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Deutsches Expeditionskorps bricht nach Afrika auf - Kongo heißt das Ziel

EU-Militärmission EUFOR will Wahlen sichern - Worum könnte es sonst gehen?

Am 10. Juli 2006 startet das erste Kontingent der Bundeswehr in den Kongo. Es ist Teil der EU-Militärmission EUFOR. Im Folgenden dokumentieren wir drei Artikel sowie ein Interview, die sich alle am 10. Juli veröffentlicht wurden.



EUFOR-Mission vor der heißen Phase

Bundeswehr mit Frankreichs Armee federführend beim militärischen Einsatz in der DR Kongo

Von Martin Ling *


Das Hauptkontingent der Bundeswehr im Rahmen der EU-Mission in der Demokratischen Republik Kongo trifft heute vor Ort ein. Das offizielle Ziel ist die Sicherung der Wahlen am 30. Juli, doch EUFOR stößt in der DR Kongo auch auf Vorbehalte.

Es ist ein militärisches Experiment mit offenem Ausgang: die EU-Mission in der Demokratischen Republik Kongo. Läuft alles glatt, begleiten die Soldaten aus der EU friedliche Präsidentschafts-, Parlaments- und Kommunalwahlen, deren Ergebnisse von allen Parteien und Interessengruppen als demokratischer Willen akzeptiert werden. Ist dies nicht der Fall, kommt es gar zu Putsch oder Bürgerkrieg, steht EUFOR vor nicht absehbaren und kaum zu bewältigenden Herausforderungen. Die Mission handelt auf der Grundlage eines UNO-Mandats. Sie wird beim Erreichen der vollen Stärke über 1200 Mann in Kinshasa und weitere 1200 Mann im nordwestlichen Nachbarstaat Gabun verfügen. Ihr Auftrag ist die Unterstützung der kombinierten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in der Demokratischen Republik Kongo am 30. Juli.

Deutschland stellt neben Frankreich das mit Abstand stärkste Kontingent und ist an der EUFOR-Truppe mit 780 Soldaten beteiligt. Davon sollen 500 Soldaten in Gabun stationiert werden und 280 in der DR Kongo selbst. Nach den Voraustrupps, die bereits in Gabuns Hauptstadt Libreville und in Kongos Hauptstadt Kinshasa eingetroffen sind, folgt ab heute das Hauptkontingent. Auch die Einsatzleitung teilen sich Frankreich und Deutschland. Die Gesamtleitung liegt beim deutschen General Karlheinz Viereck und dem Bundeswehr-Einsatzführungskomando in Geltow bei Potsdam, die operative Leitung übernimmt Mitte Juli der französische General Christian Damay im EUFOR-Stützpunkt Ndolo im Zentrum von Kinshasa.

Schon vor Ort war letzte Woche der deutsche Verteidigungsminister Franz-Josef Jung, sowohl in Libreville als auch in Kinshasa. Er erwartet den Beginn der kritischen Phase mit der Verkündung des Wahlergebnisses vier Wochen nach dem Wahltermin. »Im Ernstfall werden wir klar und deutlich einschreiten«, stellte er in Aussicht.

Die zentrale Aufgabe der EUFOR ist hingegen, einem solchen Ernstfall vorzubeugen. Für den Kongo-Experten Denis Tull von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin ist die EUFOR-Mission zwar in erster Linie Symbolpolitik, doch durchaus mit Wirkung. »Von der Mission geht ein starkes politisches Signal an potenzielle Störer aus und damit wirkt sie eskalationsmindernd«, so der Wissenschaftler gegenüber ND. Dennoch wäre ein größeres Truppenkontingent wünschenswert gewesen, um den Risiken vorzubeugen. Denn Tull geht davon aus, dass ein Wahlsieg des Übergangspräsidenten Joseph Kabila im ersten Durchgang mangels Glaubwürdigkeit nicht untätig hingenommen würde.

Exakt dieses Ergebnis ist jedoch die Zielsetzung von Kabila und seinem Wahlbündnis Allianz der präsidialen Mehrheit (AMP). Und deswegen gibt es in oppositionellen Kreisen in Kongo die Befürchtung, dass das eigentliche EUFOR-Ziel in der Sicherung des Wahlsiegs von Kabila und weniger von demokratischen Wahlen selbst liege. Denn Kabila hat sich in den letzten Jahren sehr willfährig gegenüber Interessen von multinationalen Konzernen gezeigt. So überschatten Korruption und Bereicherung nach Angaben der in London ansässigen Organisation Global Witness die zahlreichen windigen Vertragsabschlüsse, die von der nicht gewählten Übergangsregierung unter Kabila durchgepeitscht wurden, seit hohe Preise für Kupfer und Kobalt und der Einzug relativer Ruhe nach dem Bürgerkrieg die internationalen Konzerne nach Kongo haben zurückkehren lassen.

