Schritt ans Licht
50 Jahre nach ihrer Gründung plant Kolumbiens FARC-Guerilla den Weg in die Legalität. Forderung nach Wahrheitskommission
Von Santiago Baez *
Kolumbiens wichtigste Guerilla bereitet sich darauf vor, in das legale Leben des südamerikanischen Landes zurückzukehren. Als politischer Arm der »Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens – Armee des Volkes« (FARC-EP) soll die schon vor 14 Jahren gegründete »Bolivarische Bewegung für das Neue Kolumbien« (MB) offiziell registriert werden, kündigte einer der führenden Comandantes der FARC, Pablo Catatumbo, am vergangenen Dienstag (Ortszeit) am Rande der Friedensverhandlungen in Havanna an. Dort versuchen Abgesandte der Guerilla und der kolumbianischen Regierung seit November 2012 eine politische Lösung für den Jahrzehnte alten bewaffneten Konflikt zu finden.
In einer Erklärung kündigte die Verhandlungsdelegation der FARC an, die Bolivarische Bewegung werde sich nach der Unterzeichnung eines endgültigen Abkommens als offene und legale Partei konstituieren, um die »unzufriedene Mehrheit« für eine Fortsetzung des Kampfes um Demokratie, Versöhnung und soziale Gerechtigkeit zu gewinnen. Nötig dazu seien allerdings der Respekt für die Bürgerrechte und die Möglichkeit einer echten Volksbeteiligung an der politischen Entwicklung des Landes, »um die Unzeit des Neoliberalismus und dessen Elend zu überwinden«.
Die Verhandlungen haben bislang zu mehreren Teilabkommen geführt. Diese treten allerdings erst in Kraft, wenn die Verhandlungen insgesamt abgeschlossen sind: »Nichts ist vereinbart, solange nicht alles vereinbart ist.« Durchbrüche gab es etwa bei der Durchführung einer Agrarreform zugunsten der landlosen Bauern sowie bei der Durchsetzung politischer Bedingungen, die eine legale Aktivität der Opposition ermöglichen sollen. Zugleich hat die Regierung von Präsident Juan Manuel Santos bislang jedoch einen Waffenstillstand zwischen beiden Seiten abgelehnt, obwohl die Guerilla einen solchen wiederholt angeboten hat. Während in Havanna deshalb die Delegationen in gepflegter Atmosphäre miteinander reden, machen Soldaten im kolumbianischen Urwald weiter Jagd auf die Aufständischen. Diese wehren sich mit Hinterhalten und Angriffen auf Stützpunkte des Militärs.
Zentraler Streitpunkt ist derzeit die Einrichtung einer Wahrheitskommission, die alle Hintergründe des Bürgerkrieges untersuchen soll. Gegenüber der ecuadorianischen Nachrichtenagentur ANDES drohte FARC-Unterhändler Andrés París in der vergangenen Woche bereits mit einem Abbruch der Gespräche, wenn Bogotá sich weigere, mit einer solchen Kommission die tatsächlichen Ursachen des Krieges aufzuklären. Die Guerilla sieht die Ursprünge des Konflikts im Jahr 1936. Damals war unter dem liberalen Präsidenten Alfonso López Pumarejo mit der entstehenden Bauernbewegung eine Bodenreform vereinbart worden. Aufgrund des massiven Widerstandes der Großgrundbesitzer wurde sie jedoch kaum realisiert.
Für die Regierung in Bogotá beginnt die Geschichte des Bürgerkrieges jedoch erst 1964, mit der Entstehung der FARC. Dadurch solle die Guerilla als alleinige Schuldige des Krieges präsentiert werden, der bislang 600000 Menschenleben gefordert hat, kritisierte París: »Sie wollen die Friedensverhandlungen zu einem Nürnberger Tribunal gegen die Guerilla machen.« Tatsächlich aber sei die Entstehung der FARC eine Reaktion auf die Gewalt des Staates gegen die Bauernbewegung gewesen.
Komplett ausgeschlossen sei auch, daß die Guerilla einen Friedensvertrag unterzeichnen könne, auf dessen Grundlage ihre führenden Vertreter inhaftiert würden. »Niemand wird erleben, daß die FARC ein Ende des Konflikts unterschreiben, um ihre Anführer im Gefängnis zu sehen«, betonte París.
Die FARC datieren ihre eigene Gründung zwar auf 1964, doch die Wurzeln der Guerilla reichen zurück bis zum »Bogotazo« von 1948, als die Ermordung des linksliberalen Präsidentschaftskandidaten Jorge Eliécer Gaitán zu einem Volksaufstand führte. Es bildeten sich liberale und kommunistische Guerillagruppen, die ab Anfang der 50er Jahre untereinander Kontakte knüpften. Ihre Hochburg war die Region Marquetalia im Nordwesten Kolumbiens. Ab 1960 begann Bogotá mit Unterstützung der USA damit, dort eine Großoffensive gegen die Guerilla vorzubereiten. Ein erster Ansturm 1962 scheiterte, doch 1964 wurden Tausende Soldaten gegen die Aufständischen in Marsch gesetzt. Diese schlossen sich zu einem gemeinsamen Oberkommando zusammen und leisteten Widerstand. Das erste Gefecht zwischen der vereinten Guerilla und den Truppen der Staatsmacht am 27. Mai 1964 gilt heute als Gründungsdatum der FARC-EP.
* Aus: junge Welt, Dienstag, 6. Mai 2014
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