Gemeinsam gegen den Drogenhandel
Kolumbiens Regierung einigt sich mit FARC-Guerilla auf einen Plan, die Kokapflanzungen zu vernichten
Von David Graaff, Bogotá *
Die FARC-Guerilla und die kolumbianische Regierung haben sich bei den Friedensgesprächen in Havanna auf Maßnahmen gegen den Drogenhandel geeinigt. Bei Umsetzung hätte dies globale Auswirkungen.
Es war das dritte Mal, dass die Vertreter der kolumbianischen Regierung und der FARC (Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens) gemeinsam im kubanischen Havanna vor die Presse traten. Nur etwas mehr als eine Woche vor der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen verkündeten die Verhandlungsparteien eine Einigung über das Problem der »illegalen Drogen«. Betrafen die bisherigen Fortschritte im eineinhalbjährigen Friedensprozess mit der Agrarpolitik und der politischen Teilhabe hauptsächlich nationale Angelegenheiten, haben die nun vereinbarten Punkte bei ihrer Realisierung Folgen für den weltweiten Drogenhandel.
Kolumbien, mit mehr als 300 Tonnen jährlich neben Peru einer der größten Kokainproduzenten der Welt, soll ein Land ohne Kokapflanzungen werden. Dafür soll es ein breit angelegtes staatliches Substitutionsprogramm geben, bei dem die Kokabauern auf lokaler Ebene mit Unterstützung der Regierung festlegen sollen, wie sie ihre Pflanzungen ersetzen können. Werden die Kokasträucher nicht ausgerissen, werde die Regierung diese manuell zerstören und in Ausnahmefällen auch mit Chemikalien aus der Luft bekämpfen. Ein Punkt, bei dem die Guerilla scheinbar nachgeben musste: Die FARC hatten ein absolutes Verbot der Besprühung mit dem Wirkstoff Glyphosat gefordert, die enorme gesundheitliche und Umweltschäden zur Folge hat.
»Könnt ihr euch ein Land ohne Koka vorstellen?«, fragte Präsident Juan Manuel Santos bei einer Ansprache an die Nation, kurz nachdem beide Seiten in Havanna die Einigung verkündet hatten. In der Tat ist das nur schwer vorstellbar. Noch immer wird laut UNO-Schätzungen in Kolumbien auf 48 000 Hektar Koka angebaut. Das Geschäft mit dem weißen Pulver, vom Anbau über die Herstellung bis zur Kommerzialisierung, hatte 2012 laut Vereinten Nationen in Kolumbien ein Gesamtvolumen von 370 Millionen US-Dollar.
Das Millionengeschäft ist der Treibstoff für den bewaffneten Konflikt im Land, hat Tausende Kolumbianer das Leben gekostet und staatliche Strukturen unterwandert.
In der nun erzielten Vereinbarung verpflichten sich die FARC im Falle eines Friedensabkommens, »jedwede Beziehung zum Phänomen der illegalen Drogen zu beenden, die in Funktion des Widerstands aufgetreten sei«. Heißt im Klartext: Die Rebellen wollen sich aus dem Drogenhandel zurückziehen. Denn nicht nur paramilitärische Gruppen, auch die FARC haben ihren bewaffneten Kampf seit den 90er-Jahren verstärkt mit den Einkünften aus dem Drogenhandel finanziert. Einige Forscher halten die Rebellen für einen der wichtigsten Player im Kokainbusiness, der Geschäfte mit den mexikanischen Kartellen und selbst rechten Paramilitärs macht. Die Guerilla hatte ihre Verstrickung in den Drogenhandel bisher stets bestritten. Sie erhebe lediglich eine »Revolutionssteuer« auf Produktion und Weiterverkauf.
Die Bauern würden den Kokaanbau bevorzugen, weil ihnen aufgrund der vorherrschenden Agrarstruktur aus ökonomischer Perspektive keine Alternative bleibe. Ein Kilo Kokablätter hat auf dem schwachen kolumbianischen Agrarmarkt einen vielfach höheren Verkaufswert als ein legales Agrarprodukt.
»Eine endgültige Lösung des Drogenproblems liegt bei den mächtigen Nationen außerhalb der Grenzen Kolumbiens«, mahnte FARC-Sprecher Iván Márquez in einer Stellungnahme. Kolumbien müsse sich unter anderem aus der Abhängigkeit von den USA lösen, die mit dem von ihr finanzierten »Krieg gegen die Drogen« das Problem verschlimmern würden. Mehr als 7,3 Milliarden US-Dollar haben die Vereinigten Staaten seit der Jahrtausendwende vor allem in die militärische Bekämpfung des Drogenhandels in Kolumbien investiert. Ohne ein Umdenken in der weltweiten Drogenpolitik wäre ein Kolumbien ohne Koka also kaum vorstellbar.
Tags zuvor hatten die FARC und die kleinere Rebellenorganisation ELN (Nationale Befreiungsarmee) einen einwöchigen Waffenstillstand rund um die am kommenden Sonntag stattfindenden Präsidentschaftswahlen verkündet. Dies sei »ein Zeichen des guten Willens«, sagte FARC-Sprecher Pablo Catatumbo. Neueste Umfragen sehen ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Amtsinhaber Juan Manuel Santos und dem Kandidaten des rechten »Centro Democrático« Oscar Iván Zuluaga voraus.
* Aus: neues deutschland, Montag, 19. Mai 2014
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