanda und von dort über drei Gesellschaften -
Africom, Promeco und Cogecom (belgisch, ruandisch bzw.
südafrikanisch) - nach Europa und in die USA. An der Grenze
zwischen Kivu und Ruanda sind sämtliche Zollschranken
gefallen, was sich für die Bevölkerung wie eine faktische
Annexion darstellt. Auf diese Weise gelangen die Reichtümer des
Kongo in das Nachbarland und finanzieren dort den Militäretat. ...
In Kampala bestritt der Hauptkonkurrent von Staatschef
Museveni, Oberst Kissa Besigye, seine Kampagne für die
Präsidentschaftswahlen(3) mit der Verurteilung des
Kongokriegs. Wo die ugandische Armee auf kongolesischem
Gebiet die Macht ausübt, protegiert sie ganz unverhohlen die
Einkaufskontore für Gold und Diamanten, organisiert den Import
ugandischer Konsumgüter und exportiert kongolesische
Bodenschätze wie Gold, Diamanten, Zinn, Kaffee, Edelhölzer
und sogar Erdöl, das vor kurzem im Semlikital entdeckt wurde.
Die wichtigsten Protagonisten der ständigen Ausbeutung
kongolesischer Reichtümer sind General Salim Saleh und
Brigadier Kazini. Die ugandischen Kräfte werden außerdem
bezichtigt, Zwietracht zwischen kongolesischen Stämmen zu
schüren und insgeheim die blutigen Zusammenstöße zwischen
Hemas und Lendus in der Umgebung von Bunia gefördert zu
haben, die hunderte Menschen das Leben kosteten.
...
Die Interessen der Nachbarn
IM Übrigen hat sich die Unsicherheit in Kivu, die als
Rechtfertigung für den zweiten Kongokrieg gedient hat, nur noch
verstärkt: Die kongolesischen Banyamulenge-Tutsi, auf deren
Verteidigung sich Kigali ursprünglich berufen hat, sind heute auf
ihren Hochplateaus umzingelt. Und die von ihren Eliten
unterstützte Bewegung namens Front Républicain Fédéraliste
(FRF) schreibt Ruanda und dem RCD ganz offen die Schuld an
den Streitigkeiten mit ihren kongolesischen Nachbarn zu. ...
Während Kigali die Zusammenarbeit der "negativen Kräfte" (die
Interhahamwe) mit den kongolesischen Widerstandstruppen
Mayi Mayi verurteilt, behaupten zahlreiche kongolesische
Quellen, dass die ruandische Armee gefangene Hutu nach Kivu
einschleuse. Und zwar mit dem Auftrag, die Unsicherheit
bewusst zu schüren, um ihre anhaltende Präsenz in einer Region
zu rechtfertigen, die für Ruanda immer als demografisches und
ökonomisches Ventil fungierte.
Selbst wenn die UNO den Abzug der ausländischen Truppen
überwacht und sich an der Front zwischen die Parteien schiebt,
bleibt die Lage in Kivu explosiv. Schließlich dient die Region
auch als Operationsbasis für die burundischen Hutu, die im
Februar 2001 ihre Angriffe auf die Hauptstadt Bujumbura
intensiviert haben: Offenbar spielt sich in dieser Subregion heute
ein "Krieg im Kriege" ab, mit dem zunächst Burundi(4) und
später vielleicht auch Ruanda destabilisiert werden sollen.
Auch für Simbabwe und Angola, die Verbündeten des
verstorbenen Präsidenten Kabila, hat sich der Krieg im Kongo
als negativ erwiesen, trotz aller unmittelbaren wirtschaftlichen und
sicherheitspolitischen Vorteile, die beide Länder zunächst daraus
ziehen konnten. So hat das Engagement Robert Mugabes
aufseiten der Demokratischen Republik Kongo den Niedergang
seines eigenen Regimes beschleunigt, nachdem die Opposition
dieses Thema zum Hauptargument in ihrer Wahlkampagne
gemacht hatte.
Simbabwe hatte im Kongo auch kommerzielle Interessen.