Tull sieht hingegen die wirtschaftspolitischen Interessen nicht als zentrales Anliegen von EUFOR und macht die Präferenz der internationalen Gemeinschaft und der EU für Kabila eher daran fest, dass er als berechenbar und somit als das geringste Übel gilt. Abgesehen davon sei es vermessen, bei den Wahlen in Kongo ideale Voraussetzungen zu erwarten oder gar die Etablierung demokratischer Verhältnisse. Doch mit friedlichen Wahlen könnte ein Schritt zur Festigung des nach wie vor prekären Friedensprozesses getan werden. Ohne Frieden gebe es weder Demokratie noch wirtschaftliche Entwicklung. Die Abgeordneten der Linkspartei haben im Bundestag geschlossen gegen diese Mission gestimmt. Sie befürchten einen politisch und zeitlich schwer zu begrenzenden Einsatz und den Beginn einer neuen, militärisch ausgerichteten Afrikastrategie zur Sicherung von Rohstoffen.

* Aus: Neues Deutschland, 10. Juli 2006


"Wir lehnen die Einmischung von außen ab"

Opposition im Kongo ruft zum Boykott der Wahlen und kritisiert Einsatz ausländischer Truppen - Ein Gespräch mit Mbayi Kabasela **

Wie sieht es im Kongo kurz vor den für den 30. Juli geplanten Wahlen aus?

In Kinshasa ist es relativ ruhig. Außerhalb der Hauptstadt gibt es aber nach wie vor Kämpfe. Die Fronten sind unübersichtlich: Manche Milizen bekämpfen sich gegenseitig, manche gehen gemeinsam mit den Regierungstruppen gegen andere bewaffnete Gruppen vor. Die Regierungsarmee wird von der UN-Mission MONUC unterstützt. Außerdem gibt es große Demonstrationen und zivilen Ungehorsam, vor allem in der Provinz Karsai. Dort haben viele Menschen das Verfassungsreferendum boykottiert, vier Millionen haben sich geweigert, sich ins Wahlregister einzuschreiben. Insgesamt ist die Lage undurchsichtig, verworren und gefährlich.

Wieso nimmt Ihre Partei nicht an den Wahlen teil?

Es herrscht Krieg, es gibt keine Grundlage für faire Wahlen. Wir stellen überall Unregelmäßigkeiten und Betrug fest. Alles wurde manipuliert, von Gleichberechtigung der politischen Parteien keine Spur. Der »Sieg« des jetzigen Präsidenten Kabila ist vorprogrammiert. Er läßt nur wählen, um sich den Anschein von Legalität zu geben. An so einer Show beteiligen wir uns nicht.

Was werfen Sie Kabila konkret vor?

Joseph Kabila regiert illegal. Er kam an die Macht, nachdem sein – angeblicher – Vater Laurent Kabila ermordet worden war. Gewählt hat ihn keiner. Die Übergangsperiode, die im Abkommen von Sun City vorgesehen war, endete am 30. Juni, Kabila hat sie selbstherrlich verlängert. Er hat alles dafür getan, damit unsere Partei nicht auf den Wahllisten steht. Unter anderem hat er vier Scheinparteien mit unserem Namen und Logo gegründet, damit wir selbst nicht antreten können. Zwischen sieben und zwölf Millionen unserer Sympathisanten wurde die Eintragung ins Wahlregister verweigert.

Welche Position hat die UDPS in dieser Situation?

Wir haben die »Front zur Verteidigung des Kongo« gegründet. Dieser gehören sowohl Parteien als auch gesellschaftliche Organisationen an...

... darunter auch Vizepräsident Jean-Pierre Bemba, Chef der Milizentruppe »Bewegung für die Befreiung Kongos«.

Ja, eine von fast 60 Organisationen ist die von Bemba. Es handelt sich ja nicht um eine Liebesheirat, sondern um begrenzte Zusammenarbeit. Alle Gruppen im Bündnis verfolgen das gemeinsame Ziel des Wahlboykotts. Das ist kein langfristiges Projekt, sondern eine vorübergehende taktische Maßnahme. Dazu führen wir mit verbündeten genauso wie mit konkurrierenden Gruppen politische Zwischengespräche.

