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Gespräche oder Krieg

Vor 50 Jahren wurden die FARC in Kolumbien gegründet. Heute verhandeln sie in Havanna über ein Friedensabkommen, dieses ist durch die Präsidentschaftswahlen gefährdet

Von Lena Kreymann *

Am gestrigen Dienstag vor 50 Jahren, dem 27. Mai 1964, kämpften in Kolumbien die liberalen und die kommunistischen Guerillagruppen für die Verteidigung ihrer Hochburg Marquetalia erstmals gemeinsam gegen die Regierungsarmee. Der Tag gilt heute als Gründungsdatum der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC). Während angesichts der Friedensverhandlungen in Havanna mit der kolumbianischen Regierung kolumbianische und internationale Medien in den vergangenen Tagen das Ende der Organisation heraufbeschworen, erklärte Comandante Timoleón Jiménez vom Generalstab der FARC in einer anläßlich des Jahrestages im Internet veröffentlichten Videobotschaft: »Der wahre Grund unseres Aufstandes war immer, sich für die politische Entscheidungsgewalt des kolumbianischen Volkes einzusetzen. Wegen dieser Idee haben wir 50 Jahre einen unbestechlichen Kampf geführt, und wir werden so lange wie notwendig weiterkämpfen, wenn die Oligarchie von neuem den Frieden verhindert.«

Bei den Gesprächen in Havanna wurden bislang zu einigen Themen Übereinkünfte erzielt, doch die Beschlüsse treten nur in Kraft, wenn beide Seiten sich in allen Punkten der Agenda geeinigt haben. Jiménez kritisierte die kolumbianische Regierung scharf dafür, daß sie auch während der Verhandlungen die Angriffe auf die Guerilla nicht einstellt. Die FARC hatten dagegen während der Verhandlungen immer wieder einseitige Waffenstillstände verkündet. Auch anläßlich der Präsidentschaftswahlen am vergangenen Sonntag hatten sie erklärt, die Waffen bis einschließlich des heutigen Mittwochs ruhen zu lassen.

Durch die Wahlen könnte der gesamte Friedensprozeß erneut in Frage gestellt werden. Die beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen werden am 15. Juni in einer Stichwahl gegeneinander antreten, da keiner eine absolute Mehrheit auf sich vereinen konnte. Dies hatte sich bereits in den Umfragen vor der Abstimmung abgezeichnet. Mit den beiden Amtsanwärtern stehen aber auch die Friedensgespräche zur Wahl: Santos, der mit seiner Einheitspartei »Partido de la Unidad« 25,7 Prozent auf sich vereinen konnte, steht für die Fortsetzung der Verhandlungen. Oscar Iván Zuluaga von der rechten Partei »Centro Democrático«, der mit 29,3 Prozent die meisten Stimmen bekam, hatte dagegen mehrfach deutlich gemacht, daß er den aktuellen Friedensprozeß nicht weiterführen würde. Wie die kolumbianische Tageszeitung El Tiempo am Dienstag berichtete, erklärte er, er würde die Gespräche solange aussetzen, bis die FARC »jede kriminelle Handlung gegenüber den Kolumbianern« einstellen würde, was der Forderung nach einer Aufgabe und damit dem Ende der Verhandlungen gleichkommt. Über das endgültige Ergebnis sagt der derzeitige Vorsprung von Zuluaga wenig aus. Dieses hängt wesentlich von den Stimmen der Parteien ab, die jetzt nicht mehr antreten.

Die Vertreterin von der Konservativen Partei Kolumbiens, Martha Lucía Ramírez, erzielte mit 15,5 Prozent das drittbeste Ergebnis, dicht gefolgt von Clara López mit 15,2 Prozent, die für das Bündnis aus zwei linken Parteien kandidiert hatte, dem Demokratisch-Alternativen Pol (PDA) und der Unión Patriótica. Auf dem letzten Platz landete Enrique Peñalosa von der Mitte-Links-Partei »Alianza Verde« mit 8,3 Prozent. Die Beteiligung war geringer als bei der letzten Wahl; über 60 Prozent der Berechtigten enthielten sich.

Während Zuluaga nun gezielt um die Unterstützer von Ramírez wirbt, versucht Santos mit seinem Profil als »Mann des Friedens« möglichst viele der anderen Parteien auf seine Seite zu ziehen. Linke Kräfte werfen Santos deshalb vor, den Friedensprozeß für seine Wiederwahl instrumentalisiert zu haben. Zumindest in einem Fall scheint dieses Kalkül aufgegangen zu sein: Gustavo Petro, Bürgermeister von Bogotá, hatte Santos knapp zwei Wochen vor der Wahl seine Unterstützung ausgesprochen. Wie der lateinamerikanische Fernsehsender TeleSur berichtete, erklärten am Montag drei Sekretäre der Stadtregierung Bogotás sowie 15 weitere Mitarbeiter, ihr Amt niederzulegen, um Santos beim Wahlkampf zu unterstützen. Mit Petro hat Santos einen prominenten Unterstützer gewonnen, der potentiell auch in linke Kreise wirken kann. Während eines undemokratischen Amtsenthebungsverfahrens hatte dieser seit Dezember vergangenen Jahres viel Solidarität von sozialen Bewegungen erfahren, seinen Posten hatte er erst vor rund fünf Wochen wiedererlangt. Für seine Entscheidung, Santos zu unterstützen, erntete Petro jedoch scharfe Kritik aus dem eigenen Lager. Angélica Lozano aus Petros Bewegung »Movimiento Progresistas« kritisierte in El Tiempo den Beschluß als »widersinnig«, er sei zudem innerhalb des »Movimiento Progresistas« nicht diskutiert worden.

* Aus: junge Welt, Mittwoch 28. Mai 2014


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