Für Verhandlungen gestimmt
Kolumbien: Präsident Santos wiedergewählt. Gespräche mit Guerillaorganisation ELN geplant, trotz Friedensbekundungen Angriffe auf FARC
Von Lena Kreymann *
In Kolumbien hat die Mehrheit der Wähler für eine zweite Amtszeit von Juan Manuel Santos gestimmt und damit für eine Fortsetzung der Verhandlungen mit der Guerilla. Der Kandidat der »Partei der Einheit« setzte sich bei der Stichwahl am Sonntag mit 50,95 Prozent gegen Óscar Iván Zuluaga vom »Demokratischen Zentrum« durch, der lediglich 45 Prozent erzielte. 4,03 Prozent der Wähler gaben einen leeren Stimmzettel ab. Dies war unter anderem vom linken Alternativ-Demokratischen Pol (PDA) empfohlen worden, der keinen der beiden rechten Amtsanwärter unterstützen wollte.
»Alle haben sich hinter ein Ziel gestellt, und dieses Ziel ist der Frieden«, erklärte der Wahlsieger dem Portal Cubadebate zufolge in seiner Dankesrede an seine Unterstützer emphatisch. An die Guerillaorganisationen gerichtet sagte er, das Ende eines mehr als 50 Jahre währenden Krieges sei gekommen. Diesem müsse man mit »Ernsthaftigkeit und Entschlossenheit entgegengehen«.
Bereits im Wahlkampf hatte Santos den Schwerpunkt auf die Friedensverhandlungen mit den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens (FARC) gelegt. Zuluaga dagegen hatte von diesen die einseitige, dauerhafte Einstellung der Kampfhandlungen als Voraussetzung für den Dialog verlangt und sich mit dieser für die Guerillaorganisation inakzeptablen Bedingung in die Tradition seines Parteifreundes Álvaro Uribe gestellt. In dessen Amtszeit als Präsident (2002–2010) hatte die Regierung auf offene Konfrontation mit den FARC gesetzt.
Vor der Abstimmung war in Umfragen ein sehr knappes Ergebnis prophezeit worden. Zum letztlich deutlichen Vorsprung von Santos dürfte insbesondere die Ankündigung beigetragen haben, auch mit der Guerillaorganisation »Nationale Befreiungsarmee« (ELN) in Verhandlungen zu treten. Dies erklärten am vergangenen Dienstag ein Regierungssprecher und die linke Politikerin Piedad Córdoba, die von der ELN zur Sprecherin ernannt worden war. In einem gemeinsamen Kommuniqué von Regierung und ELN hieß es, die beiden Seiten hätten im Januar dieses Jahres eine Erkundungsphase eingeleitet, nachdem es bereits 2013 Kontakte und Treffen gegeben habe. Das Ziel im gegenwärtigen Stadium sei es, »sich über die Agenda und die Form des Prozesses zu einigen, der ein Ende des Konflikts und den Aufbau eines stabilen und dauerhaften Friedens in Kolumbien ermöglichen soll«. Bisher habe man festgelegt, über die Opfer der Auseinandersetzungen und die gesellschaftliche Partizipation zu verhandeln, die weiteren Themen müßten noch bestimmt werden.
Die Ankündigung des Dialogs von ELN und Regierung wurde bereits von zahlreichen Seiten begrüßt, darunter auch von den FARC. Diese hatten bereits Anfang Juni erklärt, »alles in unseren Möglichkeiten Stehende zu tun, damit die Gespräche zwischen unserer Schwesterorganisation und der kolumbianischen Regierung produktiv starten«.
Santos selbst sagte am vergangenen Dienstag dem lateinamerikanischen Fernsehsender TeleSur zufolge, die Bedingungen »werden sich gar nicht von dem unterscheiden, was wir von den FARC zu Beginn des Prozesses verlangt haben«. Es werde keine Waffenruhe während der Verhandlungen geben, keine Gebiete würden geräumt und die Verhandlungen sollten im Ausland stattfinden. Er erklärte außerdem, daß die Verhandlungen mit den FARC in die »finale Phase« getreten seien. Derzeit stehen noch Verhandlungen über den Umgang mit den Opfern des bewaffneten Konflikts aus sowie über die Entwaffnung der FARC und deren gesellschaftliche Integration.
Während FARC und ELN anläßlich der Wahlen wie schon bei der letzten Abstimmung einen einseitigen Waffenstillstand bis Ende Juni ausriefen, wurde am Samstag nach Angaben des Verteidigungsministeriums ein hochrangiges FARC-Mitglied von der Armee getötet. Demnach starb der Anführer der 18. Front, Alfredo Machado, am Samstag bei einem Gefecht in Ituango, 610 Kilometer nördlich der Hauptstadt Bogotá. Der Nachrichtenagentur dpa zufolge beglückwünschte Santos die Streitkräfte. »Die Offensive geht weiter«, schrieb der Präsident entgegen seiner zahlreichen Friedensbekundungen.