Was halten Sie vom bevorstehenden EU-Einsatz?

Wir lehnen diese Einmischung ausländischer Staaten ab. Auch die UNO gehört zum Problem, sie hat uns diese Wahlen aufgezwungen, ohne auf ihre richtige Durchführung zu achten. Kabila ist der Kandidat von Belgien, Frankreich und den USA. Ich fürchte, der EU-Einsatz soll die Herrschaft der kriminellen Cliquen sichern. Diese sind unfähig zur Lösung der Krise, gewähren aber allen, die ihnen nahestehen, Bergbau-Konzessionen.

Was wird nach den Wahlen passieren?

Ohne Versöhnung, und dazu gehören faire Wahlen, kann es keinen Frieden geben. Die Legitimitätskrise der politischen Führung, die mit der Ermordung von Patrice Lumumba vor über 40 Jahren begann, wird verlängert. Damit sind neue Unruhen programmiert. Niemand kann ausschließen, daß es wieder Gewalt gibt. Die UDPS kämpft nicht mit Waffen, wird aber mit allen friedlichen und legitimen Mitteln gegen die Wahlfälscher kämpfen. Wenn es Demonstrationen und andere Widerstandsformen gibt, dann frage ich mich, wie sich die EU-Truppen verhalten werden, ob sie zu Feinden des kongolesischen Volkes werden.
Wir fordern seit Jahren einen politischen Dialog zwischen allen politischen Lagern und der Zivilgesellschaft. Nur so haben wir die Chance, zu einer dauerhaften Versöhnung zu kommen.

** Zu den größten Parteien im Kongo gehört die »Union für Demokratie und sozialen Fortschritt« (UDPS). Sie hat einen Beobachterstatus in der Sozialistischen Internationale und boykottiert die bevorstehenden Wahlen. Mbayi Kabasela ist diplomatischer Vertreter der UDPS in Deutschland.

Interview: Frank Brendle

Aus: junge Welt, 10. Juli 2006


"Bis Weihnachten ..."

Markige Worte und schlampige Vorbereitung: Nach dem Ende der Fußball-WM bricht heute das Hauptkontingent der Bundeswehr zum Kongo-Einsatz auf. Offiziell für vier Monate

Von Frank Brendle ***


Franz Josef Jung (CDU) wiederholt die Beschwörungsformel mantragleich ein ums andere Mal: »Bis Weihnachten sind sie wieder zu Hause.« Geht es nach dem Bundesverteidigungsminister, ist der Kongo-Einsatz der Bundeswehr wie geplant nach vier Monaten zu Ende. »Die Wahlkommission und der Staatspräsident haben mir bestätigt, daß der Zeitplan eingehalten wird«, versicherte Jung dieser Tage erst wieder in der Rheinischen Post.

Was solche Bestätigungen wert sind, wird sich zeigen. Der UN-Sicherheitsrat erteilte am 25. April der EU-Truppe den Auftrag, mit der Mission »EUFOR RD Congo« die ersten Wahlen seit über 40 Jahren zu sichern. Der Bundestag hatte den Einsatz am 1. Juni gegen die Stimmen von Linksfraktion und FDP beschlossen. Der Wahlmarathon beginnt am 30. Juli mit der ersten Runde der Präsidentenwahlen. Im Oktober finden Regional- und Stichwahlen statt, Mitte November soll der neue Präsident eingeführt werden.

Kinshasa im Visier

Das 780 Mann starke deutsche Kontingent, das heute, nach dem Ende der Fußball-WM, gen Afrika aufbricht, besteht vor allem aus Angehörigen des Kommandos Schnelle Eingreifkräfte Sanitätsdienst in Leer und Soldaten des Fallschirmjägerbataillons 263 aus Zweibrücken. 500 Soldaten firmieren als »Einsatzkräfte«, also Kampfsoldaten, 280 sind zur logistischen Unterstützung vorgesehen. Frankreich stellt mit 800 Mann nur knapp mehr Soldaten als die Bundeswehr, weitere 400 Soldaten kommen aus den anderen EU-Staaten und der Türkei. Das Oberkommando befindet sich in Potsdam; Einsatzleiter ist der deutsche General Karlheinz Viereck.

