Mit dem Klingelbeutel durch Europa
Kolumbiens Präsident Santos hofft auf Investitionen ausländischer Firmen, die Ex-Guerilleros ausbilden sollen
Von David Graaff, Bogotá *
Die Friedensverhandlungen zwischen der kolumbianischen Regierung und der FARC-Guerilla nähern sich dem Ende. Präsident Santos wirbt in Europa schon einmal für einen Friedensfonds.
Juan Manuel Santos packt den Klingelbeutel ein und steigt ins Flugzeug. In dieser Woche will der kolumbianische Präsident während einer fünftägigen Europa-Tournee mit sechs europäischen Staatschefs, darunter am Mittwoch auch mit Kanzlerin Angela Merkel, zusammentreffen. Ziel ist es, die Europäer dazu zu bewegen, das Land bei der Umsetzung der im Rahmen der Friedensgespräche der Regierung mit der linken FARC-Guerilla getroffenen Vereinbarungen zu unterstützen. Die Idee sei, so Santos in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AFP, einen europäischen Friedensfonds einzurichten, in den die Länder Europas einzahlen. Mit den Geldern sollen dann Programme zur Reintegration der Guerillakämpfer oder die Substitution von Koka-Pflanzungen finanziert werden.
»Wenn wir es schaffen, Frieden zu schließen, wird das auch Auswirkungen außerhalb der Grenzen Kolumbiens haben«, sagte Santos, der auch die Regierungschefs von Frankreich, Belgien, Spanien, Portugal und Großbritannien sowie Vertreter der EU-Kommission treffen wird. Seine Regierung hoffe auf Investitionen ausländischer Firmen: Wirtschaftsprojekte könnten dazu beitragen, ehemalige Guerilleros auszubilden und zu »produktiven Staatsbürgern« zu machen, so Santos. Die passenden Daten dazu lieferte am Mittwoch die Weltbank: In ihrem »Doing Business«-Ranking stuft sie Kolumbiens Wirtschaft erstmals als beste in Lateinamerika ein – vor Chile und Peru.
Seit November 2012 verhandeln die kolumbianische Regierung und die FARC-Guerilla über ein Ende des seit mehr als 50 Jahren andauernden Konfliktes in Kolumbien. Einigungen gibt es bisher unter anderem zu einer Reform der Agrarpolitik, der politischen Teilhabe und dem Problem des Drogenhandels. Die Umsetzung könnte das Schwellenland laut Schätzungen einer Parlamentskommission in den zehn Jahren nach Friedensschluss umgerechnet rund 35,3 Milliarden Euro kosten. Damit sollen beispielsweise Reintegrations- und Substitutionsprogramme, Wirtschaftshilfen oder Infrastrukturprojekte finanziert werden. Neben Zuwendungen internationaler Geldgeber soll der Frieden auch mit neuen Steuereinnahmen und Neuverschuldungen finanziert werden. Eine Vorreiterrolle bei der Kreditvergabe nimmt Deutschland ein. Wie dieser Tage bekannt wurde, gewährt die öffentliche Förderbank Kreditanstalt für Wiederaufbau Kolumbien einen Kredit über 100 Millionen US-Dollar, um Projekte rund um den Frieden zu finanzieren. Man hoffe, dies sei erst der Anfang einer weiteren intensiven Zusammenarbeit mit der Bundesrepublik, betonte der kolumbianische Finanzminister Mauricio Cárdenas.
Die Friedensverhandlungen in Havanna scheinen unterdessen allmählich auf die Zielgerade einzubiegen. Derzeit wird über die Frage nach dem Umgang mit den Opfern und das Ende der Kampfhandlungen gesprochen. Dafür verließen dieser Tage weitere hochrangige FARC-Kommandeure ihre Einheiten und schlossen sich der Verhandlungsdelegation in Kuba an. Mit Vertretern des Militärs sollen sie darüber verhandeln, wie der Übergang vom Krieg zum Frieden gestaltet werden könnte. Auch ihr Oberkommandierender, Rodrigo Jiménez, Alias »Timochenko« reiste zu Treffen mit seiner Delegation auf die Karibikinsel. Dort traf er ebenso mit seinem »Amtskollegen« vom Nationalen Befreiungsheer Kolumbiens (ELN) zusammen. Beobachter gehen davon aus, dass die zweitgrößte Guerilla des Landes sich den Verhandlungen in Kuba anschließt, allerdings mit einer eigenen Agenda. »Uns ist klar, dass es nur einen einzigen Frieden in Kolumbien gibt«, hieß es dazu in einer Stellungnahme des ELN. Im Juni war bekannt geworden, dass die ELN-Guerilla und die Regierung seit Jahresbeginn geheime Sondierungsgespräche zur Aufnahme von Friedensverhandlungen führen.
Trotz Friedensverhandlungen gehen die Kämpfe zwischen Militär und der FARC-Guerilla weiter. So kamen bei einer Offensive der kolumbianischen Armee im Departamento Meta sechs Guerilleros ums Leben, 19 weitere wurden verletzt worden, wie die Armee am Wochenende mitteilte. Eine Waffenruhe wurde nie vereinbart.
* Aus: neues deutschland, Montag, 3. November 2014
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