Marsch für den Frieden
Hunderttausende Menschen demonstrieren in Kolumbien für ein Ende der Gewalt
Von Jonas Brander *
Hunderttausende Menschen gingen am vergangenen Donnerstag in ganz Kolumbien auf die Straße. Laut der kolumbianischen Tageszeitung El Tiempo nahmen allein in der Hauptstadt Bogotá über 300.000 an der als »Marcha Por la Paz« (Friedensmarsch) bezeichneten Manifestation teil. Auch in Medellín, Cali und vielen anderen Städten demonstrierten Tausende für ein Ende des Krieges der Regierung gegen die linken Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC).
Seit 2012 wird am 9. April der mehr als sechs Millionen Opfer gedacht, die in dem seit über einem halben Jahrhundert von der kolumbianischen Armee mit Hilfe der USA geführten Krieg zu Tode gekommen sind. Bereits in den vergangenen Jahren fanden große, parteiübergreifende Märsche statt, doch waren diese weitaus kleiner und weniger politisch ausgerichtet als in diesem Jahr. Hauptinitiator war das linke Bündnis »Marcha Patriotica« (Patriotischer Marsch), in dem sich Gewerkschaften, Bauernverbände sowie soziale und indigene Gruppen zusammengeschlossen haben. Sie fordern die Einberufung einer verfassungsgebenden Nationalversammlung und einen sofortigen bilateralen Waffenstillstand. Außerdem sollen auch Friedensgespräche mit der zweiten noch aktiven Guerillagruppe des Landes, der Nationalen Befreiungsarmee (ELN), aufgenommen werden.
Die Hauptbotschaft der Demonstrationen war, dass nachhaltiger Frieden nur mit sozialer Gerechtigkeit möglich ist. In diesem, dem voraussichtlich entscheidenden Jahr der Friedensgespräche im kubanischen Havanna war dies ein deutliches Zeichen gegen die neoliberale Politik von Präsident Juan Santos.
Trotz der deutlichen Politisierung des Marsches nahm auch Santos an der Kundgebung in Bogotá teil. Dort verkündete er, dass die Aussetzung von Luftangriffen auf Stellungen der FARC um einen weiteren Monat verlängert werde. Lager der ELN werden indes auch weiterhin von der Armee bombardiert.
Sowohl die FARC als auch die ELN solidarisierten sich mit den Protestmärschen. Sie sandten in Grußbotschaften »patriotische Grüße« an die Teilnehmer. Beobachter werten dies als einen weiteren Schritt in Richtung Deeskalation des Konflikts.
Doch auch die immer noch vorhandene Spaltung der kolumbianischen Gesellschaft wurde an diesem Tag offensichtlich: Während viele Wortführer der sozialen Bewegungen noch immer Morddrohungen von rechten paramilitärischen Einheiten erhalten, bezeichnete die zweitgrößte Partei Centro Democrático (CD) des ehemaligen Präsidenten und Kriegsbefürworters Álvaro Uribe die Demonstrationen als Farce. Auch der im vergangenen Jahr unterlegene Präsidentschaftskandidat der CD, Óscar Iván Zuluaga, nutzte die Gelegenheit, um im Internet gegen die laufenden Friedensverhandlungen zu wettern.
Kritik an der Regierung üben vor allem die Opferverbände. Sie monieren insbesondere, dass das vor drei Jahren verabschiedete Opfergesetz »Ley de la victimas« nicht umgesetzt werde. Außerdem fordern die Vertreter der Opferfamilien vom Staat eine Gewährleistung ihrer persönlichen Sicherheit. Sie seien ebenso wie die Wortführer der Friedensmärsche Drohungen und Gewalt ausgesetzt. So gaben die Behörden am vergangenen Mittwoch die Ermordung von zwei Brüdern in Achí bekannt, die sich für die Aufklärung von Morden der Armee an Zivilisten engagiert hatten.
Präsident Santos bekam an diesem Tag zwar ein klares Ja zu seinen Friedensverhandlungen mit der FARC. Doch wurde er auch mit der Forderung nach einem Ende der neoliberalen Politik und dem Schutz der Opfer konfrontiert. Zwar bewerteten Beobachter wie UN-Koordinator Fabrizio Hochschild die Politisierung des Marsches als bedauerlich, doch kann es in Kolumbien keinen dauerhaften Frieden geben, wenn es keine soziale Gerechtigkeit gibt.
* Aus: junge Welt, Mittwoch, 15. April 2015
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