Von den 2000 Soldaten werden sich 1200 im benachbarten Gabun befinden. Von dort aus sollen sie im Notfall EU-Staatsbürger evakuieren. Im Kongo selbst werden 800 Soldaten sein, die meisten in der Hauptstadt Kinshasa. Die Einwohner der Acht-Millionen-Metropole werden von der Sicherung ihrer Wahlen aber nicht viel bemerken. Die EU-Truppe befindet sich neben dem Flughafen und wird sich in der Stadt nicht sehen lassen: »Deutsche Soldaten werden in Kinshasa keine Patrouillen fahren – und andere auch nicht«, zitierte der Fernsehsender n-tv einen Bundeswehroffizier. Wenn es irgendwo knallt, sollen zunächst die kongolesischen Sicherheitskräfte »für Ruhe und Ordnung sorgen«. Diese aber wenden laut UN-Berichten systematisch Gewalt gegen Zivilisten an. Erst am 30. Juni wurden zwölf Demonstranten in der Hauptstadt erschossen. Die kongolesische Menschenrechtsvereinigung beschuldigt die Polizei laut einem Artikel der Zeitschrift Afriq' Echos, mitten in die Menschenmenge geschossen zu haben.

Jung will abschrecken

Dennoch behauptete Minister Jung bei seinem Kongo-Besuch in der vergangenen Woche: »Durch unsere Präsenz kann es hier gelingen, Abschreckung zu gewährleisten.« Der CDU-Politiker selbst erwartet ab Anfang September die kritische Phase, wenn die Stimmen aus der ersten Wahlrunde ausgezählt sind. Die Wahlverlierer könnten sich weigern, das Ergebnis anzuerkennen und ihre Privatarmeen mobilisieren. Die EUFOR-Truppen würden »im Ernstfall klar und deutlich einschreiten«, so Jung. General Viereck hatte schon Mitte Juni angekündigt, »wenn nötig auch tödliche Gewalt« anzuwenden. Zum Thema »Kindersoldaten« – die es in Kinshasa bisher nicht gibt – äußerte er: »Wenn es zu einer Duell-Situation kommt, machen meine Soldaten hoffentlich keinen Unterschied zwischen Kindersoldaten und Soldaten.«

Für solche martialischen Töne erhält die Bundeswehr zwar Lob von den derzeitigen Machthabern, die Opposition sieht sich aber in ihrer Skepsis bestätigt. Die größte Oppositionspartei UDPS boykottiert die Wahlen ohnehin. Im Kongo finden immer häufiger Demonstrationen sowohl gegen das Kabila-Regime als auch gegen den EU-Einsatz statt. Das Internetportal german-foreign-policy zitiert kongolesische Exiloffiziere, die im EU-Einsatz einen »Testlauf europäischer Militärverbände an afrikanischen Zivilisten« sehen.

Tatsächlich scheinen die Militärs noch Übungsbedarf zu haben. Der deutsche Voraustrupp beklagte sich in der vergangenen Woche beim Minister, es fehlten Sonnenbrillen und tropentaugliche Ausstattung, Stiefel hätten sie sich selbst kaufen müssen. Erst in letzter Minute seien die schon eingepackten Arktis-Schlafsäcke wieder aus dem Gepäck geholt und ausgetauscht worden.

Bundeswehr bleibt in Afrika


Auszug aus einem Interview des Handelsblatts (Ausgabe 7./8./9. Juli) mit Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU):

Sie haben weitere Hilfe angedeutet. Was bedeutet das?

Die kongolesische Regierung plant den Aufbau einer neuen Armee mit bis zu 120000 Mann sowie Integrationszentren, um Rebellen einzugliedern. Ich habe mit dem Verteidigungsminister vereinbart, daß wir bei der Ausbildung und gegebenenfalls mit Ausrüstung Unterstützung leisten. Wir haben doch ein eigenes Interesse, daß das Land bald auf eigenen Füßen stehen und die UNO-Mission MONUC verkleinert werden kann. Man sollte nicht vergessen, daß Deutschland MONUC mit rund 90 Millionen Euro pro Jahr mitfinanziert.

Auszug aus einem Interview der Welt am Sonntag (9. 7.) mit Jung:

Wer im Kongo ja sagt, kann in Darfur nicht nein sagen. Dort ist die Lage nicht nur instabil, dort finden nach UN-Ansicht ethnische Säuberungen statt. Wird Deutschland im Rahmen der NATO mehr Soldaten dort hinschicken? Wäre ein solcher Einsatz im deutschen Interesse?