* Aus: junge Welt, Dienstag, 17. Juni 2014
Kolumbiens Friedensverhandlungen können weitergehen
Präsident Juan Manuel Santos wurde in der Stichwahl im Amt bestätigt
Von David Graaff, Bogota **
Mit tatkräftiger Unterstützung der Linken ist Juan Manuel Santos die Wiederwahl zum Staatschef gelungen. Der Fortgang des Friedensprozesses ist damit gesichert – nicht aber sein erfolgreicher Abschluss.
Der 62-jährige Juan Manuel Santos ist am Sonntag für weitere vier Jahre als Präsident Kolumbiens bestimmt worden. Wie die Oberste Wahlbehörde am nach Auszählung aller Stimmen bekannt gab, entfielen in der Stichwahl 50,9 Prozent auf den Amtsinhaber. Sein Herausforderer Oscar Ivan Zuluaga, der im ersten Wahlgang vor drei Wochen noch vorn lag, erhielt 45 Prozent der Stimmen. Insgesamt verlief der Wahltag ohne Zwischenfälle. Die Guerillabewegung FARC hatte rund um den Urnengang einen einseitigen Waffenstillstand verkündet, der noch bis Ende des Monats andauert. »Die Kolumbianer haben heute nicht für einen Kandidaten, sondern für die Sache des Friedens gestimmt«, jubelte Santos vor seinen Anhängern. Er war als Kandidat des Mitte-Rechts-Bündnisses »Unidad Nacional« angetreten. Seit Ende 2012 führt seine Regierung in Havanna Friedensverhandlungen mit der FARC. Kurz vor der Wahl hatte der Spross einer einflussreichen Hauptstadtfamilie darüber hinaus die Aufnahme von Sondierungsgesprächen mit der ELN-Guerilla, der zweitgrößten Rebellengruppe im Land, bekannt gegeben.
Die Position seines Herausforderers, der für die vom rechten Expräsidenten Alvaro Uribe Velez ins Leben gerufene Partei »Centro Democratico« angetreten war, blieb unscharf. Viele Beobachter gehen jedoch davon aus, dass die Gespräche unter dem Rechtsaußen zum Scheitern verurteilt gewesen wären. Er erkannte das Wahlergebnis an und beglückwünschte Santos Sieg. Der verdankt seinen Erfolg auch der Linken. Die Präsidentschaftskandidatin der Linkspartei »Polo Democratico Alternativo«, Clara Lopez, hatte ihre Wähler ebenso wie der linke Bürgermeister von Bogotá, Gustavo Petro, sowie zahlreiche Intellektuelle und soziale Bewegungen dazu aufgerufen, für den Amtsinhaber und dessen Friedenskurs zu stimmen.
Besonders in der Hauptstadt, wo Santos in der ersten Runde nur wenige Stimmen geholt hatte, votierten viele Linkswähler nun für ihn. »Wir haben Wort gehalten. Dank des Beitrags der demokratischen Linken hat der Frieden gewonnen«, sagte Clara Lopez. Der Linkspolitiker Antonio Navarro Wolf twitterte: »2010 hat die Rechte Santos zum Präsidenten gewählt, 2014 die Linke. Paradox.« Ein weiterer gewichtiger Stimmenanteil kam aus den stark vom Konflikt betroffenen Regionen im Süden des Landes und aus Provinzen der Karibikküste. Dort ist der Präsident nicht nur beliebt, sondern auch gut vernetzt. Regionale politische Seilschaften hätten dem Amtsinhaber einen enormen Stimmenzuwachs beschert, schrieb das Nachrichtenportal »La Silla Vacia«.
Zudem konnte Santos, der 2010 als Nachfolger von Uribe Velez ins Amt eingezogen war und später mit diesem gebrochen hatte, auch auf zahlreiche Großunternehmer setzen. Sie hatten ihn noch kurz vor der Wahl in einem offenen Brief unterstützt, denn auch sie gingen davon aus, dass die bereits weit vorangeschrittenen Friedensverhandlungen mit der FARC und damit ein Ende des 50 Jahre andauernden Konflikts gefährdet wären, sollte die extreme Rechte erneut an die Macht kommen. Im Falle eines Friedensabkommens rechnen Experten dagegen mit einem starken Wirtschaftswachstum.
Mit dem Sieg des Amtsinhabers hat Kolumbien einen großen Schritt in Richtung Frieden gemacht. Doch droht dem Land angesichts der rund sieben Millionen Stimmen für Zuluaga und damit gegen den Friedensprozess auch eine zunehmende Polarisierung. Das im Falle einer finalen Einigung in Havanna bevorstehende Referendum dürfte also alles andere als ein Spaziergang werden. Und auch im Kongress, wo das rechte »Centro Democratico« die größte Oppositionsfraktion stellt, muss sich Santos auf Gegenwind gefasst machen. Ihr Anführer kritisierte den alten und neuen Präsidenten bereits aufs Schärfste. Sein Name: Alvaro Uribe Velez.
** Aus: neues deutschland, Dienstag, 17. Juni 2014
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