Präsident Mugabe hatte 200 Millionen Dollar zur Finanzierung
des ersten Kriegs investiert und sich im zweiten engagiert, um die
Integrität des Landes zu verteidigen und seinen alten Freund
Kabila zu unterstützen, aber auch um seine Investitionen zu
schützen. Seitdem ist die simbabwische Armee als militärischer
wie als Wirtschaftsfaktor im Kongo präsent: Die Zimbabwe
Defense Force (ZDF) hat zahlreiche Verträge über ihre Firma
Zidco abgeschlossen ... Für
Simbabwe hat sich dieses Engagement kräftig ausgezahlt, und
zwar in Form militärischer Lieferverträge (unter anderem über
chinesische Waffen), einer Konzession über eine halbe Million
Hektar Land in Katanga für die Rural Development Authority
und in Form von Stromlieferungen über die Grenze.
Am offensichtlichsten - und umstrittensten - war jedoch die Rolle
Simbabwes im Bergbausektor. So hat Kabila im September
1998 Billy Rautenbach, dem Chef von Wheels of Africa, die
Leitung des Unternehmens Gecamines und die Nutzung mehrerer
bedeutender Konzessionen übertragen(5). Auch über das
Unternehmen Osleg (Operation Sovereign Legitimacy) ist
Simbabwe an der Ausbeutung der Diamantvorkommen von
Mbuji Mayi beteiligt.
Von solchen Geschäftsbeteiligungen dürften zwar manche
Bonzen des Regimes profitiert haben, doch dem Land selbst
brachten sie überhaupt keinen Nutzen. Die internationalen
Finanzinstitutionen haben Simbabwe mit Verweis auf den Krieg
im Kongo mit Sanktionen belegt und etwa einen Kredit von 240
Millionen Dollar eingefroren. ...
Lediglich Angola als wichtigste Militärmacht der Region hat sein
Engagement im Demokratischen Kongo relativ unbeschadet
überstanden, ohne dass es allerdings gelungen wäre, die
Nationalunion für die völlige Unabhängigkeit Angolas (Unita)
definitiv zu neutralisieren. Vorrangiges Interesse der Machthaber
von Luanda bleibt die Sicherheit des Landes, denn auch die
Erfolge, die man in jüngster Zeit gegen Jonas Savimbi errang,
sind noch keineswegs irreversibel.
Eine Niederlage ist der Krieg im Demokratischen Kongo auch
für die Organisation der Afrikanischen Einheit (OAU), die sich
trotz vielfältiger diplomatischer Aktivitäten auf multilateraler
Ebene und trotz der Ernennung des sambischen Präsidenten
Frederik Chiluba zum Vermittler unfähig gezeigt hat, einen
Ausweg aus Afrikas "Erstem Weltkrieg" zu finden. Und auch die
Vereinten Nationen haben versagt. Das 5.537 Mann starke
Blauhelm-Kontingent, das in einem Land von der vierfachen
Größe Frankreichs die Waffenruhe überwachen soll, wurde
gerade auf 3.000 Mann reduziert.
Diese Unentschlossenheit, die mit der Blockadepolitik des
Kongo und fehlenden Geldmitteln, aber auch damit
zusammenhängt, dass die Mitglieder des Sicherheitsrates nicht
den nötigen politischen Willen aufbrachten, hat das Ansehen der
UNO in der Region nicht gerade aufgebessert. Die
Weltorganisation hat noch immer daran zu tragen, dass sie 1994
Ruanda im Stich gelassen hat, aber auch an der Tatsache, dass
die Aufrechterhaltung von Flüchtlingslagern ruandischer Hutu in
Tansania und vor allem in Kivu die Kriegsfolgen perpetuiert und
den Keim für den neuerlichen Konflikt gelegt hat. Dies gilt umso
mehr, als sich weder internationale noch
Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in der Lage gezeigt
haben, die Flüchtlinge im kongolesischen Urwald zu schützen.
Für die Menschen im Kongo stellt dieser Konflikt - dessen
Ursachen sie nie verstanden haben - eine echte Tragödie dar....