Eine Unterstützung der Friedensbemühungen ist im deutschen Interesse. Wir haben bereits ein bestehendes Bundestagsmandat zur logistischen Unterstützung der Afrikanischen Union in der Darfur-Region bis zu 200 Soldaten. Bereits mehrfach haben wir hier mit Lufttransporten Hilfe geleistet. Darüber hinaus stellen wir das größte Kontingent an Militärbeobachtern im Rahmen der UN-Mission im Südsudan. Derzeit beraten wir im Rahmen der UN, der NATO und der EU gemeinsam mit der Afrikanischen Union und der sudanesischen Regierung, wie die Friedensbemühungen in Zukunft weiter gestaltet werden können. Wir werden hier nicht abseits stehen.



*** Aus: junge Welt, 10. Juli 2006


Auf in den Kongo!

Von Arnold Schölzel ***

Mit dem heutigen 10. Juli 2006 beginnt eine neue Etappe der deutschen Militärgeschichte und der deutschen Außenpolitik: Deutschland faßt mit Kampftruppen wieder Fuß auf dem afrikanischen Kontinent. Umfang und Dauer des Einsatzes werden als symbolisch hingestellt, tatsächlich geht es um eine langfristige Strategie, wie Regierungsmitglieder am Wochenende deutlich machten. Vor einer Woche hatte Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) wie weiland Kaiser Wilhelm II. 1914 angekündigt, das Abenteuer werde Weihnachten beendet sein. Jetzt kamen von ihm und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) erste Relativierungen. Jung erklärte in verschiedenen Interviews, daß die Bundesregierung der Demokratischen Republik Kongo nach Abschluß der Mission weiter militärische Hilfe leisten werde. Die Welt am Sonntag berichtete, der Minister habe dies dem kongolesischen Präsidenten Joseph Kabila vor einer Woche in Kinshasa zugesagt. Nach Angaben Jungs in einem Gespräch mit dem Handelsblatt geht es um den Aufbau einer neuen kongolesischen Armee mit bis zu 120000 Mann sowie »Integrationszentren, um Rebellen einzugliedern«. Zugleich wies er darauf hin, daß sich die Bundesregierung bereits jetzt mit hohem finanziellen Engagement (90 Millionen Euro pro Jahr) an der UN-Mission im Kongo MONUC beteiligt. Jung kündigte in der Welt am Sonntag außerdem an, daß sich die Bundesregierung auf einen Militäreinsatz im Sudan vorbereitet: »Wir werden hier nicht abseits stehen.«

Außenminister Frank-Walter Steinmeier wurde vom Focus auf die Viermonatsfrist für die Stationierung angesprochen und sagte: »Niemand kann hier mit letzter Sicherheit kalkulieren.« Im Bundestag hatte Steinmeier am 17. März erklärt: »Die Entwicklung rund um die großen Seen wird entscheidend sein für die Entwicklung Afrikas insgesamt.« Am selben Tag hatte Jung in einem Bild-Interview behauptet: »Es geht auch um zentrale Sicherheitsinteressen unseres Landes.«

Den Widerspruch zwischen der angeblichen Kürze des jetzigen Einsatzes und den strategischen Absichten im »Großen Spiel« um Afrika überdeckt die Bundeswehrführung derzeit mit Großmäuligkeit. General Karlheinz Viereck, der die EU-Safari aus dem deutschen Generalstabsquartier in Potsdam-Geltow heraus leitet, erklärte am Freitag im Südwestfunk, es handele sich bei der Truppenverlegung um eine »logistische Meisterleistung«. Die Soldaten seien »tipptopp vorbereitet«. Im Augenblick habe er »pausenlos Antonow-Maschinen in Richtung Kinshasa« in der Luft, die Tausende Tonnen Material und Hunderte Soldaten ins Einsatzgebiet transportierten.

Politischen Segen für den Truppeneinsatz holte sich die Bundesregierung am Wochenende vom südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki, der wegen der Fußball-Weltmeisterschaft in die Bundesrepublik gekommen war. Er begrüßte das Engagement der Bundeswehr im Kongo. Nach einem Zusammentreffen mit Mbeki am Sonnabend in Berlin erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel: »Es wird von Südafrika für richtig befunden, daß wir helfen, nach Jahrzehnten im Kongo wieder demokratische Wahlen stattfinden zu lassen.« Die Zukunft Afrikas hänge von der Entwicklung im Kongo ab, betonte Merkel. Mbeki sagte, die Entwicklung im Kongo und im Sudan sei wichtig für Frieden, Sicherheit und Stabilität auf dem afrikanischen Kontinent.

Hinzuzufügen wäre: Und für ungehinderten Zugang zu strategischen Rohstoffen.

*** Aus: junge Welt, 10. Juli 2006


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