"Ein Vorstoß für den Frieden in Zentralafrika ist nötig"
Die britische Hilfsorganisation Oxfam ist vor Ort und hat Vorschläge
Barbara Stocking, Direktorin der Hilfsorganisation Oxfam, Großbritannien, berichtet aus Goma im Kongo, das vor kurzem von einem verheerenden Vulkanausbruch heimgesucht wurde. Ihre Vorschläge zur Besserung der Situation richten sich vor allem auch an die Großmächte.
Kürzlich stand ich auf einem der sich allmählich abkühlenden Lavastreifen, welche
die Stadt Goma in der Demokratischen Republik Kongo zerschnitten haben. Die
zerstörerische Präzision der Lava sprang mir als erstes ins Auge. Der Lavastrom
hatte alles auf seinem Pfad vernichtet, aber Häuser im Abstand von wenigen
Metern zu beiden Seiten intakt gelassen.
Auf meinem Weg zu den ärmeren Stadtvierteln fiel mir als zweites ein seltsamer
Geruch auf. Nicht nach Holzkohlengrill, wie die Lava, sondern ranziger: Es war der
Gestank von geschmolzenem Kunststoff - das Material, aus dem viele der ärmeren
Behausungen gebaut waren.
Mindestens 60.000 Menschen haben ihr Zuhause verloren. Eine Schule und
mehrere Gesundheitszentren sind verschwunden. Ein paar Jungen kamen auf mich
zu und baten um meine Wasserflasche; viele Wasserleitungen sind beschädigt
worden, und die Menschen tranken nur widerwillig das Wasser aus dem See.
Allerdings bessert sich die Lage. Oxfam repariert Wasserleitungen und baut
Verteilungssysteme auf, mit denen ca. 100.000 Menschen schnell mit sauberem
Trinkwasser versorgt werden können. Da die Geschäfte geschlossen sind, verteilt
das Welternährungsprogramm vorübergehend Nahrungsmittel an 300 000
Menschen.
Doch die Zukunft ist äußerst ungewiss. Der Osten der Demokratischen Republik
Kongo liegt nicht nur geologisch auf einer Verwerfung, sondern auch politisch. Die
reichen Bodenschätze sind ein weiterer Grund für dauernde politische Unruhen.
Der Ausbruch des Vulkans Nyiragongo hat Menschen getroffen, die bereits seit
Jahren Konflikt und Leid ertragen. Es wird geschätzt, dass die anhaltenden Kriege
in diesem Land in weniger als 4 Jahren bis zu 2,5 Millionen Menschenleben
gekostet haben. Es ist dies eine der weltweit schlimmsten humanitären Krisen und
zugleich, bis zum Vulkanausbruch, eine der von der internationalen Gemeinschaft
am meisten vernachlässigten.
Andererseits sind die meisten Nachbarstaaten stark involviert, sie unterstützen
entweder die Regierung in Kinshasa oder die verschiedenen Rebellengruppen, die
den Osten beherrschen. Eine treibende Kraft hinter den Konflikten ist das
Bestreben, die riesigen natürlichen Ressourcen des Landes auszubeuten. Statt in
die Armutsbekämpfung fließt dieser Reichtum in Krieg und korrupte Regime.
In den letzten zwölf Monaten haben zwei profilierte Berichte eines Expertenteams
der Vereinten Nationen diese Zusammenhänge aufgezeigt. Doch bisher zeigt der
UN-Sicherheitsrat keine Neigung, deren Empfehlungen aufzunehmen und
umzusetzen.
Humanitäre Hilfe muss rasch die Menschen in Goma und Umgebung erreichen.
Längerfristig wirksame Hilfe und erfolgreicher, nachhaltiger Wiederaufbau sind
jedoch nur in Frieden und Stabilität möglich.
Daher muss jetzt, wo die Region durch den Vulkan Nyiragongo im Rampenlicht
steht, ein neuer Vorstoß für Frieden in der Region unternommen werden. Für den
Frieden in der Region sind erneute Bemühungen nötig. Oxfam ist der Meinung,
dass sowohl regulierende Maßnahmen zur Kontrolle der Plünderung der natürlichen
Ressourcen des Landes als auch hochrangiger politischer Einsatz erforderlich
sind. Einiges könnte umgehend von Geberländern in Angriff genommen werden.
Wichtige Regierungen des Westens, besonders die USA, Großbritannien,
Frankreich und Belgien, sollten offiziell auf die Ergebnisse der beiden Berichte der
UN-Experten reagieren und zu den Empfehlungen bezüglich der unrechtmäßigen
und unethischen Ausbeutung der Ressourcen Stellung nehmen. Ebenfalls ist ein
koordinierter politischer Einsatz dieser Regierungen erforderlich, um einen
vollständigen Rückzug aller ausländischen Truppen zu erreichen. Ein
UN-Waffenembargo sollte über alle direkt am Konflikt beteiligten Länder verhängt
werden und auch über die Staaten, über die der Waffenhandel läuft.
Der UN-Sicherheitsrat sollte umgehend ein Kontrollorgan einrichten, das den
Handel von Rohstoffen aus der Demokratischen Republik Kongo und den am Krieg
beteiligten Nachbarländern beaufsichtigt. Dieses Organ müsste den Sicherheitsrat
regelmäßig über zusätzlich erforderliche Maßnahmen, wie z.B. Sanktionen,
informieren.
Der Worte hat es in den USA, Großbritannien, Frankreich, Belgien und anderen
Regierungen reichlich gegeben. Hochkarätige Besuche in der Region hat es auch
ausreichend, wenn nicht sogar zu viele gegeben. Nun muss gehandelt werden. Die
Naturkatastrophe, die Goma traf, war vielleicht unvermeidbar; die Katastrophe von
Menschenhand, die der Bevölkerung der Demokratischen Republik Kongo seit
Jahren zusetzt, war es keinesfalls.
Die Frankfurter Rundschau dokumentierte den Bericht von Barbara Stocking am 7. Februar 2002 im Wortlaut.
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