In Kinshasa ist die Bevölkerung aufgrund von Treibstoffmangel
und fehlenden öffentlichen Transportmitteln gezwungen,
stundenlang durch eine Stadt zu laufen, die von einem Ende zum
anderen vierzig Kilometer misst. Die Familien haben sich
inzwischen daran gewöhnt, ihre Mahlzeiten abwechselnd
einzunehmen - an geraden Tagen die Erwachsenen, an
ungeraden die Kinder. Dass die Flüsse - als lebenswichtige
Verkehrsadern in einem Land ohne jede Kommunikationswege -
für die zivile Schifffahrt gesperrt sind, hat für die Bewohner des
Landesinnern dramatische Konsequenzen. In Städten wie Aketi
oder Bumba in der Äquatorprovinz verderben die früher für
Kinshasa bestimmten Kaffee-, Maniok- und Reisernten vor Ort,
oder sie werden nach Uganda gebracht. Zugleich fehlt es der
Bevölkerung an Medikamenten, an Kleidung, ja sogar an Salz,
das die Händler aus dem über tausend Kilometer entfernten
Kisangani besorgen müssen - per Fahrrad durch den tropischen
Regenwald. Und über die Mitglieder der verschiedenen
bewaffneten Gruppen werden Cholera, Tuberkulose,
hämorrhagisches Krim-Kongo-Fieber, Schlafkrankheit und Aids
verbreitet.(6 )...
Und dennoch begreifen sich die Kongolesen offenbar mehr denn
je als Bürger ein und desselben Landes. Überall, im
Demokratischen Kongo wie im Ausland, gibt es Konferenzen,
Seminare und Begegnungen, die auf Initiative der Kirchen, der
Bürgergesellschaft oder ausländischer NGOs stattfinden. Dabei
kommt es jedes Mal zu einem intensiven Austausch von
Meinungen und Nachrichten, die vom Widerstand der
Kongolesen gegen die Besetzung, gegen die Aufspaltung ihres
Landes und gegen die Bevormundung durch das Ausland
zeugen.
Das ungebrochene Nationalgefühl und die radikale politische
Mobilisierung der Bevölkerung sollten Anlass genug sein, den
Kongo nicht mehr zu gängeln und nicht mehr über sein Schicksal
zu diskutieren, als handele es sich um ein unbewohntes Stück
Erde - um "herrenloses Gut", wie man es zur Zeit Leopolds II.
nannte. Ein starker Kongo ist der beste Trumpf für die Stabilität
der Region.
(dt. Matthias Wolf)
Fußnoten:-
Siehe Catherine Coquery-Vidrovitch, "Im Kongo immer noch kein
Frieden", Le Monde diplomatique, Januar 1999.
- So wurde beispielsweise das Exportmonopol für Diamanten dem
israelischen Unternehmen IDI Diamonds übertragen, das sich für dieses
Exklusivrecht zur Zahlung von 20 Millionen Dollar an den Staat
verpflichtete. Diese Maßnahme hatte Schürfer und Zwischenhändler
bewogen, ihre Edelsteine Brazzaville anzubieten.
- Bei den Wahlen am 12. März hat der seit 1986 regierende Präsident
Yoweri Museveni den Sieg davongetragen. Allerdings soll es zu
gravierenden Unregelmäßigkeiten gekommen sein.
- Seit 1993 sind bei ethnischen Auseinandersetzungen in Burundi
zehntausende Menschen ums Leben gekommen. Im Juli 1996 bewertete
eine Untersuchungskommission der Vereinten Nationen die im Oktober
1993 von Hutu-Rebellen verübten Massaker als "Akte von Völkermord".
- Mangels überzeugender Resultate musste Rautenbach die Leitung
jedoch an den Belgier Georges Forrest abgeben, ehe er zwei Monate vor
der Ermordung des Präsidenten in den Kongo zurückkehrte.
- Siehe Anatole Ayissi, "Aids und Armut", Le Monde diplomatique,
Dezember 2000.
Aus: Le Monde diplomatique Nr. 6421 vom 12. April 2001
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